Entscheidungsstichwort (Thema)

Grob fahrlässige Herbeiführung eines Versicherungsfalls bei Entwendung eines Kraftfahrzeugs

 

Leitsatz (amtlich)

1. Das Offenhalten einer ebenerdigen Terrassentüre zur Nachtzeit missachtet einfachste Überlegungen und Maßnahmen zum Schutz vor einem Eindringen Unbefugter auch dann, wenn das Grundstück mit einem Zaun umfriedet ist. Der in einem angrenzenden Zimmer schlafende Versicherungsnehmer ist zum Schutz seiner Habe gegen Entwendung weder bereit noch in der Lage.

2. Aus dem Gesamtbild der äußeren Umstände und der Schwere des Pflichtenverstoßes kann der Schluss auf erhöhte subjektive Vorwerfbarkeit vor allem mit Blick auf die Erkennbarkeit der durch den Pflichtenverstoß bedingten Gefahrerhöhung gerechtfertigt sein.

 

Normenkette

VVG § 61

 

Verfahrensgang

LG München I (Urteil vom 14.06.2005)

 

Tenor

Der Senat hat über die Berufung der Klägerin mit Beschl. v. 25.10.2005 wie folgt entschieden:

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des LG München I vom 14.6.2005 wird einstimmig zurückgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 51.783,23 EUR festgesetzt.

 

Gründe

Die Berufung der Klägerin war durch einstimmigen Beschluss gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, da sie keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung aufweist und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts aufgrund mündlicher Verhandlung erfordern.

Auf den Hinweis des Senatsvorsitzenden vom 29.9.2005 wird Bezug genommen. Zu diesem Hinweis hat sich die Klägerin innerhalb der hierfür gesetzten Frist nicht geäußert.

I. Die Klägerin betreibt eine gewerbliche Autovermietung und nimmt die Beklagten als Versicherer eines entwendeten Pkw VW Touareg in Anspruch. Dieser vom Zeugen M. gemietete Pkw soll nach Darstellung der Klägerin gestohlen worden sein, indem in der Nacht vom 3.7.2005 unbekannte Täter über die offene Terrassentüre in die Wohnung des Zeugen M. in Meran eingedrungen seien, die sodann aus der in der Garderobe abgelegten Hose des Zeugen die Fahrzeugschlüssel entnommen und unter Verwendung dieser Schlüssel das vor der Wohnung abgestellte Fahrzeug entwendet hätten.

Das LG hat die Klage wegen grob fahrlässigen Verhaltens des Zeugen M. als Repräsentant der Klägerin abgewiesen.

Mit ihrer Berufung rügt die Klägerin, das LG habe rechtsfehlerhaft grobe Fahrlässigkeit bejaht.

II. Der Senat hat der Klägerin folgenden Hinweis gem. § 522 Abs. 2 ZPO erteilt: Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg. Weder weist der Rechtsstreit grundsätzliche Bedeutung auf noch erscheint eine Entscheidung des Berufungsgerichts aufgrund mündlicher Verhandlung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Zu Recht hat das LG angenommen, dass der Repräsentant der Klägerin den Versicherungsfall (Entwendung des hochwertigen Pkw) grob fahrlässig herbeigeführt hat. Diese Bewertung wird durch die Berufungsangriffe nicht erschüttert. Dazu ist folgendes anzumerken:

1. Ausgehend vom Klägervortrag hat der Zeuge M., der als Repräsentant der Klägerin anzusehen ist, den bei den Beklagten versicherten Pkw VW Touareg am 2.7.2004 gegen 24.00 Uhr vor seiner ebenerdigen Wohnung im Anwesen Via D. in Meran abgestellt und verschlossen, zu Lüftungszwecken die Schiebetüre des Wohnzimmers geöffnet, im Ankleideraum vor dem Schlafzimmer seine Hose - in der sich u.a. der Autoschlüssel befand - abgelegt und sich sodann im benachbarten Schlafzimmer zur Ruhe gelegt.

2. Die Bewertung des LG, dass der Zeuge M. durch grob fahrlässige Verletzung seiner Sorgfaltspflichten das Abhandenkommen des Fahrzeugs ermöglicht habe, da er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt habe, weist Rechtsfehler nicht auf. Das Offenhalten einer Terrassentüre zur Nachtzeit ohne besondere Sicherungsmaßnahmen missachtet einfachste Überlegungen und Maßnahmen zum Schutz vor einem Eindringen Unbefugter. Zu Recht geht das LG weiter davon aus, dass im Falle einer solch groben Obliegenheitsverletzung der Vorwurf des grob fahrlässigen Verhaltens im Hinblick auf eine Entwendung des Pkw nur ausgeräumt werden könnte, wenn der Zeuge M. besondere Vorkehrungen zum Schutz der Fahrzeugschlüssel getroffen hätte, diese beispielsweise an einem vor unbefugtem Zugriff geschützten Ort weggesperrt hätte.

3. Diese Bewertung wird durch die Berufungsangriffe nicht erschüttert. Soweit die Berufung rügt, ein Sorgfaltsverstoß könne jedenfalls in subjektiver Hinsicht nicht "als Ausdruck einer leichtfertigen Haltung im Umgang mit dem versicherten Gut" angesehen werden, ist dies nicht stichhaltig. Vom Fall des Abstellens eines Rucksacks in der Gaststätte neben dem eigenen Stuhl, mithin "im unmittelbaren Gewahrsamsbereich" (Berufungsbegründung S. 3 f.), unterscheidet sich der von der Klägerin vorgetragene Sachverhalt grundlegend: Der im angrenzenden Zimmer schlafende Zeuge M. war zu...

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