Leitsatz (amtlich)

1. Die Spezialregelungen des § 46 Abs. 2-4 WaffG schließen zumindest in der Regel den Rückgriff auf allgemeines Polizeirecht aus.

2. Bei der Überprüfung der Rechtmäßigkeit einer bereits vollzogenen Durchsuchungsanordnung kommt es auf den Sachverhalt an, der für die anordnende Stelle im Zeitpunkt der Entscheidung erkennbar war; das Gericht darf keine Erkenntnisse heranziehen, die erst durch die Durchsuchung gewonnen wurden.

 

Normenkette

BayPAG Art. 23 Abs. 1, Art. 25 Abs. 1; WaffG § 46 Abs. 2-4

 

Verfahrensgang

LG Landshut (Aktenzeichen 6 Qs 92/19)

AG Landshut (Aktenzeichen Gs 1120/19)

 

Tenor

I. Es wird festgestellt, dass die Anordnung der Durchsuchung der Wohn- und Geschäftsräume des Betroffenen durch Beschluss des Amtsgerichts Landshut vom 21. März 2019 rechtswidrig war.

II. Es wird weiter festgestellt, dass die Art und Weise der am 22. März 2019 vollzogenen Durchsuchung gemäß dem unter I. genannten Beschluss rechtswidrig war.

III. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die notwendigen Auslagen des Betroffenen trägt die Antragstellerin.

 

Gründe

I. Der Betroffene ist Inhaber von drei Waffenbesitzkarten für Sportschützen, zwei Waffenbesitzkarten für Sammler und sechs Standard-Waffenbesitzkarten, auf denen zum Zeitpunkt der verfahrensgegenständlichen Durchsuchung insgesamt etwa 223 Schusswaffen eingetragen waren. Er kauft und verkauft Waffen und Zubehörteile u.a. auf der Internet-Plattform EGun, führt aber auch im Dienstgebäude des Landratsamts offen entsprechende Verhandlungen mit anderen Waffenbesitzern und zeigt regelmäßig den Erwerb neuer Waffen an. Seit dem Jahr 2001 wurde der Betroffene mehrfach wegen Verstoßes gegen das WaffG, Beleidigung, Bedrohung, Nötigung und Betrugs angezeigt und zu zwei längeren Freiheitsstrafen verurteilt, deren Vollstreckung jeweils zur Bewährung ausgesetzt wurde. Gegen ihn war außerdem im verfahrensgegenständlichen Zeitraum bei der Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren wegen Verstoßes gegen das WaffG anhängig, ein Durchsuchungsbeschluss wurde dort bis zum Erlass des hier verfahrensgegenständlichen Beschlusses nicht erwirkt.

Der Betroffene ist geschieden und lebt alleine. Zuletzt arbeitete er in einem Betrieb für Kfz-Technik, ist allerdings seit längerer Zeit krankgeschrieben.

Am 19.3.2019 erklärte sich der Betroffene anlässlich eines Termins im Landratsamt kurzfristig zu einer freiwilligen Kontrolle der Situation der Aufbewahrung seiner Waffen bereit, war dann aber zur fraglichen Zeit wegen eines Arzttermins nicht zuhause und bot am nächsten Tag per E-Mail von sich aus konkrete Ersatztermine an. Ausweislich des in diesem Zusammenhang übersandten ärztlichen Attests leidet er unter einer schwer einstellbaren labilen arteriellen Hypertonie, deretwegen übermäßige psychische und physische Belastungen zu vermeiden sind. Laut einem Aktenvermerk des zuständigen Fachgruppenleiters A. vom 21.3.2019 plante das Landratsamt eine unangemeldete Kontrolle in der 14. und eine angemeldete Kontrolle in der 15. Kalenderwoche, wobei es davon ausging, dass beweiserhebliche Gegenstände mit aller Wahrscheinlichkeit nicht mehr aufgefunden werden könnten.

Mit Telefax vom 21.3.2019 (nicht 2018, wie dort angegeben), eingegangen um 15.18 Uhr, beantragte die Antragstellerin beim Amtsgericht den Erlass eines Wohnungsdurchsuchungsbeschlusses gegen den Betroffenen. Zur Begründung gab sie auf S. 1 und 2 die oben geschilderten Umstände wieder und führte sodann auf S. 3 in Bezug auf das Verhalten des Betroffenen am 19.3.2019 aus:

"Gegen 15.00 Uhr teilte er dem LRA [...] telefonisch mit, dass er auf Anraten seines Anwaltes die Nachschau nicht ermöglichen möchte. Weiterhin äußerte er gegenüber Herrn A. (SG Leiter Waffen), dass er in ärztlicher Behandlung ist und sein Zustand psychisch labil sei. Er würde diesbezüglich ein ärztliches Attest vorlegen [...] Durch das LRA [...] ist geplant in den nächsten 14 Tagen eine unangemeldete Kontrolle der Aufbewahrungssituation durchzuführen. Falls diese Überprüfung wiederum scheitert, wird die Einleitung eines Widerrufsverfahrens geprüft. Dies hätte den Entzug aller seiner Waffenrechtlichen Erlaubniskarten zur Folge. [...] Aufgrund der o.g. geschilderten Sachverhaltes, insbesondere - der offensichtlichen Weigerung, trotz Zusage, die Waffenaufbewahrungssituation überprüfen zu lassen, - der Gefahr, dass [...] eine unbestimmte Menge nicht eingetragener, scharfer Kurz- u. Langwaffen in seinem Keller lagert (aktuelles Verfahren der StA [...])

- des ärztlichen Attest, in dem ein erhöhter Blutdruck, bzw. die Meidung von physischer und psychische Belastung angeraten wird - Eindruck des LRA [...], dass eine nicht mehr einschätzbare Situation entstanden ist, insbesondere hinsichtlich der Gefährdungslage der Waffenkontrolleure liegt eine gem. Art. 23 Abs. 1 Nr. 3 PAG dringende Gefahr vor, dass in den Räumen von [...] illegale Waffen gelagert werden, bzw. die Aufbewahrungssituation nicht den gesetzlichen Vorgaben entspricht. Weiterhin besteht die Gefahr, dass er illegale Waffe...

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