Leitsatz (amtlich)
Im Falle einer anwaltlichen Beratung nach dem Beratungshilfegesetz (BerHG) in Familiensachen für den Bereich "Trennung und Scheidung" können bis zu vier nach den §§ 2 Abs. 2, 6 Abs. 1 BerHG, 44 RVG i.V.m. Nrn. 2500 ff. VV-RVG abrechenbare gebührenrechtliche "Angelgenheiten" im Sinne von § 15 Abs. 2 RVG vorliegen.
Es sind dies die Komplexe
- Scheidung an sich,
- persönliches Verhältnis zu den Kindern (Personensorge, Umgangsrecht),
- Fragen betreffend Ehewohnung und Hausrat sowie
- finanzielle Auswirkungen von Trennung und Scheidung (Unterhalt, Güterrecht, Vermögensauseinandersetzung).
Der Senat folgt insoweit uneingeschränkt der jüngsten Rechtsprechung zahlreicher anderer OLG (zuletzt etwa OLG Frankfurt, Beschluss vom 12.05.2014 - 20 W 237/13, = NJW-RR 14, 1351 m.w.N.).
Normenkette
BerHG § 2 Abs. 2, § 6 Abs. 1; RVG § 15 Abs. 2, § 44; RVG-VV Nr. 2500
Verfahrensgang
LG Traunstein (Beschluss vom 23.09.2014; Aktenzeichen 4 UR 254/12) |
AG Rosenheim (Beschluss vom 09.10.2013; Aktenzeichen 4 T 4294/13) |
AG Rosenheim (Beschluss vom 13.09.2013; Aktenzeichen 4 T 4294/13) |
Tenor
I. Auf die weitere Beschwerde werden der Beschluss des LG vom 23.09.2014 sowie die von diesem bestätigten Beschlüsse des AG Rosenheim vom 13.09. und 09.10.2013 aufgehoben.
Das Verfahren wird zur erneuten Festsetzung der Vergütung der Beschwerdeführerin unter Beachtung der nunmehr vom Senat aufgestellten Grundsätze an das AG Rosenheim zurückverwiesen.
II. Das Verfahren der weiteren Beschwerde ist gebührenfrei, außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I. Die vom LG zugelassene weitere Beschwerde betrifft die Frage der Bestimmung des Begriffes der gebührenrechtlichen "Angelegenheit" bei Beratungshilfe in Familiensachen.
Das AG Rosenheim bewilligte der Antragstellerin einen Berechtigungsschein zur Beratungshilfe für den Bereich "Trennung, Scheidung, Scheidungsfolgesachen, Unterhalt, Ehewohnung, elterliche Sorge, Umgang etc.".
Die Antragstellerin wandte sich hierauf an Rechtsanwältin ... (im Folgenden: Beschwerdeführerin), die sie beriet und außergerichtlich für sie tätig wurde.
Hierfür reichte die Beschwerdeführerin beim AG Rosenheim insgesamt drei Rechnungen ein, nämlich für die Angelegenheiten "Unterhalt", "Kindergeld" sowie "Hausrat":
Hinsichtlich des "Unterhaltes" macht sie eine Geschäftsgebühr gemäß VV-RVG Nr. 2503 in Höhe von EUR 70,-- nebst Kommunikationspauschale und Umsatzsteuer, zusammen EUR 99,96, geltend, für Beratung bzw. Tätigkeit hinsichtlich des "Kindergeldes" und des Komplexes "Hausrat" jeweils zusätzlich eine Einigungsgebühr nach VV-RVG Nr. 2508, damit für diese beiden Bereiche (mit Pauschale und Umsatzsteuer) jeweils einen Betrag von EUR 255,85 EUR.
Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle veranlasste hierauf die Bezahlung der Gebühr lediglich für den "Unterhalt", wies die Festsetzungsanträge im Übrigen dagegen zurück: Es liege nur eine gebührenrechtliche Angelegenheit vor, nämlich die Regelung von "Trennungsfolgen".
Die dagegen erhobene Erinnerung der Beschwerdeführerin mit dem Ziel einer Vergütung auch für ihre Tätigkeit in Bezug auf "Hausrat" und "Kindergeld" wies das AG Rosenheim durch Beschluss vom 09.10.2013 mit der Begründung zurück, es sei nur ein Berechtigungsschein erteilt worden, nämlich für Scheidung nebst Scheidungsfolgesachen, so dass auch nur eine "Angelegenheit" vorliege und somit nur einmal abgerechnet werden könne. Auf die dagegen gerichtete Beschwerde vom 18.10.2013, in der u.a. auf die neuere umfangreiche Rechtsprechung verschiedener OLG hingewiesen und ferner vorgetragen wird, die Angelegenheiten "Hausrat" und "Kindergeld" seien einvernehmlich geregelt worden, nahm der zuständige Bezirksrevisor Stellung. Er verwies darin insbesondere auf den Senatsbeschluss vom 26.09.2011 - 11 W 1719/11, = AGS 12, 25, aus dem sich ergebe, dass vorliegend nur eine Angelegenheit abgerechnet werden könne. Es könnten nicht sämtliche verschiedenen Trennungsfolgen im Bereich der Beratungshilfe als jeweils eigene Angelegenheit betrachtet und vergütet werden, schon wegen des sachlichen und zeitlichen Zusammenhanges der Beratung. Für die Annahme einer Einigungsgebühr im Sinne von VV-RVG Nr. 2508 sei hier kein Raum, vielmehr liege lediglich ein sofortiges Anerkenntnis vor.
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 23.09.2014 bestätigte das LG Traunstein die Auffassung des AG und des Bezirksrevisors und wies die Beschwerde zurück. Die vorliegende Beratung im Bereich "Trennung" habe insgesamt "nur" eine Angelegenheit umfasst, nämlich die finanziellen Auswirkungen der Trennung; auf die ausführliche Sachverhaltsdarstellung und die weitere Begründung des Beschlusses wird Bezug genommen.
Gleichzeitig ließ das LG wegen grundsätzlicher Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage die weitere Beschwerde zu.
II. Die vom LG ausdrücklich zugelassene weitere Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig im Sinne von §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 6 Satz 1 RVG.
Sie führt zur Zurückverweisung an das AG, weil weiterer Vortrag bzw. eine entsprechende Glaubha...