Leitsatz (amtlich)
Lässt sich der Angeklagte in der Hauptverhandlung zur Sache nicht ein, so dürfen aus diesem Verhalten keine für ihn nachteiligen Schlüsse gezogen werden. Das gilt auch, wenn sich der Angeklagte im Ermittlungsverfahren zur Sache eingelassen hat, weil diese Fallgestaltung nicht derjenigen der teilweisen Einlassung in der Hauptverhandlung entspricht, aus welcher der Tatrichter im Einzelfall durchaus für den Angeklagten nachteilige Schlüsse ziehen kann.
Verfahrensgang
LG München II (Entscheidung vom 09.03.2007) |
Tenor
I.
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts München II vom 9. März 2007 samt den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
II.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts München II zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Garmisch-Partenkirchen hat den Angeklagten am 3.8.2006 wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis und Urkundenfälschung zur Gesamtfreiheitsstrafe von 10 Monaten verurteilt und einen am 11.3.2004 in Prag ausgestellten Führerschein eingezogen.
Die hiergegen eingelegten Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft - diese hatte ihr Rechtsmittel auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt - hat das Landgericht München II verworfen.
Nach den Feststellungen des Landgerichts fuhr der Angeklagte am 11.8.2005 mit einem Pkw auf der Bundesstraße 2 im Gemeindegebiet E..., obwohl er, wie er gewusst habe, nicht die erforderliche Fahrerlaubnis gehabt habe. Bei der polizeilichen Kontrolle habe er auf Anforderung einen total gefälschten tschechischen Führerschein vorgelegt, der, wie der Angeklagte gewusst habe, nicht von amtlicher Stelle ausgestellt worden sei.
Der kontrollierende Polizeibeamte habe jedoch die Fälschung sofort erkannt Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
II.
Das statthafte (§ 333 StPO) und auch im Übrigen zulässige (§ 341 Abs. 1, §§ 344, 345 StPO) Rechtsmittel des Angeklagten hat mit der Sachrüge - jedenfalls vorläufig - Erfolg, da die Beweiswürdigung des Landgerichts der rechtlichen Nachprüfung nicht standhält und den Schuldspruch nicht trägt. Auf Zulässigkeit und Begründetheit der Verfahrensrügen braucht daher nicht eingegangen zu werden.
1.
Die Beweiswürdigung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters; das Revisionsgericht kann nicht eine eigene Bewertung der in der tatrichterlichen Hauptverhandlung erhobenen Beweisergebnisse vornehmen. Eingriffe durch das Revisionsgericht sind vielmehr nur dann zulässig und geboten, wenn die Beweiswürdigung des Tatrichters fehlerhaft ist, und das Urteil darauf beruht (BGH NStZ-RR 2006, 82 f.). Die Darstellung der Beweiswürdigung in den Urteilsgründen muss nach ständiger, Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die wesentlichen Gesichtspunkte enthalten, aufweiche der Tatrichter seine Überzeugung gestützt hat. Sie darf insbesondere nicht in sich widersprüchlich sein, keine Verstöße gegen Denkgesetze enthalten und naheliegende abweichende Möglichkeiten der Beweiswürdigung erkennbar außer Acht lassen (BGH a.a.O.). Der Tatrichter darf auch nicht aus dem Aussageverhalten des Angeklagten unzulässige Schlüsse ziehen, was auf die Sachrüge hin der revisionsrechtlichen Nachprüfung unterliegt (BGH NStZ 1986, 325).
2.
Diesen Anforderungen, wird das angefochtene Urteil nicht gerecht.
Das Landgericht hat ausgeführt, es könne den Angeklagten nicht entlasten, wenn es, wie von der Verteidigung behauptet, Einzelfälle gegeben haben sollte, in denen im Vorfeld des Erwerbs eines Führerscheins aus der Serie P.... tatsächlich in einer tschechischen Fahrschule praktische und theoretische Prüfungen abgelegt worden sein sollten, weil dann der Angeklagte, wenn es bei ihm so gewesen sein sollte, hierüber berichten hätte können und er dies auch getan hätte (Urteilsgründe S. 13). Dies ist nicht zulässig. Ausweislich der schriftlichen Urteilsgründe (Seite 7) hat sich der Angeklagte in der Hauptverhandlung zur Sache nicht eingelassen. Aus diesem Verhalten dürfen keine für ihn nachteiligen Schlüsse gezogen werden (Meyer-Goßner StPO 50. Aufl. § 261 Rn. 16 m.w.N.). Das gilt auch, wenn sich der Angeklagte - wie hier (Urteilsgründe S. 12 unten) - im Ermittlungsverfahren zur Sache eingelassen hat (Meyer-Goßner a.a.O. Rn 18), weil diese Fallgestaltung nicht derjenigen der teilweisen Einlassung in der Hauptverhandlung entspricht, aus welcher der Tatrichter im Einzelfall durchaus für den Angeklagten nachteilige Schlüsse ziehen kann (Meyer-Goßner a.a.O. Rn. 17). Die Vorgehensweise des Landgerichts beruht auf der nicht zwingenden Annahme, ein Angeklagter werde für ihn günstige Umstände stets auch dem Gericht kundtun. Darüber hinaus widerspricht sie dem Recht des Angeklagten, vor Gericht zu schweigen, § 243 Abs. 4 S. 1 StPO.
Das Urteil beruht auf diesem Verstoß (§ 337 Abs. 1 StPO), da der Senat letztlich nicht ausschließen kann, dass das Landgericht ohne ihn zu der Erkenntnis gelangt wäre, dass auch der Angeklagte den gefälschten Führerschei...