Entscheidungsstichwort (Thema)
Eintragung, Beschwerde, Grundbuchamt, Kaufpreis, Rechtsmittel, Widerspruch, Grundbuch, Eintragungsbewilligung, Fiktionswirkung, Berichtigung, Aufhebung, Verletzung, Grundbuchunrichtigkeit, Einspruch, Zug um Zug, Eintragung eines Widerspruchs, von Amts wegen
Leitsatz (amtlich)
1. Die Abgabefiktion nach § 894 Satz 1 ZPO tritt erst ein, wenn das Urteil Rechtskraft erlangt hat. Vorläufige Vollstreckbarkeit reicht nicht aus.
2. Die Eintragung eines Amtswiderspruchs nach § 53 Abs. 1 Satz 1 GBO setzt nicht voraus, dass die Grundbuchunrichtigkeit unmittelbar auf einer Gesetzesverletzung bei Vornahme derjenigen Eintragung beruht, gegen die sich der Widerspruch richten soll. Sie ist vielmehr auch dann möglich, wenn dem Grundbuchamt der Verstoß bei der Eintragung eines Rechtsvorgängers des jetzt eingetragenen Berechtigten unterlaufen ist.
3. Eine Anhörung des eingetragenen Berechtigten vor Erlass der die Eintragung eines Widerspruchs anordnenden Entscheidung kann unterbleiben, wenn daraus die Gefahr des Rechtsverlusts erwachsen könnte.
Normenkette
GBO § 53 Abs. 1; GG Art. 103 Abs. 1; ZPO § 894
Tenor
I. Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss des Amtsgerichts München - Grundbuchamt - vom 9. November 2021 wird das Grundbuchamt angewiesen, zugunsten des Beteiligten zu 1 gegen die Eintragung der Beteiligten zu 2 als Eigentümerin im Wohnungsgrundbuch des Amtsgerichts München von ... Band ... Blatt ... Abt. I Nr. 5 und im Teileigentumsgrundbuch des Amtsgerichts München von ... Band ... Blatt ... Abt. I Nr. 5 jeweils einen Widerspruch einzutragen.
II. Im Übrigen wird die Beschwerde verworfen.
III. Der Geschäftswert für den erfolglosen Teil des Beschwerdeverfahrens wird auf 147.200 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Beteiligte zu 1 begehrt seine Eintragung als Eigentümer der verfahrensgegenständlichen Wohnung mit Garage im Wege der Grundbuchberichtigung.
R. Sch., der Ehemann der Beteiligten zu 2 veräußerte mit notariellem Vertrag vom 11.5.2012 die damals in seinem Eigentum stehende Wohnung mit Garage an den Beteiligten zu 1. Dieser wurde am 21.3.2013 als Eigentümer eingetragen. Da der Beteiligte zu 1 den Kaufpreis nur teilweise beglich, erwirkten R. Sch. und die Beteiligte zu 2 beim Landgericht am 1.6.2015 ein für vorläufig vollstreckbar erklärtes Versäumnisurteil, in dem er unter anderem verurteilt wurde zu erklären, dass das Anwesen auf die Kläger übergehe.
Auf der Grundlage dieses Versäumnisurteils wurden zu notarieller Urkunde vom 29.10.2015 die Auflassung des Anwesens an R. Sch. sowie an die Beteiligte zu 2 und zugleich die Übertragung des hälftigen Miteigentumsanteils der Beteiligten zu 2 auf R. Sch. erklärt. Mit Schreiben vom 2.11.2015 beantragte der Urkundsnotar unter Vorlage einer vollstreckbaren Ausfertigung des Versäumnisurteils mit dem Hinweis, die Einspruchsfrist sei abgelaufen, den Vollzug. Am 3.1.2017 wurde R. Sch. im Wohnungs- und im Teileigentumsgrundbuch jeweils als Alleineigentümer eingetragen.
Am 6.8.2017 verstarb R. Sch. Daraufhin wurde am 5.2.2018 aufgrund Erbscheins die Beteiligte zu 2 als Alleineigentümerin eingetragen.
Auf den wegen eines Zustellungsmangels nicht verfristeten Einspruch des Beteiligten zu 1 gegen das Versäumnisurteil vom 1.6.2015 hin erhielt das Landgericht dieses mit am 22.1.2021 verkündetem Endurteil insoweit aufrecht, als der Beklagte verurteilt wurde zu erklären, dass das Anwesen auf die Kläger übergehe, allerdings nur Zug um Zug gegen Erstattung der gezahlten Kaufpreisraten. Im Übrigen wurde das Versäumnisurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Unter Verweis hierauf hat der Beteiligte zu 1 mit notariell beurkundeter Erklärung vom 4.3.2021 beantragt, das Grundbuch unter anderem hinsichtlich des verfahrensgegenständlichen Anwesens dahingehend zu berichtigen, dass er als Alleineigentümer eingetragen werde.
Das Grundbuchamt hat den Antrag mit Beschluss vom 9.11.2021 zurückgewiesen. Die Berichtigungsbewilligung der Eigentümerin nach § 22 Abs. 2 GBO liege nicht vor.
Hiergegen hat der Beteiligte zu 1 mit anwaltlichem Schriftsatz vom 8.12.2021 Beschwerde eingelegt und beantragt, unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung das Grundbuchamt anzuweisen, dem Antrag vom 4.3.2021 entsprechend den Beschwerdeführer als Alleineigentümer einzutragen. Auf den Einspruch des Beschwerdeführers hin habe das Landgericht das Versäumnisurteil abgeändert. Durch das Endurteil sei die Unrichtigkeit des Grundbuchs nachgewiesen, da die Beschwerdegegnerin die geleisteten Zahlungen nicht erstattet habe und ihre unbedingte Eintragung daher nicht zulässig gewesen sei. Sei die rechtskräftige Verurteilung zu einer Auflassungserklärung von einer Zug um Zug zu erbringenden Gegenleistung abhängig, trete die Fiktionswirkung nach § 894 Satz 2 ZPO erst mit der Erteilung der qualifizierten vollstreckbaren Ausfertigung nach § 726 ZPO ein. Die Grundlage der hier beantragten Berichtigung bilde daher § 22 Abs. 1 Satz 1 GBO. Die Eintragung habe stattzufinden, wenn sie vom Berechtigen verlan...