Entscheidungsstichwort (Thema)
Terminsgebühr: Versäumnisurteil ohne entsprechenden Antrag
Leitsatz (amtlich)
Erlässt das Gericht ein Versäumnisurteil gem. § 331 Abs. 3 ZPO, so entsteht eine Terminsgebühr gem. RVG-VV 3105 Anm. Abs. 1 Nr. 2 auch dann, wenn der Kläger keinen Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils gestellt hat.
Normenkette
RVG-VV Nr. 3105
Verfahrensgang
LG Kempten (Beschluss vom 26.09.2006; Aktenzeichen 2 O 1019/06) |
Tenor
I. Der Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Kempten vom 26.9.2006 wird dahingehend abgeändert, dass der Erstattungsbetrag auf 1.764,80 EUR heraufgesetzt wird.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Beschwerdewert beträgt 283 EUR.
IV. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger wendet sich dagegen, dass eine 0,5 Terminsgebühr nicht anerkannt wurde, obgleich ein Versäumnisurteil ergangen ist.
Mit der Klage beantragte der Kläger Verurteilung der Beklagten zu 13.324,27 EUR nebst Zinsen. Ein Antrag auf Versäumnisurteil stellte er nicht. Am 4.8.2006 erließ das LG Kempten "ohne mündliche Verhandlung gem. § 331 Abs. 2 ZPO" ein klagestattgebendes Versäumnisurteil. Das LG Kempten wies den Antrag auf Festsetzung einer 0,5 Terminsgebühr mit dem Argument zurück, dass die Voraussetzungen von VV 3105 mangels eines Antrags auf Erlass eines Versäumnisurteils nicht gegeben seien.
II. Die sofortige Beschwerde ist begründet.
Gemäß RVG-VV 3105 Anm. Abs. 1 Nr. 2 ist Voraussetzung für die Entstehung einer 0,5 Terminsgebühr lediglich "eine Entscheidung gem. § 331 Abs. 3 ZPO". Die Formulierung geht nicht dahingehend, dass eine Entscheidung gem. § 331 Abs 3 ZPO nach Stellung eines Versäumnisurteilsantrags ergangen ist. Nach dem Wortlaut kommt es also nur darauf an, ob eine Entscheidung gem. § 331 Abs. 3 ZPO ergangen ist.
Auch wenn es an einem Antrag auf Versäumnisurteil fehlt, handelt es sich bei einem dennoch gem. § 331 Abs. 3 ZPO ergehenden Urteil um eine Entscheidung gem. § 331 Abs. 3 ZPO. Diese Entscheidung ist dann zwar fehlerhaft ergangen, dennoch handelt es sich um eine Entscheidung gem. § 331 Abs. 3 ZPO, was im vorliegenden Fall das LG Kempten noch einmal im Rubrum ganz deutlich zum Ausdruck gebracht hat.
Eine Versagung einer 0,5 Terminsgebühr würde voraussetzen, dass sich Anhaltspunkte dafür ergeben, dass über den Wortlaut von RVG-VV 3105 Anm. Abs. 1 Nr. 2 hinaus auch die Stellung eines Antrags auf Erlass eines Versäumnisurteils eine so wesentliche Bedeutung zukommt, dass ohne einen solchen Antrag die Terminsgebühr versagt werden müsste. Dafür gibt es keine ausreichenden Anhaltspunkte.
Der Senat wendet seine Rechtsprechung zu § 35 BRAGO, der zufolge bei fehlendem Versäumnisurteilsantrag eine Verhandlungsgebühr nicht angefallen ist (Beschl. v. 10.1.1996 - 11 W 3227/95), auf RVG-VV 3105 nicht an, wobei dahingestellt bleiben kann, ob die Senatsauffassung zum alten Recht zutreffend war. Der Senat folgt vielmehr dem OLG Jena (AGS 2006, 227 = RVG-Report 2006, 187 = RVG Letter 2006, 100; ebenso LG Berlin RVG-Report 2006, 105; i.E. ebenso Mayer in Mayer/Kroiss, RVG, 2. Aufl., RVG-VV 3105 Rz. 18 und Oderka in Schneider/Rolf, RVG, 3. Aufl., RVG-VV 3105 Rz. 14; Schons, AGS 2006, 228; a.A. Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG, 17. Aufl., RVG-VV 3105 Rz. 23; zur BRAGO OLG Düsseldorf MDR 1984, 950).
Der Erstattungsanspruch erhöht sich damit von bislang 1.481,80 EUR um 283 EUR auf 1.764,80 EUR.
III. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
IV. Im Hinblick darauf, dass die hier zu entscheidende Frage in Literatur und Rechtsprechung streitig ist, wurde die Rechtsbeschwerde zugelassen.
Fundstellen
Haufe-Index 1796104 |
FamRZ 2008, 913 |
JurBüro 2007, 589 |
RVGreport 2007, 425 |
OLGR-Süd 2007, 875 |