Entscheidungsstichwort (Thema)
Bestimmung eines nicht am Zuständigkeitsstreit beteiligten Gerichts
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Bestimmung eines dritten, nicht am Zuständigkeitsstreit beteiligten, Gerichts bei Vorliegen eines gemeinsamen Gerichtsstands.
2. Der ausschließliche Gerichtsstand des § 32b Abs. 1 ZPO ist nicht eröffnet, wenn der (einzige) Beklagte nicht als Prospektverantwortlicher im Sinne des § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO, sondern wegen Ansprüchen aus Prospekthaftung im weiteren Sinne in Anspruch genommen wird
3. Zwar kann eine Bestimmung nach dem Wortlaut des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO nur dann erfolgen, wenn von den beiden sich für unzuständig erklärenden Gerichten eines tatsächlich zuständig ist. Aus Gründen der Prozessökonomie und der Verfahrensbeschleunigung kann in Ausnahmefällen bei einem entsprechenden Antrag der Klägerseite auch ein drittes, örtlich tatsächlich zuständiges, aber am Zuständigkeitsstreit nicht beteiligtes Gericht bestimmt werden. Dies kann anzunehmen sein, wenn bei mehreren Streitgenossen eine gemeinsame (besondere) Zuständigkeit bei einem dritten Gericht besteht.
Normenkette
ZPO §§ 29c, 32b, 36 Abs. 1 Nr. 6, § 37
Tenor
Örtlich zuständig ist das Landgericht Stendal.
Gründe
Die Voraussetzungen für die Zuständigkeitsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2, § 37 ZPO sind gegeben, nämlich einerseits der grundsätzlich bindende Verweisungsbeschluss (vgl. § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO) des Landgerichts München I vom 4.12.2015 und andererseits der die Entscheidungskompetenz verneinende, verkündete Beschluss des angegangenen Landgerichts Magdeburg vom 12.10.2016 (vgl. BGH NJW-RR 2013, 764; OLG Hamm NJW 2016, 172; Hüßtege in Thomas/Putzo ZPO 38. Aufl. § 36 Rn. 23 m. w. N.).
Zuständig zur Entscheidung über das Klagebegehren ist aufgrund des Verweisungsantrags der Klägerin vom 9.6.2017 gem. § 281 Abs. 1 ZPO das Landgericht Stendal, da der Verweisungsbeschluss des Landgerichts München I wegen Verletzung rechtlichen Gehörs nicht bindend und keines der am Zuständigkeitsstreit beteiligten Gerichte für beide Beklagte gemeinsam zuständig ist.
1. Der Beschluss des Landgerichts München I vom 4.12.2015 entfaltet wegen Versagung des rechtlichen Gehörs (vgl. BGHZ 102, 338/340f.; Zöller/Greger ZPO 31. Aufl. § 281 Rn. 17a) ausnahmsweise keine Bindungswirkung. Die Beklagten konnten sich zwar gemäß richterlichem Hinweis vom 18.11.2015 zur Zuständigkeitsfrage äußern, nicht aber zu dem dann am 3.12.2015 konkret gestellten, auf § 29c ZPO gestützten, hilfsweisen Verweisungsantrag. Darin liegt nach den maßgeblichen Umständen des Einzelfalls (BGH vom 26.8.2014 - X ARZ 275/14 = MDR 2015, 51; Senat vom 31.1.2017 - 34 AR 40/16; Zöller/Greger § 281 Rn. 17a) ein die Bindungswirkung der Verweisung aufhebender Verfahrensfehler. Die Gewährung des rechtlichen Gehörs soll den Parteien Gelegenheit bieten, sich zu den für die Beurteilung der Zuständigkeitsfrage maßgeblichen tatsächlichen (und rechtlichen) Gesichtspunkten zu äußern und dem Gericht den insoweit erheblichen Sachverhalt - aus der Sicht jeder der Parteien - vorzutragen (BGH NJWE-FER 1997, 115). Die Beklagtenseite hatte keine Gelegenheit, auf die Frage, ob sie vorliegend § 29c ZPO für einschlägig hält, einzugehen. In der Hinweisverfügung vom 18.11.2015 stellte das Landgericht München I lediglich auf die allgemeinen Gerichtsstände der Beklagten ab, nämlich das Landgericht Berlin für die Beklagte zu 1 und Landgericht Magdeburg für den Beklagten zu 2. Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten zu 1 hat auch nach Verweisung des Rechtsstreits an das Landgericht Magdeburg mit Schriftsatz vom 20.09.2016 die Anwendung des § 29c ZPO gerügt.
2. Eine Zuständigkeit für beide Beklagte gemeinsam besteht weder beim Landgericht München I noch beim Landgericht Magdeburg.
a) Das Landgericht München I ist unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt, namentlich nicht gemäß § 32b ZPO als Gericht am Sitz des betroffenen Emittenten oder Anbieters, örtlich zuständig. Nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 01.12.2016 (Az. X ARZ 180/16, NZG 2017, 267), die in einer denselben Fonds (Nr. IV) betreffenden Sache auf Vorlage des Senats nach § 36 Abs. 3 ZPO erging, ist der ausschließliche Gerichtsstand des § 32b Abs. 1 ZPO nicht eröffnet, wenn der (einzige) Beklagte nicht als Prospektverantwortlicher im Sinne des § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO, sondern wegen Ansprüchen aus Prospekthaftung im weiteren Sinne in Anspruch genommen wird. So ist es auch hier. Weder die Beklagte zu 1 noch der Beklagte zu 2 sind Prospektverantwortliche. Eine anderweitige örtliche Zuständigkeit des zunächst angerufenen Landgerichts München I, sei es aus §§ 32, 39 ZPO, ist nicht ersichtlich. Eine (Rück) Verweisung an das Landgericht München I hat das Landgericht Magdeburg nicht ausgesprochen, so dass auch kein insoweit das Landgericht München I bindender Beschluss vorliegt.
b) Das Landgericht Magdeburg, in dessen Bezirk zwar der Beklagte zu 2 seinen allgemeinen Wohnsitz hat, ist (was der Klägervertreter und das verweisende Landgericht München I üb...