Leitsatz (amtlich)

Ist ein Handlungsbevollmächtigter berechtigt, den Vollmachtgeber in Gemeinschaft mit einem Prokuristen zu vertreten, kann die Auslegung der Vollmachtsurkunde ergeben, dass der Vollmachtgeber wirksam durch den Handlungsbevollmächtigten in Gemeinschaft mit einem Gesamtprokuristen vertreten wird (Anschluss an OLG Hamm vom 25.1.1991 - 15 W 19/91 = MittRhNotK 1991, 252).

 

Normenkette

GBO § 19; HGB §§ 48, 54

 

Verfahrensgang

AG Landsberg a. Lech

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Beteiligten wird die Zwischenverfügung des AG Landsberg am Lech vom 28.9.2010 aufgehoben.

 

Gründe

I. Im Zuge der Auflassung eines Wohnungs- und Teileigentums bewilligte die Grundschuldgläubigerin, eine Genossenschaftsbank, unter dem 9.4.2010 die Löschung für eine zugunsten ihrer Rechtsvorgängerin eingetragene Grundschuld ohne Brief. Unterzeichnet ist die notariell beglaubigte Erklärung von einer Prokuristin (S.) und einem Bevollmächtigten (B.). Diesem ist mit zwei weiteren Personen gemäß Urkunde vom 13.11.2007 (Sonder-) Vollmacht in der Weise erteilt, dass je zwei der drei dort genannten Personen gemeinsam oder einer der Genannten in Gemeinschaft mit einem Prokuristen oder einem Vorstandsmitglied der Bank berechtigt sind, namens der Bank u.a. Löschungserklärungen abzugeben und ferner Anträge zum Vollzug von Erklärungen und Eintragungsbewilligungen zu stellen. Der Prokuristin S. ist gemäß Handelsregisterauszug Gesamtprokura gemeinsam mit einem Vorstandsmitglied erteilt.

Das Grundbuchamt hat auf den Vollzugsantrag vom 9.8.2010 (Auflassung sowie Löschung der Grundschuld) mit Zwischenverfügung vom 28.9.2010 den fehlenden Vollmachtsnachweis für die Grundschuldgläubigerin beanstandet. Es sei innerhalb gesetzter Frist eine ergänzte Löschungsbewilligung, die von einem Vorstandsmitglied mitunterzeichnet sei, vorzulegen. Denn ausweislich der Vertretungsbescheinigung und des Handelsregisterauszugs könne die Prokuristin nur mit einem Vorstandsmitglied gemeinsam vertreten, nicht aber mit einem Bevollmächtigten.

Der hiergegen erhobenen Beschwerde hat das Grundbuchamt am 24.11.2010 nicht abgeholfen.

II. Die gegen die Zwischenverfügung nach § 18 Abs. 1 GBO namens sämtlicher Urkundsbeteiligter zulässig erhobene Beschwerde (§ 71 Abs. 1, § 73 i.V.m. § 15 Abs. 2 GBO) hat in der Sache Erfolg.

1. Nach § 19 GBO kann eine Eintragung im Grundbuch vollzogen werden, wenn derjenige sie bewilligt, dessen Recht von ihr betroffen ist. Betroffen ist bei der Löschung der Grundschuld der aus dem Grundbuch ersichtliche Berechtigte. Die maßgebliche Bewilligung kann durch einen Vertreter erklärt werden. Das Grundbuchamt hat, auch wenn der Urkundsnotar die Vollmacht als ausreichend erachtet hat, hiervon unabhängig zu prüfen, ob die Bewilligung innerhalb der Grenzen der Vertretungsmacht liegt, die Vertretungsmacht formgerecht, nämlich gem. § 29 GBO, nachgewiesen ist und sie in dem nach Verfahrensrecht maßgeblichen Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Bewilligung noch bestanden hat (vgl. Demharter, GBO, 27. Aufl., § 19 Rz. 74, 75, 77, 80 m.w.N.). Innerhalb dieses Prüfungsrahmens gelangt das Grundbuchamt zu dem Ergebnis, dass die vorgelegte Vollmachtsurkunde nicht die ordnungsmäßige Vertretung der Grundschuldgläubigerin nachweise. Dieser Auffassung kann der Senat nicht folgen. Die Zwischenverfügung ist zu Unrecht ergangen und auf das Rechtsmittel hin aufzuheben. Eine Zurückverweisung ist nicht auszusprechen, weil mit der ausgesprochenen Aufhebung über den Verfahrensgegenstand der Beschwerde abschließend und umfassend entschieden ist (vgl. Demharter § 77 Rz. 15).

2. Für die Erteilung von Prokura und Handlungsvollmacht gelten im Genossenschaftsrecht die Vorschriften des Handelsgesetzbuchs (§ 42 GenG i.V.m. §§ 48 ff., § 54 HGB).

a) Die Vollmacht vom 23.11.2010 weist (u.a.) Herrn B. dahin aus, dass er mit einem der beiden weiteren dort genannten Bevollmächtigten oder aber mit einem Prokuristen oder einem Vorstandsmitglied die Bank bei dem gegenständlichen Grundstücksgeschäft vertreten kann. Es liegt eine Handlungsvollmacht i.S.v. § 54 HGB vor, die die namentlich genannten Personen zur Vornahme einer bestimmten zu einem Handelsgewerbe gehörigen Art von Geschäften ermächtigt. Eine derartige Arthandlungsvollmacht kann wie die sonstigen Handlungsvollmachten nach dem Vorbild des § 48 Abs. 2 HGB als Gesamthandlungsvollmacht an mehrere Personen gemeinschaftlich erteilt werden, auch wenn dies gesetzlich nicht ausdrücklich vorgesehen ist (vgl. OLG Hamm MittRhNotK 1991, 252; Baumbach/Hopt HGB 34. Aufl., § 54 Rz. 2). Wie bei der Gesamtprokura kommen als Gestaltungsformen die echte oder allseitige Gesamthandlungsvollmacht, bei der ein Handlungsbevollmächtigter nur gemeinsam mit einem oder mehreren anderen Handlungsbevollmächtigten vertretungsberechtigt ist und die unechte Gesamthandlungsvollmacht in Betracht, bei der der Handlungsbevollmächtigte nur zusammen mit einer Person berechtigt ist, deren Vertretungsbefugnis auf anderen Rechtsgrundlagen als einer Handlungsvollmacht beruht (OLG Hamm, a.a.O.).

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