Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetz über die vermögensrechtliche Auseinandersetzung des Bayerischen Staates mit dem vormaligen Bayerischen Königshause vom 9.3.1923, Art. 1 ff.

 

Leitsatz (amtlich)

Die Vermietung von zum Vermögen des Wittelsbacher Ausgleichsfonds gehörenden Gewerbeimmobilien ist kein Handelsgeschäft.

 

Normenkette

GVG § 95 Abs. 1 Nr. 1; HGB §§ 1, 343; ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 6, § 281

 

Verfahrensgang

LG München I (Beschluss vom 18.05.2012; Aktenzeichen 18 O 27984/11)

 

Tenor

I. Der Beschluss der 18. Zivilkammer des LG München I vom 18.5.2012 wird aufgehoben.

II. Zuständig ist die allgemeine Zivilkammer.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten in der Hauptsache um die Räumung und Herausgabe gewerblicher Mieträume in München. Die Klägerin ist ein Ausgleichsfonds in der Rechtsform einer Stiftung des öffentlichen Rechts (Art. 2 Gesetz über die vermögensrechtliche Auseinandersetzung des Bayerischen Staates mit dem vormaligen Bayerischen Königshaus - KönigAusG - BayRS IV 687), die im Jahr 1923 errichtet wurde und das Übereinkommen zwischen dem bayerischen Staat und dem vormaligen bayerischen Königshaus über die vermögensrechtliche Auseinandersetzung durchzuführen hat. Zum Stiftungsvermögen gehören bedeutende Kunstschätze, Schlösser, aber auch sonstige Liegenschaften. Aufgabe des Ausgleichsfonds ist Vermögenserhaltung und Erwirtschaftung von Erträgen; die Erträge stehen gesetzlich den Mitgliedern des vormaligen Königshauses zu (vgl. Art. 5 des genannten Gesetzes). Die Beklagte ist ein italienisches Modeunternehmen, das in der Rechtsform der Società a Responsabilità Limitata (s.r.l.) betrieben wird. Die Beklagte hat nach Klagezustellung fristgerecht die funktionelle Zuständigkeit der angerufenen Zivilkammer gerügt und beantragt, den Rechtsstreit an die Kammer für Handelssachen abzugeben; beide Parteien seien Vollkaufleute. Die Klägerin hat dem widersprochen. Sie sei ausschließlich vermögensverwaltend tätig. Es handle sich nicht um ein beidseitiges Handelsgeschäft.

Mit Beschluss vom 11.5.2012 hat die Zivilkammer den Rechtsstreit auf Antrag der Beklagten an die Kammer für Handelssachen verwiesen. Die Kammer ist davon ausgegangen, dass ein beiderseitiges Handelsgeschäft vorliegt, insbesondere die Klägerin Kaufmann sei und das Geschäft zum Betrieb ihres Handelsgewerbes gehöre. Sie sei zwar eine Stiftung des öffentlichen Rechts, werde bei der Beurteilung ihrer Stellung als Kaufmann jedoch wie eine natürliche oder juristische Person des Privatrechts behandelt. Auch im Bereich der Vermietung und Verpachtung betreibe sie ein Handelsgewerbe, da der Gewerbebetrieb einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordere. Infolge Umfangs, Komplexität und Anzahl der mit der Vermögensverwaltung verbundenen Geschäfte sei von einer planmäßigen und auf Dauer angelegten wirtschaftlich selbständigen Tätigkeit unter Teilnahme am Wettbewerb auszugehen. Die Klägerin sei allein deshalb am Markt tätig, um das ehemalige Vermögen des Hauses Wittelsbach gewinnbringend anzulegen und diesen Gewinn, ohne Verwertung des Stiftungsvermögens selbst, an die Königsfamilie auszuzahlen. Die Gesamttätigkeit der Klägerin sei nur eine Vermögensverwaltung. Die von ihr unterhaltenen Büros und der Geschäftsbetrieb sei daher gerade zur Vermögensverwaltung erforderlich. Damit sei ein planmäßiger Geschäftsbetrieb anzunehmen.

Die Kammer für Handelssachen hat die Übernahme abgelehnt. Sie hält den Verweisungsbeschluss für willkürlich. Es fehle an der Kaufmannseigenschaft; es liege auch kein Handelsgeschäft für beide Teile vor. Die Klägerseite sei eine Stiftung des öffentlichen Rechts, die ausschließlich vermögensverwaltend tätig sei. Aufgrund der Konstruktion des Vermögensträgers sei eine gewerbliche Betätigung ausgeschlossen. Stiftungen des öffentlichen Rechts verfolgten ausschließlich öffentliche Zwecke; sie seien daher nicht gewerblich und damit auch nicht handelsgewerblich tätig. Einer erweiternden Auslegung sei die Bestimmung in § 95 Abs. 1 Nr. 1 GVG nicht zugänglich. Die Zivilkammer verweigere die eigene Zuständigkeit willkürlich. Sie habe sich insbesondere nicht mit dem Stiftungsgesetz auseinandergesetzt.

Die Zivilkammer hat den Rechtsstreit zur Bestimmung der funktionellen Zuständigkeit schließlich dem OLG München vorgelegt.

II. Zuständig ist die allgemeine Zivilkammer; deren Verweisungsbeschluss vom 11.5.2012 bindet die Kammer für Handelssachen ausnahmsweise nicht. Er wird klarstellend aufgehoben.

1. Das OLG München ist entsprechend § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zur Bestimmung des zuständigen Spruchkörpers innerhalb des LG München I berufen. Denn auf Streitigkeiten über die funktionelle Zuständigkeit zwischen einer Zivilkammer und einer Kammer für Handelssachen ist die genannte Vorschrift entsprechend anzuwenden (KG NJW-RR 2008, 1023; OLG Köln NJW-RR 2002, 426/427; Zöller/Lückemann ZPO, 29. Aufl., § 102 GVG Rz. 3 m.w.N.). Von beiden Kammern liegen zuständigkeitsleugnende Beschlüsse vor, die den Parteien bekanntgegeben wurden. Damit sind die Voraussetzungen für...

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