Leitsatz (amtlich)
1. Im Rahmen des landesrechtlichen Vorbehalts in Art. 120 EGBGB ist der Landesgesetzgeber befugt, eine Materie der freiwilligen Gerichtsbarkeit, zu der die Feststellung der Unschädlichkeit zählt, verfahrensrechtlich eigenständig zu regeln.
2. Keine funktionelle Zuständigkeit eines (bayerischen) OLG als Rechtsmittelgericht in Angelegenheiten nach dem bayerischen Unschädlichkeitszeugnisgesetz.
Normenkette
EGBGB Art. 120; GVG § 119 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b; UnschZG (Bay) Art. 8 Fassung: 2012-11-09
Verfahrensgang
Tenor
Die Sache wird unter Aufhebung der Vorlageverfügung vom 19.5.2015 an das AG Deggendorf zurückgegeben.
Gründe
Das Verfahren hat einen Antrag auf Feststellung der Unschädlichkeit (sog. Unschädlichkeitszeugnis) - Eingang bei Gericht am 2.12.2013 - nach dem (bayerischen) Unschädlichkeitszeugnisgesetz (UnschZG) vom 15.6.1898 (BayRS 403-2-J) in der Fassung vom 9.11.2012 (GVBl S. 534) zum Gegenstand. Während nach dem bis zum 1.12.2012 geltenden Rechtszustand ein Rechtsmittel nur gegeben war, wenn die Feststellung der Unschädlichkeit versagt wurde (Art. 8 UnschZG a.F.), und sich Zuständigkeit und das Verfahren nach den allgemeinen Regeln der freiwilligen Gerichtsbarkeit richteten, somit die funktionelle Zuständigkeit des OLG nach der Bundesnorm des § 119 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b GVG bestand (siehe Senat vom 27.11.2012, 34 Wx 157/12 bei juris), hat die gesetzliche Novelle zum einen die Anfechtungsmöglichkeiten auch auf stattgebende Entscheidungen des AG erweitert. Zum anderen bestimmt auf Empfehlung des Ausschusses für Verfassung, Recht, Parlamentsfragen und Verbraucherschutz vom 18.10.2012 (Drucksache 16/14166) die Neufassung von Art. 8 UnschZG - unter Ausschluss der Rechtsbeschwerde - das LG als Beschwerdegericht. Ob dies im Hinblick auf die eng verzahnte Materie mit dem zu den (bundesrechtlichen) Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit zählenden Grundbuchrecht (§ 23a Abs. 2 Nr. 8 GVG) - wofür in Beschwerdesachen das OLG zuständig ist (vgl. § 119 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b GVG) - sachgerecht erscheint, hat der Senat nicht zu beurteilen. Jedenfalls war der Landesgesetzgeber nicht gehindert, in der ihm vorbehaltenen Materie (siehe Art. 120 EGBGB), deren Ausgestaltung und Verfahren eine Angelegenheit der freiwilligen Gerichtsbarkeit bildet (VerfGHE 23, 143/146; Demharter Rpfleger 2004, 406/407), den Rechtsweg eigenständig und abweichend von bundesrechtlichen Materien zu regeln. Somit ist gegen eine Entscheidung des AG, die den Antrag auf Feststellung der Unschädlichkeit zurückweist, nach Art. 8 Satz 1 UnschZG (n.F.) nun das Rechtsmittel der Beschwerde zum LG gegeben.
Wegen (funktioneller) Unzuständigkeit des OLG ist demzufolge unter Aufhebung der Vorlageverfügung die Sache an das AG zurückzugeben. Das AG wird das Rechtsmittel (erneut) dem als Beschwerdegericht zuständigen LG vorzulegen haben, das seinerseits Gelegenheit hat, seine (interne) Rückgabeverfügung vom 18.5.2015 zu überdenken. Sollte das LG sich weiterhin für unzuständig halten, wäre nach § 5 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 FamFG zu verfahren.
Fundstellen
Haufe-Index 8258443 |
NJOZ 2016, 1192 |