Leitsatz (amtlich)
Ob ein in einer Unterbringungssache zum Verfahrenspfleger bestellter Rechtsanwalt seine Tätigkeit als berufsspezifische Dienstleistung nach dem RVG abrechnen kann, hängt nach h.M. davon ab, ob ein qualifizierter Laie als Verfahrenspfleger anwaltlichen Rat gesucht hätte. Die Beurteilung, ob eine vom Betroffenen bei der Anhörung abgegebene Erklärung freiwilligen Verbleibs in der Einrichtung beachtlich ist, erfordert keine anwaltstypischen besonderen Rechtskenntnisse.
Normenkette
BGB § 1835a; FGG § 67a
Verfahrensgang
LG München I (Beschluss vom 17.04.2008; Aktenzeichen 13 T 21079/07) |
AG München (Aktenzeichen 714 XVII 891/07) |
Tenor
I. Die sofortige weitere Beschwerde gegen den Beschluss des LG München I vom 17.4.2008 wird zurückgewiesen.
II. Der Geschäftswert für das Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde wird auf 434,59 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Betroffene wurde am 2.2.2007 in ein psychiatrisches Krankenhaus eingeliefert. Zur Anhörung des Betroffenen am 3.2.2007 zog das Gericht den Beteiligten zu 1 als Verfahrenspfleger bei. Anschließend bestellte es den Beteiligten zu 1 förmlich zum Verfahrenspfleger und genehmigte die vorläufige Unterbringung des Betroffenen bis 15.3.2007. Bei der Anhörung zur vom Sachverständigen befürworteten Unterbringung hatte der Betroffene zwar erklärt, freiwillig im Klinikum zu bleiben. Das Gericht legte aber ausweislich des Beschlusses über die Verfahrenspflegerbestellung zugrunde, dass der Betroffene insoweit nicht einwilligungsfähig sei. Mit dieser Begründung bejahte es auch "das Vorliegen einer anwaltspezifischen Tätigkeit", da sich ein juristischer Laie als Betreuer (gemeint wohl: als Verfahrenspfleger) zur rechtlichen Überprüfung anwaltlichen Rats bedient hätte.
Über die Anwesenheit bei der Anhörung hinausgehende Aktivitäten des Beteiligten zu 1 sind den Akten nicht zu entnehmen. Mit Beschluss vom 15.3.2007 stellte das AG das Unterbringungsverfahren ein, da der Betroffene laut Auskunft der Klinik nunmehr freiwillig dort bleibe.
Den Antrag des Verfahrenspflegers vom 11.10.2007 auf eine Entschädigung i.H.v. 434,59 EUR nach § 1835 Abs. 3 BGB i.V.m. dem RVG wies das AG am 6.11.2007 zurück, weil bei der Vertretung des Betroffenen eine anwaltsspezifische Tätigkeit weder ausgeübt worden noch erforderlich gewesen sei. Die gegen diesen Beschluss eingelegte sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 1 hat das LG am 17.4.2008 zurückgewiesen und die sofortige weitere Beschwerde zugelassen.
Mit seinem am 5.5.2008 eingelegten Rechtsmittel gegen den ihm am 23.4.2008 zugestellten Beschluss begehrt er weiterhin den geltend gemachten Betrag. Er beruft sich darauf, dass die Erörterung und Beurteilung der Rechtserheblichkeit der Freiwilligkeitserklärung des Betroffenen eine typische anwaltliche Tätigkeit sei, die eine Vergütung nach dem RVG rechtfertige.
II. Das zulässige Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.
1. Das LG hat seine Entscheidung folgendermaßen begründet:
Ob ein als Verfahrenspfleger bestellter Rechtsanwalt eine Vergütung nach dem RVG beanspruchen könne, hänge davon ab, ob ein nichtanwaltlicher Verfahrenspfleger mit höchstmöglicher eigener Qualifikation seinerseits in gleicher Lage einen Anwalt zu Rate gezogen hätte. Die Beurteilung der Frage, ob der Betroffene zu geplanten Unterbringungsmaßnahmen seinen Willen frei zu bilden vermöge, könne im Einzelfall zwar Schwierigkeiten aufwerfen und Rechtskenntnisse erforderlich machen. Vom Vorliegen derartiger Schwierigkeiten könne angesichts fehlender Protokollierung jedoch nicht ausgegangen werden.
2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO) stand.
a) Berufsmäßige Verfahrenspfleger erhalten den Ersatz von Aufwendungen (§ 67a Abs. 1 Satz 1 FGG i.V.m. § 1835 Abs. 1 und Abs. 2 BGB) und gem. § 67a Abs. 2 Satz 1 FGG i.V.m. § 1836 Abs. 1 BGB zusätzlich eine Vergütung, deren Höhe sich in entsprechender Anwendung der §§ 1 bis 3 Abs. 1 und 2 des Vormünder- und Betreuervergütungsgesetzes (VBVG) errechnet (§ 67a Abs. 2 Satz 2 FGG).
§ 1 Abs. 2 Satz 2 RVG eröffnet - wie die vorherige inhaltsgleiche Regelung in der BRAGO - Rechtsanwälten grundsätzlich die Möglichkeit, die Wahrnehmung bestimmter Einzelaufgaben über § 1835 Abs. 3 BGB abzurechnen, und zwar, trotz des Ausschlusses des § 1835 Abs. 3 BGB in § 67a Abs. 1 Satz 1 FGG, auch im Rahmen einer Tätigkeit als Verfahrenspfleger (vgl. BT-Drucks. 13/158, 41; /347; BtPrax 2000, 120/122; BGHZ 139, 309/311 f.; BayObLG FamRZ 2002, 1201).
Eine Abrechnung auf der Grundlage des RVG ist aber nur gerechtfertigt, wenn die zu bewältigende Aufgabe besondere rechtliche Fähigkeiten fordert und daher eine originär anwaltliche Dienstleistung darstellt (vgl. /348; BGH
a.a.O.). Es muss sich um eine Aufgabe handeln, für die ein anderer Verfahrenspfleger in vergleichbarer Lage vernünftiger Weise einen Rechtsanwalt herangezogen hätte, weil sie eine für den Beruf des Rechtsanwalts spezifische Tätigkeit einschließt (vgl. BVerfG FamRZ 2000, 1280/1282; 2000, 1284/1285). Abzustellen ist hie...