Leitsatz (amtlich)

Ordnet die Vergabekammer die Aufhebung des Vergabeverfahrens an, ist in entsprechender Anwendung von § 118 Abs. 1 S. 3 GWB ein Antrag auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung zulässig. § 118 Abs. 3 GWB stellt in diesem Fall keinen hinreichenden Schutz gegen eine Auftragsvergabe an einen Konkurrenten während des Beschwerdeverfahrens dar.

 

Normenkette

GWB § 118 Abs. 1 S. 3, Abs. 3

 

Verfahrensgang

Vergabekammer Nordbayern (Beschluss vom 24.04.2006; Aktenzeichen 21.VK-3194-06/06)

 

Tenor

Die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der Vergabekammer Nordbayern vom 24.4.2006 wird bis zur Entscheidung über die Beschwerde verlängert.

 

Gründe

Der Antrag auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung ist zulässig und begründet.

1. Der Antrag ist zulässig. Das Gebot effektiven Rechtsschutzes erfordert eine entsprechende Anwendung von § 118 Abs. 1 S. 3 GWB zugunsten der Antragstellerin.

§ 118 Abs. 1 S. 3 GWB ist zwar dem Wortlaut nach nicht erfüllt, da die Vergabestelle den Antrag auf Nachprüfung nicht abgelehnt hat. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin wird durch § 118 Abs. 3 GWB aber keine Sicherheit geschaffen, dass eine Auftragsvergabe an Konkurrenten der Antragstellerin bis zum Abschluss des Beschwerdeverfahrens unterbleibt.

Die Voraussetzungen einer unmittelbaren Anwendung des § 118 Abs. 3 GWB sind nicht gegeben, da die Vergabekammer dem Nachprüfungsantrag nicht durch Untersagung des Zuschlags stattgegeben, sondern der Vergabestelle aufgegeben hat, das Vergabeverfahren aufzuheben. Die von der Antragsgegnerin in ihrer Stellungnahme vom 11.5.2006 angeführten Gerichtsentscheidungen (BayObLG, Beschl. v. 1.10.2001 - Verg 6/01, BayObLGReport 2002, 59; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 12.7.2004 - 7 Verg 39/04; Beschl. v. 29.11.2005 - Verg 82/05; OLG München, Beschl. v. 17.5.2005 - Verg 9/05) betreffen nicht den vorliegenden Sachverhalt. In keinem dieser Fälle hat die Vergabekammer die Aufhebung des Vergabeverfahrens angeordnet.

Dass nach Ablauf der Frist des § 118 Abs. 1 S. 1 GWB die Vergabestelle in formaler Befolgung des Beschlusses der Vergabekammer die Ausschreibung aufhebt und den Auftrag "freihändig" vergibt, erscheint nicht ausgeschlossen. Bei dieser Sachlage ist effektiver Rechtsschutz nur über eine entsprechende Anwendung von § 118 Abs. 1 S. 3 GWB möglich (so auch JurisPK-VergR/Summa, GWB, § 118 Rz. 16). Auf eine zusätzliche Auseinandersetzung über die Wirksamkeit eines derartigen Vertragsschlusses, der durch die Entscheidung der Vergabekammer gerechtfertigt erscheint, braucht sich die Antragstellerin nicht verweisen zu lassen.

2. Die sofortige Beschwerde ist nicht offenkundig unbegründet. Zu den maßgeblichen Kriterien für die Bewertung eines Angebots als preislich überhöht beziehungsweise unwirtschaftlich finden sich kaum Aussagen in Rechtsprechung und Literatur. Zur Berücksichtigung der Preise ausgeschlossener Bieter existieren kontroverse Auffassungen. Die inhaltlichen Stellungnahmen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen zu 1) stehen noch aus.

Die Entsorgung des Grünabfalls aus dem Stadtgebiet der Antragsgegnerin ist gesichert. Eine sofortige Aufhebung des Vergabeverfahrens und Auftragsvergabe ist nicht erforderlich. Das wird von der Antragsgegnerin im Schriftsatz vom 11.5.2006 nicht einmal behauptet.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Über die Kosten des Eilverfahrens ist im Rahmen der abschließenden Beschwerdeentscheidung zu befinden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1521046

BauR 2007, 166

NJOZ 2006, 2325

OLGR-Süd 2006, 593

VergabeR 2006, 948

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