Leitsatz (amtlich)
Erbrecht des deutschen Fiskus hinsichtlich des in Deutschland belegenen Vermögens eines österreichischen Staatsangehörigen, dessen Nachlass erbenlos ist.
Normenkette
BGB § 1936; öIPRG § 29
Verfahrensgang
AG München (Beschluss vom 12.01.2011; Aktenzeichen 69 VI 14213/10) |
Tenor
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des AG München vom 12.1.2011 wird zurückgewiesen.
II. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 21.400 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Anfang 2008 verstorbene Erblasser war österreichischer Staatsangehöriger und zuletzt in Österreich wohnhaft. In dem vor dem zuständigen österreichischen Bezirksgericht durchgeführten Verlassenschaftsverfahren wurde festgestellt, dass die Verlassenschaft erblos und deshalb die Republik Österreich aus dem Berufungsgrund des Gesetzes zur Gesamtrechtsnachfolge berechtigt sei. Diese hat mit Schriftsatz vom 18.10.2010 hinsichtlich der Bankkonten des Erblassers in Deutschland die Ausstellung eines Erbscheins beantragt. Auf den Bankkonten des Erblassers in Deutschland befinden sich Guthaben i.H.v. rund 21.400 EUR, während in Österreich kein nennenswerter Aktivnachlass vorhanden ist, sondern Passiva i.H.v. rund 14.000 EUR.
Das Nachlassgericht hat den Antrag mit Beschluss vom 12.1.2011 zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin.
II. Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Das Nachlassgericht hat zutreffend angenommen, dass der österreichische Staat nicht Erbe des in Deutschland belegenen Vermögens geworden ist und der beantragte Erbschein nicht erteilt werden kann.
1. Gemäß Art. 25 Abs. 1 EGBGB ist Erbstatut das Heimatrecht des Erblassers, hier also österreichisches Recht. Art. 25 Abs. 1 EGBGB enthält eine Gesamtrechtsverweisung, so dass Rück- oder Weiterverweisungen durch die Kollisionsnormen des Heimatrechts des Erblassers nach Art. 4 Abs. 1 EGBGB zu beachten sind. Nach den Vorschriften des österreichischen internationalen Privatrechts unterliegt die Rechtsnachfolge von Todes wegen dem an die Staatsangehörigkeit anknüpfenden Personalstatut des Erblassers im Zeitpunkt seines Todes (§ 28 Abs. 1 öIPRG, § 9 Abs. 1 Satz 1 öIPRG). Das österreichische internationale Privatrecht nimmt somit die Verweisung an mit der Folge, dass als Sachrecht grundsätzlich das österreichische Recht zur Anwendung kommt.
2. Das österreichische IPRG enthält jedoch eine Sonderregelung für den Fall, dass der Nachlass erbenlos ist und damit das Heimfallrecht des österreichischen Fiskus eingreifen würde. Nach diesem Sonderstatut des § 29 öIPRG (Kaduzitätsstatut) - und nicht dem allgemeinen Erbstatut - richtet sich die Erbfolge für den Nachlass, der nach dem in § 28 öIPRG bezeichneten Recht erblos wäre bzw. einer "Gebietskörperschaft" als gesetzlichen Erben zufallen würde. Zur Anwendung kommt in einem solchen Fall "das Recht jeweils des Staates, in dem sich das Vermögen des Erblassers im Zeitpunkt seines Todes befindet". Durch die Berufung der jeweiligen lex rei sitae wird dem teilweise öffentlich-rechtlichen Charakter dieser Art von Sondererbfolge Rechnung getragen, denn im Gegensatz zum deutschen Recht, in dem das Erbrecht des Fiskus als subsidiäres privates Erbrecht ausgestaltet ist, wird das "Heimfallsrecht" des Staates (§ 760 öAGB) im österreichischen Recht von der herrschenden Meinung nicht als privates Erbrecht verstanden, sondern als besonderes öffentlich-rechtliches Aneignungsrecht (vgl. Posch, Bürgerliches Recht, Band VII, Internationales Privatrecht, 5. Aufl. 2010, 108 f.; Staudinger/Dörner, BGB, 2007, Art. 25 EGBGB Rn. 205; Burandt/Rojahn/Solomon Erbrecht [2011] Länderbericht Österreich Rz. 44; OLG Stuttgart IPRax 1987, 125 Ls. mit red. Anm.; Rauscher, IPrax 2007, 269, 271). In einem Fall wie dem hier vorliegenden kann deshalb Nachlassspaltung eintreten (vgl. Lorenz, Rpfleger 1993, 433): Für den in Österreich belegenen Nachlass bleibt es bei der Anwendung österreichischen Rechts, für den außerhalb Österreichs - hier in Deutschland - belegenen Nachlass ist das Recht des Belegenheitsstaates - hier deutsches Recht - maßgeblich.
3. Das deutsche Recht nimmt die Rückverweisung des § 29 öIPRG an (Art. 4 Abs. 1 Satz 2 EGBGB). Die Rückverweisung auf das deutsche Belegenheitsrecht erfolgt unabhängig davon, ob das deutsche Belegenheitsrecht im konkreten Fall ebenfalls Erbenlosigkeit des Nachlasses annimmt. Sie bezieht sich also nicht lediglich auf das Erbrecht der öffentlichen Hand, sondern auf das Erbrecht des Lageortes im Ganzen (vgl. öOGH OLG München vom 9.8.2001, IPrax 2003, 262, 264; Lorenz Rpfleger, 1993, 433, 434).
Aus § 1936 BGB in der bis 31.12.2009 geltenden, hier maßgeblichen Fassung ergibt sich entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers nichts anderes. Diese Vorschrift sieht das Erbrecht des Fiskus des betreffenden Bundeslandes (§ 1936 Abs. 1 BGB a.F.) bzw. des Bundesfiskus vor (§ 1936 Abs. 2 BGB a.F.). Wegen des Wortlauts von § 1936 Abs. 2 BGB a.F. ("War der Erblasser ein Deutscher ..."). konnte zweifelhaft erscheinen, ob bei Anwendung d...