Leitsatz (amtlich)
Für die Bewertung von Grundbesitz im Rahmen eines Grundbuchverfahrens ist die Verwendung eines im Zwangsversteigerungsverfahren erstellten Wertgutachtens naheliegend und in der Sache unbedenklich.
Normenkette
KostO § 19 Abs. 2
Verfahrensgang
AG Aichach (Beschluss vom 22.11.2010; Aktenzeichen WU-1366-1) |
Tenor
Die Beschwerde der Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss des AG Aichach Grundbuchamt - vom 22.11.2010 wird zurückgewiesen.
Gründe
Das AG hat in Vollzug eines notariellen Vertrags vom 27.2.2010 im Grundbuch verschiedene Eintragungen vorgenommen, u.a. die Eigentumsumschreibung zugunsten der Käufer und die Löschung der Eigentumsvormerkung. Nach einem ursprünglichen Ansatz von 160.000 EUR hat das Grundbuchamt im Zuge der Nachbewertung den Wert des übertragenen Grundbesitzes (Doppelhaushälfte mit Freifläche und Verkehrsfläche) mit 310.000 EUR angesetzt. Auf Einwendungen der Beteiligten zu 1 (Kostenschuldner) hat das Grundbuchamt im förmlichen Verfahren - nach Anhörung des Vertreters der Staatskasse (Beteiligten zu 2) - am 22.11.2010 den Geschäftswert für den Grundbesitz auf 317.300 EUR festgesetzt und zur Begründung ausgeführt, maßgeblich hierfür sei der Verkehrswert. Der Kauf habe zur Abwendung der Zwangsversteigerung stattgefunden. Im Rahmen des Zwangsversteigerungsverfahrens sei ein Gutachten erstattet und der Verkehrswert mit 317.300 EUR rechtskräftig festgesetzt worden. Dieser Wert sei für die Geschäftswertbestimmung heranzuziehen.
Gegen den am 23.11.2010 zugestellten Beschluss wenden sich die Beteiligten zu 1 mit ihrer Beschwerde vom 20.12.2010. Sie begehren eine Bewertung mit 160.000 EUR, hilfsweise 195.000 EUR. Dem ist der Beteiligte zu 2 entgegengetreten.
Der Beschwerde wurde nicht abgeholfen.
II. Die Beschwerde ist gem. § 31 Abs. 3 KostO statthaft, der Wert des Beschwerdegegenstands übersteigt 200 EUR, weil im Falle einer Bewertung nach den Vorstellungen der Beteiligten zu 1 sich die zu erhebenden Gebühren um deutlich mehr als 200 EUR verringern würden. Die Frist des § 31 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 3 KostO ist gewahrt. Gemäß § 31 Abs. 3 Satz 5 KostO i.V.m. § 14 Abs. 7 KostO entscheidet über die Beschwerde der Senat durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter.
In der Sache erweist sich das Rechtsmittel als unbegründet. Die getroffene Wertfestsetzung ist nicht zu beanstanden.
1. In Grundbuchsachen erfolgt die Bewertung nach den Vorschriften der Kostenordnung. Gemäß § 19 Abs. 2 KostO ist bei der Bewertung von Grundbesitz der letzte Einheitswert maßgebend, der zur Zeit der Fälligkeit der Gebühr bereits festgestellt ist, sofern sich nicht aus dem Inhalt des Geschäfts, den Angaben der Beteiligten, Grundstücksbelastungen, amtlich bekannten oder aus den Grundakten ersichtlichen Tatsachen oder Vergleichswerten oder aus sonstigen ausreichenden Anhaltspunkten ein höherer Wert ergibt; jedoch soll von einer Beweisaufnahme zur Feststellung eines höheren Wertes abgesehen werden. Zwar ist nach dem Wortlaut der Vorschrift grundsätzlich der letzte Einheitswert maßgeblich; insoweit bildet § 19 Abs. 2 KostO jedoch keine vorrangige Sonderregel gegenüber § 19 Abs. 1 KostO, wonach auf den gemeinen Wert oder Verkehrswert abzustellen ist. Vielmehr ist der Einheitswert nur Ausgangspunkt der Wertermittlung mit dem Ziel, sich dem gemeinen Wert zu nähern (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 40. Aufl., § 19 KostO Rz. 5). Ein höherer Wert als der Einheitswert ist stets dann maßgeblich, soweit sich ausreichende Anhaltspunkte für diesen ergeben.
2. So ist es hier. Auch ohne förmliche Beweiserhebung können Wertfestsetzungen gem. § 74a Abs. 5 ZVG als amtlich bekannte Tatsache für einen höheren als den Einheitswert herangezogen werden (Hartmann, a.a.O., § 19 KostO Rz. 21; Bengel/Tiedtke in Korintenberg/Lappe/Bengel/Reimann, KostO, 18. Aufl., § 19 Rz. 32; Rohs in Rohs/Wedewer, KostO, Stand August 2005, § 19 Rz. 45; Schmidt, DNotZ 1969, 520, 526). Das gilt schon deshalb, weil der Verkehrswert ohnehin in der Terminsbestimmung angegeben werden soll (vgl. § 38 ZVG), damit "öffentlich" und allgemein zugänglich ist. Dies kann auch das urheberrechtliche Verwertungsverbot im Wertgutachten nicht unterbinden. Darüber hinaus darf auch ein amtlicher, trotz einer grundsätzlich amtlichen Schweigepflicht gerichtsbekannter Vergleichswert herangezogen werden (vgl. BFH NJW 1977, 126). Anhaltspunkte dafür, dass das zeitnahe Gutachten im Zwangsversteigerungsverfahren zu unrichtigen Ergebnissen geführt hätte, fehlen. Im Gegenteil spricht ganz entscheidend für dessen Ergebnis der mit rund 310.000 EUR nahezu identische Wert, der sich bei der auch aktuell noch zulässigen und weithin gebräuchlichen Ermittlungsmethode mit Hilfe des Bodenrichtwerts zzgl. des Gebäudewerts anhand der Brandversicherungswerte - Stand 1914 - ergibt (s. dazu BayObLGZ 1976, 89).
Die - niedrigeren - Bewertungen, die in anderem Zusammenhang und teils auch auf anderer Rechtsgrundlage vorgenommen wurden und von den Beteiligten zu 1 angeführt werden, sind für das gegenständlic...