Leitsatz (amtlich)
Keine vorzeitige Löschung eines Nießbrauchs ohne Bewilligung des Berechtigten (Erben) wegen objektiver Möglichkeit des Bestehens von Rückständen.
Normenkette
BGB § 1030; GBO §§ 19, 22-23
Verfahrensgang
AG Miesbach (Beschluss vom 01.06.2012; Aktenzeichen Gmund Blatt 1896) |
Tenor
Die Beschwerde der Beteiligten gegen den Beschluss des AG Miesbach - Grundbuchamt - vom 1.6.2012 wird zurückgewiesen.
II. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Beteiligte ist Eigentümerin eines Grundstücks. Im Grundbuch ist aufgrund ihrer Bewilligung, zu deren Abgabe sie gemäß Anerkenntnisurteil vom 13.6.1985 verurteilt worden war, ein Nießbrauch zugunsten von Karoline L., ihrer Mutter, eingetragen. Die Berechtigte ist am 18.4.2012 verstorben.
Unter dem 22.4.2012 beantragte die Beteiligte die Löschung des Nießbrauchs. Die Sterbeurkunde reichte sie unter dem 28.4.2012 nach. Die Beteiligte hat im eigenen und im Namen ihrer Kinder die Erbschaft ausgeschlagen. Der nunmehr in Betracht kommende Erbe der Verstorbenen wird derzeit vom Nachlassgericht ermittelt; dieses hat für die noch unbekannten Erben einen Nachlasspfleger eingesetzt.
Mit Schreiben vom 23.4.2012 hat das Grundbuchamt darauf hingewiesen, dass eine sofortige Löschung nur in Betracht kommt, wenn eine Löschungsbewilligung des oder der Erben vorgelegt werde, andernfalls eine Löschung erst zum 17.4.2013 erfolgen könne.
Mit Beschluss vom 1.6.2012 hat das AG - Grundbuchamt - den aufrechterhaltenen Antrag der Beteiligten zurückgewiesen. Dagegen hat die Beteiligte unter dem 6.6.2012 Beschwerde eingelegt und damit begründet, dass Rückstände des Nießbrauchs nicht gegeben sein könnten und daher eine sofortige Löschung auch ohne Löschungsbewilligung möglich sei.
In einem weiteren Schreiben vom 16.7.2012 wird noch darauf hingewiesen, dass sich die Löschungsbewilligung aus dem notariellen Testament der Großeltern vom 29.5.1957 ergebe, wonach die Nießbrauchsberechtigte Reparaturen auf eigene Kosten vornehmen muss und auch die außerordentlichen Lasten, wie etwa Hypothekentilgungsbeträge zu zahlen hat.
Der Beschwerde hat das AG nicht abgeholfen.
II. Die Beschwerde der Beteiligten gegen den ablehnenden Beschluss des AG vom 1.6.2012 ist zulässig (§ 13 Abs. 1 Satz 2, § 71 Abs. 1, § 73 GBO). Sie hat jedoch keinen Erfolg.
Die Löschung von Rechten aus dem Grundbuch setzt entweder das Vorliegen einer Löschungsbewilligung (§ 19 GBO) oder einen Unrichtigkeitsnachweis (§ 22 GBO) voraus. Ist ein auf die Lebenszeit des Berechtigten beschränktes Recht eingetragen, darf das Recht auch bei Vorliegen eines Unrichtigkeitsnachweises gem. § 23 GBO nur dann sofort gelöscht werden, wenn Rückstände von Leistungen ausgeschlossen sind oder ein Löschungserleichterungsvermerk gem. § 23 Abs. 2 GBO eingetragen ist. Andernfalls ist Löschung erst nach Ablauf von einem Jahr nach dem Tod des Berechtigten möglich. Insoweit modifiziert § 23 GBO die Grundregel des § 22 GBO (s. Hügel/Wilsch GBO 2. Aufl. Überblick zu § 23).
Die Frage der Rückstandsfähigkeit des eingetragenen Rechts ist nicht danach zu klären, ob im konkreten Einzelfall Rückstände in Betracht kommen (Meikel/Böttcher GBO 10. Aufl., § 23/24 Rz. 31; Bauer/von Oefele GBO 2. Aufl., § 23/24 Rz. 30). Das Grundbuchamt hat schon nach dem Gesetzeswortlaut nicht zu prüfen, ob Rückstände tatsächlich bestehen oder nachgewiesen werden, sondern allein, ob sie nach der Art des eingetragenen Rechts objektiv möglich sind (Böttcher in MittRhNotK 1987, 219/222).
Im Fall des eingetragenen Nießbrauchs (§ 1030 BGB) ist allgemein anerkannt, dass die Möglichkeit von Rückständen, wie etwa Mietzinsen, bestehen kann (Lülsdorf in MittRhNotK 1994, 129/133; Hügel/Wilsch § 23 Rz. 8; Demharter, GBO, 28. Aufl., § 23 Rz. 10; Meikel/Böttcher §§ 23/24 Rz. 36).
Eine vom Berechtigten oder dessen Erben abgegebene Löschungsbewilligung liegt nicht vor.
Auch ergibt sich aus den Unterlagen, insbesondere dem gemeinschaftlichen Testament vom 29.5.1957, in dem der Nießbrauch für die Berechtigte angeordnet worden war, nicht, dass bei Bestellung des Nießbrauchs schon ein automatisches Erlöschen möglicher Rückstände mit dem Zeitpunkt des Todes vereinbart worden wäre. Selbst wenn im Testament davon die Rede ist, dass die Berechtigte nicht nur Reparaturen auf eigene Kosten vornehmen müsse, sondern auch sonstige Lasten, wie etwa Hypothekentilgungsbeträge zu tragen habe, sind damit nicht andere, objektiv mögliche Rückstände zugunsten der Berechtigten ausgeschlossen.
Die Löschung des Nießbrauchs scheidet daher zum gegenwärtigen Zeitpunkt aus.
III. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.
Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens ergibt sich aus § 131 Abs. 1 Nr. 1, § 31 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 30 Abs. 2 Satz 1 KostO. Der Senat stellt nicht auf § 24 KostO, sondern auf ein - wertmäßig nicht näher konkretisierbares - vorzeitiges Löschungsinteresse der Beteiligten ab.
Die Voraussetzungen der Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor, § 78 Abs. 2 GBO.
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