Entscheidungsstichwort (Thema)
Vergütungsanspruch eines Vereins für die Führung der Vormundschaft in analoger Anwendung des § 277 Abs. 4 FamFG
Leitsatz (amtlich)
Wird ein Verein zur Führung einer Vormundschaft bestellt, steht ihm ungeachtet des Wortlauts von § 1836 Abs. 3 BGB in entsprechender Anwendung der Regelungen über die Verfahrenspflegschaft in Betreuungssachen ein Vergütungsanspruch zu. Die vom BGH (FamRZ 2007, 700) festgestellte planwidrige Lücke in den Vergütungsvorschriften des Vormundschafts- und Pflegschaftsrechts, die durch die einschlägige Rechtsprechung des BVerfG entstanden ist, wurde durch den Gesetzgeber des FGG-Reformgesetzes nicht geschlossen (Abweichung von OLG Düsseldorf BtPrax 2010, 129 und OLG Koblenz, Beschluss vom 23.6.2010, BeckRS 2010, 20810).
Normenkette
GG Art. 12 Abs. 1; BGB § 1836 Abs. 3; FamFG § 277 Abs. 4
Verfahrensgang
AG Landshut (Beschluss vom 30.06.2010) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Beschwerde der Staatskasse gegen den Beschluss des AG Landshut vom 30.6.2010 wird zurückgewiesen.
2. Die Staatskasse trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Der Verfahrenswert der Beschwerde wird auf 115,14 festgesetzt.
4. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. 1. Mit Beschluss vom 26.10.2009 hat das AG in Bezug auf die aus Rumänien stammende Minderjährige V. N., geb. am 4.12.1991, festgestellt, dass die elterliche Sorge beider Elternteile ruhe. Mit richterlichem Beschluss vom 12.11.2009 wurde Vormundschaft angeordnet und der beteiligte Verein zum Vormund bestellt.
Am 28.12.2009 hat das AG festgestellt, dass das Vormundschaftsverfahren wegen Volljährigkeit der Betroffenen beendet sei.
Am 20.1.2010 hat der Verein seinen Schlussbericht vorgelegt.
Mit Schreiben vom 31.12.2009, eingegangen am 20.1.2010, hat der beteiligte Verein auf der Grundlage eines nach Zeitaufwand aufgeschlüsselten Tätigkeitsberichts für den Zeitraum vom 5.11.2009 bis 4.12.2009 Aufwendungsersatz und Vergütung i.H.v. insgesamt 133 EUR beantragt.
Mit Stellungnahme vom 3.12.2010 ist der Vertreter der Staatskasse dem Vergütungsantrag aus folgenden Gründen entgegengetreten:
Vereinen sei gem. § 1836 Abs. 3 BGB eine Vergütung für die Führung der Vormundschaft nicht zu gewähren. Zwar habe der BGH im Beschluss vom 14.3.2007 (FamRZ 2007, 900) im Ausschluss der Vergütung für die Führung von Vormundschaften/Pflegschaften durch Mitarbeiter entsprechender Vereine wie auch durch die Vereine selbst eine planwidrige Regelungslücke gesehen. Diese sei bei verfassungskonformer Gesetzesanwendung dadurch zu schließen, dass die für Verfahrenspflegschaften geltende Regelung des § 67a Abs. 4 FGG im Wege der Analogie auf Vormundschaften und Pflegschaften zu erstrecken sei.
Spätestens mit dem Inkrafttreten des FGG-RG zum 1.9.2009 könne hiervon aber keine Rede mehr sein. Der Gesetzgeber habe zwar die Bestimmung des § 67a Abs. 4 FGG aufgehoben, jedoch § 1836 Abs. 3 BGB trotz Kenntnis der Entscheidung des BGH nicht angepasst.
2. Hiergegen hat der beschwerdeführende Verein bereits erstinstanzlich eingewandt:
Die BGH-Entscheidung vom 14.3.2007 sei weiterhin maßgebend. Der BGH habe beanstandet, dass eine Regelung eines Vergütungsanspruchs für Vereine im Vormundschafts- und Pflegschaftsrecht fehle. Es liege eine planwidrige Lücke vor.
Der Gesetzgeber habe erstmals im FGG-RG durch die Neufassung des § 1684 Abs. 3 BGB einen Vergütungsanspruch für einen persönlich bestellten Mitarbeiter als Umgangspfleger geschaffen.
Auch wenn die Entscheidung des BGH vom 14.3.2007 zur Vergütung der gesamten Vormundschaftstätigkeit der Vereine noch nicht umgesetzt sei, habe doch der Gesetzgeber nunmehr direkt "Vereinen für die Führung von Pflegschaften eine Vergütung zugesprochen".
Die Regelungslücke bestehe jetzt darin, dass alle anderen Formen der Vormundschaft und Pflegschaft noch von einer Erstattung ausgenommen seien. Hinzukomme, dass mittlerweile "auch im Betreuungsrecht für den Verein selbst bei der Führung von Betreuungen unter Bezug auf den BGH eine Vergütung gewährt" werde (so das LG Ansbach im Beschl. v. 25.2.2009 - T 107/09, zit. nach juris).
Im Übrigen werde Vereinen für ihre Vormundschaftstätigkeit bei mehreren namentlich genannten bayerischen AG eine Vergütung gewährt. Daran habe sich auch durch das Inkrafttreten des FamFG nichts geändert. Dasselbe gelte "für eine Vielzahl von Gerichten in Nordrhein-Westfalen und jetzt auch in Niedersachsen."
3. Mit Beschluss vom 30.6.2010 hat das AG als Vergütung samt Auslagenersatz insgesamt 115,14 EUR festgesetzt und den darüber hinausgehenden Antrag zurückgewiesen. Die Beschwerde wurde zugelassen.
Die Vergütung sei auf der Grundlage der Entscheidung des BVerfG vom 11.11.1999 und des BGH vom 14.3.2007 durch analoge Gesetzesanwendung festgesetzt worden. Der Verein sei zur Wahrnehmung von im öffentlichen Interesse liegenden Aufgaben in Anspruch genommen worden. Der Staat habe dafür zu sorgen, dass er hierfür eine angemessene Entschädigung erhalte. Trotz Fehlens einer einschlägi...