Leitsatz (amtlich)

vorhandenBeantragt ein Strafgefangener mit voraussichtlich noch längerer Haftdauer eine gerichtliche Regelung des Umgangs mit seinem Kleinkind durch Besuche in der JVA, weil die Mutter ihm mit Billigung des Jugendamts den Kontakt seit längerem vorenthält, ist im Rahmen der bewilligten Verfahrenskostenhilfe auf Antrag auch ein Verfahrensbevollmächtigter beizuordnen. In diesem Fall besteht keine einfache Sach- und Rechtslage. Der verfassungsrechtliche Rang des Umgangsrechts gebietet einen Grundrechtsschutz des Elternteils durch Sicherstellung einer geeigneten Vertretung im Verfahren.

 

Normenkette

FamFG § 76 Abs. 1, § 78

 

Verfahrensgang

AG Pfaffenhofen a.d. Ilm (Beschluss vom 04.01.2011; Aktenzeichen 2 F 924/10)

 

Tenor

1. Der Beschluss des AG Pfaffenhofen a.d. Ilm vom 4.1.2011 über die Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe mit Wirkung ab Antragstellung ohne Anordnung von Zahlungen wird dahingehend geändert, dass dem Antragsteller im Wege der Verfahrenskostenhilfe Rechtsanwalt S. zu den Bedingungen eines im Amtsgerichtsbezirk ansässigen Rechtsanwalts beigeordnet wird.

2. Eine Gerichtsgebühr für das Beschwerdeverfahren ist nicht zu erheben. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

I.1. Der Antragsteller befindet sich seit April 2008 in Strafhaft in der JVA K., die vom Gerichtsort etwa 85 km entfernt ist. Das frühestmögliche Haftende liegt im November 2011, das voraussichtliche Haftende ist im März 2013.

Der Antragsteller ist Vater eines im Dezember 2007 geborenen Kindes. Der letzte Umgang mit seiner damals sieben Monate alten Tochter fand nach seinen Angaben im Juli 2009 in der JVA statt. Die Mutter seines Kindes hat sich inzwischen einem anderen Mann zugewandt und ist erneut schwanger.

2. Mit Schriftsatz vom 3.12.2010 reichte der anwaltlich vertretene Antragsteller einen Antrag auf Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt S. für einen beigefügten Antragsentwurf bei. Dieser zielt in der Hauptsache vor allem auf die Regelung des Umgangsrechts dahingehend, dass der Antragsteller für die Zeit des Haftaufenthalts einmal je Kalendermonat seine Tochter zum jeweiligen JVA-Regelbesuch und dazu bei Kindereinzelbesuchen treffen könne, nachdem ein sog. Erstgespräch zur Vorbereitung eines Vater-Kind-Treffens stattgefunden habe. Außerdem wird eine Regelung für die Zeit nach der Haftentlassung nach Maßgabe eines hierfür formulierten konkreten Antrags begehrt.

Der Antragsteller legt dar, dass die Antragsgegnerin sich gegen den gewünschten Umgang wende, weil nach ihrer Ansicht das derzeit dreijährige Kind hierdurch überfordert werde. Ferner legt er eine Stellungnahme des zuständigen Kreisjugendamts vor, welches nach einem Gespräch mit der Antragsgegnerin Umgangskontakte in der JVA derzeit nicht befürworte, weil die Tochter beim letzten persönlichen Kontakt erst sieben Monate alt war (was im Übrigen der Darstellung des Antragstellers widerspricht, wonach der letzte Kontakt ein Jahr später stattgefunden habe). Die derzeitigen Umstände ließen nach Ansicht des Jugendamts einen positiven Beziehungsaufbau nicht zu. Umgangskontakte in regelmäßigen Abständen würden zudem von der Mutter abgelehnt, der im Hinblick auf ihre Schwangerschaft und die bevorstehende Versorgung eines Säuglings derartige Fahrten und Besuche gegenwärtig auch nicht zuzumuten seien. Das Jugendamt halte zwar Umgangskontakte zwischen Vater und Kind im Grundsatz für sehr wichtig. Gegenwärtig seien diese aber nicht im Sinne des Kindes. Nach der Haftentlassung werde das Jugendamt gern bereit sein, gemeinsam mit ihm und der Mutter eine Umgangsvereinbarung zu erarbeiten. Das Schreiben schließt mit dem Hinweis: "Falls Sie noch Fragen haben, können Sie mich gern per Post oder über Ihren Anwalt kontaktieren."

3. Mit Beschluss vom 4.1.2011 hat das AG dem Antragsteller Verfahrenskostenhilfe für den ersten Rechtszug mit Wirkung ab Antragstellung ohne Anordnung von Ratenzahlungen bewilligt. Den Antrag auf Beiordnung eines Verfahrensbevollmächtigten hat es zurückgewiesen. Die Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage als Voraussetzung der Beiordnung eines Rechtsanwalts nach § 78 Abs. 2 FamFG sei vorliegend nicht gegeben. Eine bemittelte Partei, welche die Kosten des Verfahrensbevollmächtigten selbst übernehmen müsse, hätte anstelle des Antragstellers im vorliegenden Fall von der Einschaltung eines Rechtsanwalts abgesehen.

4. Gegen diesen am 14.1.2011 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller mit Anwaltsschriftsatz vom 14.2.2011, der am selben Tag per Fax einging, sofortige Beschwerde eingelegt.

5. Das AG hat dem Rechtsmittel nicht abgeholfen. Es handle sich um einen sachlich einfach gelagerten Fall der kompletten Umgangsverweigerung. Rechtlich gelte es zu überprüfen, inwieweit diese nach § 1684 Abs. 4 BGB gerechtfertigt sei. Die Ansicht des Verfahrensbevollmächtigten, wonach den Insassen einer JVA ein Kontakt mit der Außenwelt nicht möglich sei, treffe nicht zu. Außerdem fehlten nähere Angaben dafür, dass der Antragsteller aus subjektiven Gründ...

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