Leitsatz (amtlich)
1. Die dem Vorerben eingeräumte Befugnis, die Nacherben aus einem von dem Erblasser bestimmten Personenkreis abzuändern, kann dahin umgedeutet werden, dass die Nacherben unter der Bedingung eingesetzt sind, dass der Vorerbe keine anderweitige Verfügung trifft.
2. Eine solche Umdeutung kommt auch bei einer nicht befreiten Vorerbschaft in Betracht.
Normenkette
BGB § 2065 Abs. 2, §§ 2075, 140
Verfahrensgang
AG München (Beschluss vom 14.04.2015; Aktenzeichen 68 VI 99/90) |
Tenor
Der Beschluss des AG München - Nachlassgericht - vom 14.04.2015 wird aufgehoben.
Gründe
I. Der Erblasser ist am 23.12.1989 verstorben. Er war in erster Ehe verheiratet mit E. W., die am 6.1.1951 vorverstorben ist. Aus der Ehe gingen der Beteiligte zu 1 und der Vater des Beteiligten zu 2 hervor, der nach dem Erblasser am 14.06.1990 unter Hinterlassung des Beteiligten zu 2 verstarb. In zweiter Ehe war der Erblasser mit L. W. verheiratet. Die Ehe blieb kinderlos und wurde geschieden. In dritter, ebenfalls kinderloser Ehe war der Erblasser mit L. M. W, geb. A., verheiratet, die am 28.06.2014 nachverstarb.
Der Erblasser errichtete mit seiner 3. Ehefrau am 20.8.1976 vor einem Notar ein gemeinschaftliches Testament, das auszugsweise wie folgt lautet:
"... 2. Wir setzen uns gegenseitig zu Alleinerben ein.
3. Ich, der Ehemann, bestimme jedoch, dass meine Ehefrau (...) nur Vorerbin ist. Die Vorerbin ist von den gesetzlichen Beschränkungen n i c h t befreit.
Zu Nacherben bestimme ich meine beiden Kinder aus meiner erster Ehe, nämlich: L. F. W (= Beteiligter zu 1); und
F. L. W (= Vater des Beteiligten zu 2) zu gleichen Teilen.
Zum Ersatzerben eines weggefallenen Nacherben bestimme ich dessen eheliche Abkömmlinge zu unter sich gleichen Stammteilen.
Falls einer meiner Söhne ohne Hinterlassung von Abkömmlingen vor dem Nacherbfall verstirbt, soll sein Bruder bzw. dessen Abkömmlinge Ersatznacherben sein.
Der Nacherbfall tritt mit dem Tode der Vorerbin ein.
Die Einsetzung meiner beiden Söhne als Nacherben erfolgt unter der Bedingung, dass meine Ehefrau L. nicht anderweitig letztwillig testiert. Meine Ehefrau ist jedoch nur innerhalb meiner Abkömmlinge zur Abänderung der Nacherbenbestimmung befugt. Sie kann also zum Beispiel bestimmen, dass einer meiner Söhne alleiniger Nacherbe sein soll oder für einen Sohn nur ein Vermächtnis aussetzen. Zugunsten anderer Personen als meine Abkömmlinge darf eine Änderung meiner Nacherbenbestimmung nicht erfolgen.
4. Meine Ehefrau L erhält als Vorausvermächtnis den gesamten Hausrat und das bei meinem Tode vorhandene Geldvermögen, ebenso meinen PKW. Die Vorerbschaft bezieht sich deshalb lediglich auf meinen ¾ Miteigentumsanteil an dem Grundstück (...).
5. Für den Fall, dass ich, der Ehemann, der Letztversterbende bin, treffe ich keine Bestimmung, sodass die gesetzliche Erbfolge eintritt.
6. Für den Fall, dass ich, die Ehefrau, die Letztversterbende bin, setze ich die beiden genannten Söhne meines Ehemannes aus erster Ehe, ersatzweise jeweils deren ehelichen Abkömmlinge, zu gleichen Stammteilen zu Erben hinsichtlich meines Nachlasses ein.
7. Für den Fall unseres gleichzeitigen Versterbens setzen wir, L. F. und L. W, die Abkömmlinge des Ehemannes als Erben zu gleichen Stammteilen ein.
8. Die Verfügungen in Ziffer 2 und 7 dieser Urkunde sollen wechselbezüglich im Sinne des § 2270 BGB sein."
Dessen weiteren liegen zwei Einzeltestamente der Ehefrau des Erblassers vor, die (auszugsweise) wie folgt lauten:
1. Notariell errichtetes Testament vom 24.11.1993
(1) Vorurkunde
...Außerdem hat mein Ehemann folgendes bestimmt:
Die Einsetzung meiner beiden Söhne als Nacherben erfolgt unter der Bedingung, dass meine Ehefrau L. nicht anderweitig letztwillig testiert. Meine Ehefrau ist jedoch nur innerhalb meiner Abkömmlinge zur Abänderung der Nacherbenbestimmung befugt. Sie kann also zum Beispiel bestimmen, dass einer meiner Söhne alleiniger Nacherbe sein soll oder für einen Sohn nur ein Vermächtnis aussetzen. Zugunsten anderer Personen als meine Abkömmlinge darf eine Änderung meiner Nacherbenbestimmung nicht erfolgen.
Diese Bestimmung ist unserem gemeinsamen Willen entsprechend dahingehend auszulegen, dass ich berechtigt bin, innerhalb der Abkömmlinge meines Ehemannes abweichende Verfügungen für meinen Nachlass zu treffen und dass, wenn ich solche Verfügungen treffe, die Nacherbfolge dann nicht eintritt (Auflösend bedingte Nacherbfolge).
Ich halte fest, dass der ersteheliche Sohn L. W verstorben ist. Er hat nur einen ehelichen Abkömmling hinterlassen, nämlich L. W (= Beteiligter zu 2).
(2) Neue Erbeinsetzung
Ich setze für meinen Tod nunmehr den erstehelichen Sohn meines verstorbenen Ehemannes, nämlich Herrn.F. W. (= Beteiligter zu 1) zu meinem Alleinerben ein.
Kann oder will er nicht Erbe werden, soll der genannte Enkel meines verstorbenen Ehemannes (= Beteiligter zu 2) Ersatzerbe sein...
2. Handschriftliches Testament vom 6.1.2001
"Frau K. K. R bekommt meinem Schmuck und das ½ Geldvermögen.
Herr F. W. (= Beteiligter zu 1) bekommt meinen Hausrat den Pkw...