Entscheidungsstichwort (Thema)
Fehlende Feststellungen zum Mindestschuldumfang in Betäubungsmittelverfahren. Beweiswürdigung bei Aussage gegen Aussage
Leitsatz (redaktionell)
1. a) Neben der Menge des Rauschgifts, auf die sich die Tat bezieht, spielt insbesondere dessen Qualität eine wesentliche Rolle für die Strafzumessung. Insbesondere ist es für den Schuldumfang erheblich, welche betäubungsmittelrelevanten Wirkstoffmengen sich in dem verfahrensgegenständlichen Betäubungsmittelgemisch befunden haben.
b) Der Tatrichter hat deshalb entweder konkrete Feststellungen zum Wirkstoffgehalt zu treffen oder von der für den Angeklagten günstigsten Qualität auszugehen, die nach den Umständen in Betracht kommt. Auch wenn eine Wirkstoffbestimmung nicht möglich ist, darf der Tatrichter die Frage nach dem Wirkstoffgehalt nicht offen lassen. Er muss vielmehr unter Berücksichtigung anderer hinreichend feststellbarer Tatumstände wie Herkunft, Preis und Beurteilung der Betäubungsmittel durch Tatbeteiligte und letztlich des Grundsatzes “Im Zweifel für den Angeklagten„ feststellen, von welchem Wirkstoffgehalt und damit von welcher Qualität des Betäubungsmittels auszugehen ist.
2. Steht Aussage gegen Aussage, sind die Angaben des Belastungszeugen einer besonders sorgfältigen Glaubwürdigkeitsprüfung zu unterziehen. Eine lückenlose Gesamtwürdigung der Indizien ist in einem solchen Fall besonders wichtig. Der Tatrichter hätte sich daher damit auseinander setzen müssen, ob der Zeuge wegen des dem Angeklagten zur Last liegenden Sachverhalts angeklagt oder gar verurteilt wurde und ob ihm wegen der Angaben zum Nachteil des Angeklagten die Milderung des § 31 BtMG zugute gekommen ist. Dies ist für die Beurteilung, ob der Zeuge möglicherweise ein Motiv für eine Falschbelastung zum Nachteil des Angeklagten hatte, von maßgeblicher Bedeutung.
Verfahrensgang
AG Pfaffenhofen a.d. Ilm (Urteil vom 27.06.2005) |
Tenor
I. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Jugendrichters beim Amtsgericht Pfaffenhofen a.d. Ilm vom 27. Juni 2005 mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben
II. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an einen anderen Jugendrichter des Amtsgerichts Pfaffenhofen a.d. Ilm zurückverwiesen.
Gründe
I.
Der Jugendrichter beim Amtsgericht Pfaffenhofen a.d. Ilm hat den Angeklagten am 27.6.2005 wegen vorsätzlichen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln in fünf jeweils selbständigen Fällen in Tatmehrheit mit Besitz von Betäubungsmitteln zu einem Dauerarrest von zwei Wochen verurteilt und ihn angewiesen, innerhalb der nächsten sechs Monate sich auf eigene Kosten zweier Drogenscreenings nach näherer Weisung des Landgerichtsarztes zu unterziehen und ein drogenfreies Leben zu führen.
Mit seiner gegen dieses Urteil gerichteten Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
II.
Das statthafte (§§ 312, 335 Abs. 1 StPO) und auch im Übrigen zulässige (§ 341 Abs. 1, §§ 344, 345 StPO) Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg; auf die erhobenen Verfahrensrügen braucht daher nicht eingegangen zu werden.
1. Das Amtsgericht hat keine Feststellungen zum Wirkstoffgehalt des Amphetamins getroffen, das der Angeklagte erworben (II. 1. UA) bzw. besessen (II. 2. UA) hat. Es steht daher nicht fest, welche Mindestzahl an Konsumportionen die jeweilige Rauschgiftmenge umfasste. Damit fehlt es an den erforderlichen Feststellungen zum Unrechts- und Schuldgehalt der Tat (BayObLGSt 1999, 105 und 178).
Neben der Menge des Rauschgifts, auf die sich die Tat bezieht, spielt insbesondere dessen Qualität eine wesentliche Rolle für die Strafzumessung. Insbesondere ist es für den Schuldumfang erheblich, welche betäubungsmittelrelevanten Wirkstoffmengen sich in dem verfahrensgegenständlichen Betäubungsmittelgemisch befunden haben. Der Tatrichter hat deshalb entweder konkrete Feststellungen zum Wirkstoffgehalt zu treffen oder von der für den Angeklagten günstigsten Qualität auszugehen, die nach den Umständen in Betracht kommt. Auch wenn eine Wirkstoffbestimmung nicht möglich ist, darf der Tatrichter die Frage nach dem Wirkstoffgehalt nicht offen lassen. Er muss vielmehr unter Berücksichtigung anderer hinreichend feststellbarer Tatumstände wie Herkunft, Preis und Beurteilung der Betäubungsmittel durch Tatbeteiligte und letztlich des Grundsatzes “Im Zweifel für den Angeklagten„ feststellen, von welchem Wirkstoffgehalt und damit von welcher Qualität des Betäubungsmittels auszugehen ist (st. Rspr. des Bayerischen Obersten Landesgerichts - vgl. BayObLGSt 1997, 95/96 -, der sich der Senat angeschlossen hat).
Entsprechende Feststellungen zum Mindestwirkstoffgehalt im angesprochenen Sinn sind allenfalls im Bereich der Anwendung des § 29 Abs. 5 BtMG entbehrlich, wobei die geringe Menge insoweit begrifflich bis zu drei Konsumeinheiten eines Probierers umfasst. Die Obergrenze für eine geringe Menge ist bei Amphetaminzubereitungen spätestens bei einem Wirkstoffgehalt von 0,15 g Amphetamin-Base erreicht. Da die vom Amtsgericht festgestell...