Leitsatz (amtlich)
Für den Eintritt der Gebührenermäßigung im Sinne von Ziff. 1222 Nr. 2 (bzw. 1211 Nr. 2) KV-GKG kommt es nur darauf an, ob das Urteil keinen Tatbestand und keine Entscheidungsgründe enthält, nicht hingegen auf eine Versäumung der Frist des § 313 Abs. 3 ZPO und auch nicht auf die Frage, ob im konkreten Fall tatsächlich eine Arbeitsersparnis bei Gericht erfolgt ist.
Normenkette
GKVerz Nr. 1222 Nr. 2, Nr. 1211 Nr. 2; ZPO § 313a Abs. 2
Verfahrensgang
LG München I (Aktenzeichen 4HK O 8409/97) |
Tenor
Die Kostenbeamtin wird angewiesen, eine erneute Schlussbewertung unter Berücksichtigung der von KV-GKG Nr. 1222 Ziff. 2 vorgesehenen Gebührenermäßigung auf zwei Gerichtsgebühren vorzunehmen.
Gründe
I. Im Termin vom 04.12.2014 verkündete das OLG im Berufungsverfahren ein - noch nicht begründetes - Endurteil, demzufolge das Ersturteil abgeändert und die Kosten des Rechtsstreits, soweit über diese nicht bereits rechtskräftig entschieden war, gegeneinander aufgehoben werden.
Ausweislich eines Vermerkes des Berichterstatters vom 15.12.2014 riefen an diesem Tag die Prozessbevollmächtigten beider Parteien bei ihm an und teilten mit, man habe sich verglichen; außerdem fragten sie an, ob noch eine "günstige Kostenfolge" erreicht werden könne. Mit Telefax vom 22./23.12.2014 übermittelten sie sodann den Vergleichstext und baten um Protokollierung gemäß § 278 Abs. 6 ZPO. Gemäß Ziffer 4. des Vergleiches verzichten sowohl die Widerkläger als auch die Widerbeklagte unwiderruflich auf das Rechtsmittel der Nichtzulassungsbeschwerde zum BGH. Das OLG stellte am 23.12.2014 antragsgemäß das Zustandekommen des Vergleiches gemäß § 278 Abs. 6 ZPO fest.
Im Zuge der Schlussbewertung wies der Bezirksrevisor in seiner Stellungnahme vom 13.01.2015 darauf hin, eine Ermäßigung der Verfahrensgebühren nach Nr. 1222 Ziff. 3 KV-GKG wegen des Vergleichsschlusses könne nicht mehr erfolgen, da bereits ein Urteil im Sinne von Ziff. 2 vorausgegangen sei. Die Gerichtskosten in Höhe von 4 Gebühren nach Nr. 1210 KV-GKG in Höhe von hier EUR 222.944,-- seien bereits - zu gleichen Teilen von der Klägerin zu 1) und den Beklagten zu 1) und 2) - entrichtet; es komme daher weder zu einer Nachforderung noch zu einer Rückerstattung.
Der erklärte Rechtsmittelverzicht führe ebenfalls nicht zu einer Gebührenermäßigung, weil die von Nr. 1222 Ziff. 2 KV-GKG, § 313a Abs. 3 ZPO hierfür vorgesehene Wochenfrist nicht eingehalten sei; die Frage der prozessualen Wirksamkeit einer verspäteten Verzichtserklärung sei von deren kostenrechtlicher Folge zu trennen.
Am 14.01.2015 teilte die Kostenbeamtin unter Verweis auf diese Stellungnahme mit, es verbleibe bei einem Ansatz von 4 Gebühren.
Dagegen richten sich die Erinnerungen sowohl der Klägerin wie auch der Beklagten, die diese im Wesentlichen damit begründen, der gesetzgeberische Zweck von § 313a Abs. 2 ZPO, nämlich gerichtliche Arbeitserleichterung infolge des Wegfalles von Tatbestand und Entscheidungsgründen, könne auch bei einer verspäteten Verzichtserklärung noch erreicht werden; dies müsse auf die Gebührenermäßigung durchschlagen; es komme insoweit nur auf das Fehlen der Entscheidungsgründe an. Auf die Begründung im Einzelnen im Schriftsatz der Beklagten vom 19.02.2015, der sich die Klägerseite angeschlossen hat, wird Bezug genommen.
II. Die gemäß § 66 Abs. 1 GKG zulässige Erinnerung hat in der Sache Erfolg.
1. Im Falle einer Beendigung des Verfahrens durch Anerkenntnisurteil, Verzichtsurteil oder Urteil, das nach § 313a Abs. 2 ZPO keinen Tatbestand und keine Entscheidungsgründe enthält, soll sich nach Nr. 1222 Ziffer 2 KV-GKG die Gebühr für die Gerichtskosten von einem Satz von 4,0 auf einen solchen auf 2,0 ermäßigen (vgl. für die erste Instanz Nr. 1211 Nr. 2 KV-GKG).
Sinn der Ermäßigung soll eine Art "Belohnung" der Parteien für den Verzicht sein, der eine Arbeitserleichterung für Gericht und Schreibkanzleien zur Folge hat (siehe Meyer, GKG/FamGKG, 14. Aufl., Nr. 1211 KV-GKG Rn. 37 ff.; BT-Drs. 14/4722 Seite 9, 84, zu Nr. 47).
2. Rein vom Wortlaut her stellt Nr. 1222 KV-GKG insoweit lediglich auf ein Urteil nach § 313a Abs. 2 ZPO ab.
Übersehen bzw. nicht darauf eingegangen wird dabei, dass ein solcher Verzicht bereits vor der Verkündung erfolgen kann und § 313a Abs. 3 ZPO zu dessen Erklärung eine Frist von einer Woche nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung vorsieht (vgl. etwa Schneider, AGS 03, 532, unter II.):
Ebensowenig wie § 313a Abs. 3 ZPO die Rechtsfolge einer Versäumung der Wochenfrist, also den Fall einer verspäteten Verzichtserklärung, regelt, ist der Nr. 1222 Ziff. 2 (bzw. 1211 Ziff. 2) zu entnehmen, ob für die angeordnete Gebührenermäßigung der Verzicht sofort oder innerhalb der Wochenfrist des § 313a Abs. 3 ZPO erklärt werden muss - oder die Gebührenreduzierung lediglich auf das Fehlen von Tatbestand und Entscheidungsgründen im Urteil anknüpft, der Verzicht also auch noch nach der Frist des § 313a Abs. 3 ZPO möglich ist; womöglich soll die Bezugnahme auf § 313a ZPO in Nr. 1222 Ziff. 2 nur dessen explizit g...