Entscheidungsstichwort (Thema)
Bekanntgabe der Eignungskriterien durch Linksetzung
Leitsatz (amtlich)
1. Die Vorschrift des § 41 VgV ist nicht dahin zu verstehen, dass die Bekanntmachung und die Benennung der Eignungskriterien und ihrer Nachweise durch eine Linksetzung auf die Vergabeunterlagen vorgenommen werden dürfen.
2. Der Gesetzgeber hat die Frage, ob eine Verlinkung für eine ordnungsgemäße Bekanntgabe der Eignungskriterien ausreicht, nicht geregelt; die Zulassung eines sogenannten Deep-Links stellt eine Erweiterung der Möglichkeiten der Bekanntmachung durch die Rechtsprechung dar.
3. Den Anforderungen von Art. 58 Abs. 5 der Richtlinie 2014/24/EU sowie des Teils C Anhang 5 der Richtlinie kann nicht dadurch nachgekommen werden, dass für die Eignungsanforderungen pauschal auf die Auftragsunterlagen (ggf. mit Angabe einer Internetadresse) verwiesen wird.
Normenkette
AEUV Art. 288, 291; GWB § 122 Abs. 4 S. 2, § 160 Abs. 3 Nr. 1; EURL 24/2014 Art. 58 Abs. 5; VgV § 29 Abs. 1, § 41 Abs. 1, § 48 Abs. 1
Verfahrensgang
Vergabekammer München (Beschluss vom 04.10.2018; Aktenzeichen Z3-3-3194-1-27-08/18) |
Tenor
I. Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss der Vergabekammer Südbayern vom 04.10.2018, Az. Z3-3-3194-1-27-08/18 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass Ziff. 1 Satz 2 wie folgt neu gefasst wird: Bei fortbestehender Beschaffungsabsicht ist das Vergabeverfahren in das Stadium vor Auftragsbekanntmachung zurückzuversetzen.
II. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen der Antragstellerin.
Gründe
A. Die Antragsgegnerin beabsichtigt die Beschaffung eines neuen SAPintegrierten Veranlagungsfachverfahrens und veröffentlichte das Vorhaben im Mai 2018 im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union im Wege eines Verhandlungsverfahrens mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb als Lieferauftrag.
Die Auftragsunterlagen konnten laut Ziffer 1.3. unter dem Link http://www.muenchen.de/vgst3 abgerufen werden.
Nach Ziffer II.1.4 der Bekanntmachung ist Auftragsgegenstand:
die Beschaffung eines neuen SAPintegrierten Veranlagungsfachverfahrens für die Stadtkämmerei zur optimierten Bearbeitung aller Tätigkeiten, die im Bereich der Veranlagung von Gewerbe-, Grund-, Hunde- und Zweitwohnungssteuer anfallen. Bei dem SAPintegrierten Veranlagungsverfahren sind Produkterweiterungen/-anpassungen an die Anforderungen der Landeshauptstadt München vorzunehmen. Weiterhin gehören auch die Schaffung der notwendigen (externen) Schnittstellen und zum städtischen DMS, die Herbeiführung der Betriebsbereitschaft des Systems, die Migration sämtlicher Bescheide, die Schulung der Nutzer und Administratoren, Service und Wartung über einen Zeitraum von 5 Jahren mit der Möglichkeit zur optionalen Verlängerung um weitere 5 Jahre, Optimierung und Erweiterungen zur besseren Unterstützung der Geschäftsprozesse, die Erstellung der Fach- und Systemspezifikation sowie die Erstellung von Handbüchern und einer Dokumentation zum Auftragsgegenstand.
In Ziffer II.2.9 der Bekanntmachung wird ausgeführt:
...Es ist beabsichtigt, im Ergebnis des Teilnahmewettbewerbs 3 geeignete Bewerber zur Angebotsabgabe aufzufordern. Sofern im Teilnahmewettbewerb mehr als 3 Bewerber als geeignet festgestellt werden, werden die 3 Bewerber mit den meisten Eignungspunkten zur Angebotsabgabe aufgefordert. Soweit der Abstand des Nächstplatzierten zum Drittplatzierten weniger als 5% der Eignungspunkte des Drittplatzierten beträgt, so wird auch derjenige Bewerber zur Angebotsabgabe aufgefordert, der den vierten Platz belegt. ... Unter III 1. der Bekanntmachung (Befähigung zur Berufsausübung einschließlich Auflagen hinsichtlich der Eintragung in einem Berufs- oder Handelsregister) wird hinsichtlich der Eignungskriterien auf die unter dem Link www.muenchen.de/vgst -≫ Modernisierung Steuerfachverfahren abrufbaren Auftragsunterlagen verwiesen. Weiter heißt es dort: "Der Link gilt auch für III.1.2 und III.1.3".
In Ziffer III.1.2 (Wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit) und III.1.3 (Technische und berufliche Leistungsfähigkeit) erfolgte hinsichtlich der Eignungskriterien nur ein Verweis auf die Auftragsunterlagen.
Nach 2.2 der Bewerbungsbedingungen sind Grundlage für die Eignungsprüfung, die in den Eignungsanforderungen genannten Kriterien, sowie die geforderten Eigenerklärungen gemäß Abschnitt 3, Liste "Eigenerklärungen". Weiter wird folgendes erklärt:
Bei den dort genannten Eignungsanforderungen handelt es sich im Rahmen dieses Verfahrens zum einen um Ausschlusskriterien, welche in der Aufstellung mit (A) kenntlich gemacht sind, zum anderen um Bewertungskriterien, welche mit (B) gekennzeichnet sind.
In der Summe werden insgesamt 1000 Gewichtungspunkte (GP) auf die Bewertungskriterien verteilt.
Mindestpunktzahl:
Insgesamt muss der Bewerber mit seinem Teilnahmeantrag eine Mindestpunktzahl von 2.500 (von insgesamt 5.000 möglichen) Eignungspunkten erreichen, um nachzuweisen, dass sein Tei...