Leitsatz (amtlich)
Bei einem Leasingunternehmen sind im Regelfall die Reisekosten eines nicht am Gerichtsort ansässigen Rechtsanwaltes zum Prozessgericht nicht zu erstatten.
Normenkette
ZPO § 91 Abs. 2 S. 1 Hs. 2
Verfahrensgang
LG München I (Aktenzeichen 4 O 6400/02) |
Tenor
I. Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Beschwerdewert beträgt bis zu 600 Euro.
IV. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin, ein in … ansässiges …, ließ sich in einem Abrechnungsprozess bezüglich eines vorzeitig beendeten Leasingvertrags vor dem LG München I von Düsseldorfer Prozessbevollmächtigten vertreten. Sie wendet sich dagegen, dass die Reisekosten ihrer Prozessbevollmächtigten zum LG München I nicht anerkannt wurden.
II. Die sofortige Beschwerde ist unbegründet.
1. Nach der Rspr. des BGH sind die Reisekosten eines auswärtigen Prozessbevollmächtigten im Regelfall dann zu erstatten, wenn die Partei einen Prozessbevollmächtigten, der an ihrem Wohn- bzw. Geschäftssitz ansässig ist, mit der Prozessführung beauftragt hat. Nur in ganz engen Ausnahmefällen (Rechtsabteilung der Partei war bereits eingeschaltet bzw. Beklagter hat erklärt, er werde sich nicht verteidigen) hat der BGH angenommen, dass ein Erstattungsanspruch für Reisekosten ausscheidet (BGH v. 16.10.2002 – VIII ZB 30/02, BGHReport 2003, 152 = RPfleger 2003, 98 f.).
Der Senat, der ursprünglich eine andere Auffassung vertreten hat (AnwBl. 2001, 575 f.), folgt im Interesse einer einheitlichen Rspr. trotz fortbestehender Bedenken im Grundsatz der Rspr. des BGH.
2. Allerdings nimmt der Senat Ausnahmen großzügiger an als der BGH (AnwBl. 2003, 314 = BRAGOReport 2003, 75).
Grundsätzlich ist allerdings in diesem Zusammenhang auf folgende nach Ansicht des Senats vom BGH bisher nicht ausreichend berücksichtigte Erwägungen hinzuweisen:
Nach der Konstruktion des § 91 Abs. 2 S. 1 Hs. 2 ZPO („jedoch nur insoweit, als die Zuziehung … notwendig war”) soll die Erstattung von Reisekosten eines auswärtigen Prozessbevollmächtigten die Ausnahme sein. In der Vergangenheit ist diese Bestimmung auch immer so verstanden worden, wobei das Problem des anreisenden Prozessbevollmächtigten nicht neu war, da auf der Amtsgerichtsebene schon immer eine Postulationsfähigkeit auch bei dem jeweiligen AG nicht zugelassener Anwälte gegeben war. Die Erstattung von Reisekosten wurde angenommen,wenn am Gerichtsort überhaupt kein Rechtsanwalt zu finden war, sei es dass dort kein Anwalt ansässig war oder der einzige dort residierende Rechtsanwalt die Gegenpartei vertrat oder sonst verhindert war oder aus wichtigen Gründen nicht zugezogen werden konnte (Gerold/Schmidt/Madert, 14. Aufl., § 28 BRAGO Rz. 27; Hansens, 8. Aufl., § 28 BRAGO Rz. 16) oder aber sonstwie besondere Umstände, insb. eine schwierige Spezialmaterie wie Schifffahrtsrecht vorlagen (Stein/Jonas/Bork, 21. Aufl., § 91 ZPO (Rz. 101 m.w.N., a.A. für einen Simultananwalt im Widerspruch zum Wortlaut von § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO nur OLG Koblenz JurBüro 2000, 85; JurBüro 1986, 93). Obendrein wurde verlangt, dass, wenn kein Prozessbevollmächtigter beim Prozessgericht gefunden werden konnte, ein in der Nähe des Prozessgerichts residierender Anwalt zu wählen war (Gerold/Schmidt/Madert, 14. Aufl., § 28 BRAGO Rz. 27; Stein/Jonas/Bork, 21. Aufl., § 91 ZPO Rz. 101).
Die Neufassung von § 78 ZPO gibt keinen Anlass, § 91 Abs. 2 S. 1 Hs 2 ZPO derart auszulegen, dass bei Fällen, in denen eine Partei einen Prozessbevollmächtigten in der Nähe ihres Wohn- oder Geschäftssitzes nimmt, eine Erstattung von Reisekosten nur noch in wenigen Fällen ausscheidet.
Dabei ist mit zu berücksichtigen, dass für die unterliegende Partei mit ganz erheblichen Nachteilen verbunden sein kann, wenn sie die Reisekosten eines auswärtigen Prozessbevollmächtigten erstatten muss. Man denke nur daran, das, ohne dass dies vorhersehbar sein muss, trotz eines nicht sehr hohen Streitwertes 5 Verhandlungstermine stattfinden können, was bei einem von Hamburg nach München reisenden Prozessbevollmächtigten mit Kosten von ca. 2.500 Euro verbunden ist. § 91 Abs. 2 S. 1 Hs. 2 ZPO zielte gerade darauf hin, das Kostenrisiko von Verfahren niedrig zu halten.
Hinzu kommt, dass es beim Verkehrsanwalt ganz überwiegende Meinung war, dass weder die Kosten des Verkehrsanwaltes noch fiktive Reisekosten der Partei zu erstatten sind, wenn die Partei zu einer schriftlichen Information des Prozessbevollmächtigten in der Lage war (Hansens, 8. Aufl., § 52 BRAGO Rz. 19). Dieser Gedanke gilt in gleicher Weise für die Frage der Erstattung von Reisekosten eines auswärtigen Prozessbevollmächtigten.
Nach Auffassung des Senats sind jedenfalls in den Fällen Reisekosten des Anwalts nicht zu erstatten, in denen eine Partei ohne weiteres in der Lage ist, ihren Prozessbevollmächtigten schriftlich zu informieren und in denen üblicherweise auch keine Besprechungen stattfinden, sondern die Partei mit einem Begleitschreiben die Urkunden den Prozessbevollmächtigten zuzus...