Leitsatz (amtlich)

Die ergänzende Auslegung eines im Ausland errichteten Testaments kann ergeben, dass an die Stelle des am Ort der Testamentserrichtung vorhandenen und den Gegenstand eines Vorausvermächtnisses zu Gunsten der Ehefrau des Erblassers bildenden Wohnhauses das zum Erbfallzeitpunkt im Inland gemeinsam genutzte Wohnhaus tritt, wenn der Erblasser nach Testamentserrichtung wieder dauerhaft nach Deutschland zurückkehrte.

 

Verfahrensgang

LG Memmingen (Entscheidung vom 15.01.2002; Aktenzeichen 4 T 1770/01)

AG Memmingen

 

Tenor

Die weitere Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts Memmingen vom 15.1.2002 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I.

Der später verstorbene Ehemann der Beteiligten zu 2 wohnte bis Anfang 1996 mit seiner Ehefrau in Kansas/USA. 1992 errichtete er in formgültiger Weise vor einem amerikanischen Rechtsanwalt ein Testament. In diesem setzte er u. a. seine Ehefrau zum "executor" dieses Testaments ein. In Artikel III verfügte er wie folgt:

"Wenn ich von meiner Gattin R F überlebt werde, übergebe und hinterlasse ich meiner besagten Gattin hiermit alle meine Rechte, Titel und Anteile an unserem Wohnhaus und alle Automobile und Motorräder, die ich besitze (ausdrücklich einschließlich meiner Oldtimer, zusammen mit allen meinen Haustieren, Haushaltsgütern, Möbeln, Ausstattungen, Zierstücken, Büchern, Bildern, Bedarfsartikeln, Silber, Glas, Porzellan, Verbrauchsgütern, Kleidung, Schmuck, Uhren, persönlichen Effekten und allen anderen Sachen, die persönlicher Natur sind oder zum Haushalt gehören, welcher Art auch immer und wo auch immer gelegen."

In Art. IV des genannten Testaments verfügte der Erblasser weiter, dass der gesamte Rest seines Vermögens nach Bildung eines Trusts an seine Ehefrau übergehen solle. Der Trust sollte durch finanzielle Mittel der Ehefrau aufgefüllt werden. Die Einzelheiten des Trusts sind in Art. V näher beschrieben; die Beteiligte zu 1 sollte nach Ableben der Ehefrau die Hauptbegünstigte des Trusts sein.

Zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung besaßen Herr F F und die Beteiligte zu 2 gemeinsam ein Wohnhaus in den USA und weiteres Vermögen. 1988 hatten sie außerdem das verfahrensgegenständliche Grundstück in Ottobeuren erworben. 1996 übersiedelten sie nach Deutschland, und wohnten auf dem verfahrensgegenständlichen Grundstück. Kurze Zeit später verstarb Herr K F F am 17.8.1996. In der Folgezeit wurde die Beteiligte zu 2 als Eigentümerin des verfahrensgegenständlichen Grundstücks eingetragen.

Die Beteiligte zu 1, die als Begünstigte des in Ziffer V des Testaments bezeichneten Trusts benannt ist, war der Auffassung, es sei hinsichtlich des verfahrensgegenständlichen Grundstücks Vor- und Nacherbfolge angeordnet. Sie beantragte die Eintragung eines Nacherbenvermerks im Grundbuch. Diesen Antrag lehnte das Amtsgericht Memmingen - Grundbuchamt - mit Beschluss vom 27.7.2001 ab. Eine gegen diese Ablehnung eingelegte Beschwerde wies das Landgericht Memmingen mit Beschluss vom 15.1.2002 zurück. Gegen diese Zurückweisung richtet sich die mit Anwaltsschriftsatz eingelegte weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1. Die Beteiligte zu 2 wurde gehört.

II.

Die gemäß § 78 GBO statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde der Beteiligten zu 1 bleibt in der Sache ohne Erfolg.

1.

Das Landgericht hat ausgeführt:

Die Beteiligte zu 2 ist Alleinerbin des Verstorbenen. Ihr wurden zunächst die Vermögensmassen "zugedacht". Hinsichtlich des verfahrensgegenständlichen Grundstückes sei schon deswegen eine Nacherbfolge nicht angeordnet worden, weil jedenfalls dieses Grundstück als Teil eines Vorausvermächtnisses anzusehen sei. Außerdem sei es sehr zweifelhaft, ob die Errichtung bzw. Einrichtung eines Trusts nach amerikanischem Recht der Anordnung der Vor- und Nacherbfolge gleichzusetzen sei, weil der Trustverwalter zwar formal die Verfügungsbefugnis innehabe, die Einzelgegenstände des Trustvermögens jedenfalls wirtschaftlich aber den Bedachten zuzurechnen seien.

2.

Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung stand:

a)

Das Landgericht ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass gemäß Art. 26 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB für die formelle Wirksamkeit der letztwilligen Verfügung das Recht am Ort der Errichtung maßgeblich ist. Es spricht nichts dagegen, dass das Testament nach dem Recht von Kansas formgültig errichtet wurde.

Sein materiell-rechtlicher Inhalt richtet sich gemäß Art. 25 Abs. 1 EGBGB nach deutschem Recht, weil der Erblasser bis zu seinem Tode deutscher Staatsangehöriger war. Dieses Erbstatut ist auch für die Testamentsauslegung maßgeblich (BayObLGZ 1986, 466/473). Allerdings sind bei der Ermittlung des Erblasserwillens materiell-rechtliche Grundsätze des amerikanischen Rechts bzw. des Rechts von Kansas zu berücksichtigen, wenn der Erblasser bei Errichtung des Testaments unter ihrem Einfluss stand (BayObLGZ 2003, 62/82). Der Erblasserwille ist dabei möglichst aufrechtzuerhalten, soweit er sich bei deutschem Erbstatut in die Begriffe des BGB "übersetzen", unter Umständen auch erst im Wege der Umdeutung mit den er...

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