Entscheidungsstichwort (Thema)
Erblasserwillens, Willen des Erblassers, Bestehende Lebenspartnerschaft, Eingetragene Lebenspartnerschaft, Nach Aufhebung, Beschwerdeverfahren, Verfahrenspfleger, Nachlasspfleger, Erbscheinsantrag, Amtsermittlungspflicht, Beschlüsse des Amtsgerichts, Testamentserrichtung, Neues Testament, Handschriftliches Testament, Testamentarische, Beteiligte, Gerichtskosten, Geschäftswert, notarielle Urkunden, Hinweisbeschluss
Leitsatz (amtlich)
Wird eine eingetragene Lebenspartnerschaft nur deswegen aufgehoben, weil äußere Umstände dies bedingen, bleibt eine testamentarische Erbeinsetzung des (ehemaligen) Lebenspartners bestehen, wenn eine persönliche Entfremdung der Lebenspartner nicht anzunehmen ist.
Verfahrensgang
AG München (Beschluss vom 14.05.2018; Aktenzeichen 609 VI 5603/17) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Beschwerdeführerin wird der Beschluss des Amtsgerichts München vom 14.05.2018 aufgehoben.
2. Das Amtsgericht wird angewiesen, der Beschwerdeführerin den am 18.10.2017 beantragten Erbschein zu erteilen.
3. Den Beteiligten im Beschwerdeverfahren angefallene notwendige Aufwendungen sind nicht zu erstatten.
Gründe
I. Der Erblasser und der Beteiligte zu 1 lebten seit 2005 in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft. Mit testamentarischer Verfügung vom 20.09.2010 setzte der Erblasser den Beteiligten zu 1 als seinen Alleinerben ein. Die Lebenspartnerschaft wurde in 2015 aufgelöst, nachdem der Beteiligte zu 1 aufgrund schwerer Krankheit zur Pflege zu seiner Tochter, der Beteiligten zu 2, gezogen war.
Die Beteiligte zu 2 beantragte einen Erbschein, welcher den Beteiligten zu 1, ihren Vater, als Alleinerben nach dem Erblasser aufgrund des Testaments vom 20.09.2010 ausweist. Die Beteiligten zu 3 (Nachlasspflegerin) und zu 4 (Verfahrenspfleger) treten dem Erbscheinsantrag entgegen. Nach ihrer Auffassung wurde das Testament durch Auflösung der Lebenspartnerschaft unwirksam (§ 2077 Abs. 1 BGB).
Das Amtsgericht München wies den Erbscheinsantrag mit Beschluss vom 14.05.2018 zurück. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird zum weiteren Sachverhalt vollumfänglich auf den Beschluss des Amtsgerichts vom 14.05.2018 Bezug genommen.
II. Der Beschluss des Amtsgerichts war aufzuheben, da der befindende Senat nach eingehender Prüfung zu einer anderen Einschätzung der Sach- und Rechtslage als das Nachlassgericht gekommen ist.
Zunächst wird hinsichtlich der Gründe vollumfänglich Bezug genommen auf die Hinweisbeschlüsse vom 02.02.2022 und 22.01.2024. An den Hinweisen im Beschluss vom 07.12.2022 wird, wie zuletzt mit Beschluss vom 22.01.2024 mitgeteilt, nicht festgehalten.
1. Ausgangspunkt für die Entscheidung bleibt die Frage, ob mit Auflösung der eingetragenen Partnerschaft zwischen dem Erblasser und dem (inzwischen Vorverstorbenen) Beteiligten zu 1 das Testament vom 20.09.2010, in dem der Beteiligte zu 1 als Alleinerbe bedacht wurde, gemäß § 2077 Abs. 1 BGB unwirksam wurde. Eine solche Unwirksamkeit träte entsprechend § 2077 Abs. 3 BGB nicht ein, wenn anzunehmen ist, dass der Erblasser seine testamentarische Verfügung auch für den Fall der Auflösung der Lebenspartnerschaft - unter den vorliegenden Umständen - getroffen hätte.
2. Nach Abwägung aller vorliegenden Umstände geht der Senat davon aus, dass das Testament vom 20.09.2010 wirksam blieb und der Beteiligte zu 1 damit Alleinerbe des Erblassers wurde. Der Senat hält insoweit vollumfänglich an der Einschätzung im Hinweisbeschluss vom 02.02.2022 fest. Anders als von den Beteiligten zu 3 und 4 in den Schriftsätzen vom 07.02.2024 und 22.05.2024 angenommen, hält der Senat vorliegend einen hypothetischen Willen des Erblassers für feststellbar, nach dem eine Aufrechterhaltung der testamentarischen Verfügung vom 20.09.2010 für den konkreten Fall der Auflösung der Lebenspartnerschaft anzunehmen ist.
a) Der Senat konnte sich insbesondere anhand der bemerkenswerten Darstellung des Zeugen R1. (Eidesstattliche Versicherung zu notarieller Urkunde vom 25.09.2017, Bl. 30ff d.A.) eine Überzeugung dahingehend bilden, dass eine Aufrechterhaltung der Wirksamkeit des Testaments dem Willen des Erblassers entspricht.
Die eidesstattliche Versicherung des Zeugen R1., schildert eindrücklich, welch freundschaftliches Verhältnis auch dann noch bestand, als er der Beziehung des Erblassers und des Beteiligten zu 1 hinzutrat.
Es wird deutlich, dass dem Erblasser insbesondere an Freundschaft und Gemeinschaft mit dem Beteiligten zu 1 gelegen war, und nicht primär der Beziehungsstatus der eingetragenen Lebenspartnerschaft motivleitend für seine testamentarische Verfügung war.
b) Insbesondere wird durch den Zeugen R1. auch wiederholt klargestellt, dass der Erblasser durchgehend bekundet habe, sein Nachlass solle der Familie des Beteiligten zu 1 zugute kommen. Dies wurde auch nach Aufhebung der Lebenspartnerschaft durch den Erblasser dem Zeugen gegenüber betont.
c) Hinzu tritt die Auffindesituation des Testaments. Der Erblasser hatte das Testament unmittelbar vor seinem Klinikaufenthalt am 17.03.2017 (Tod...