Entscheidungsstichwort (Thema)
Genehmigungserfordernis bei Fixierungsmaßnahme
Normenkette
BGB § 1631b Abs. 2, § 1666
Verfahrensgang
AG Rosenheim (Entscheidung vom 23.11.2018; Aktenzeichen 1 F 1504/18) |
Tenor
1. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Rosenheim wird zurückgewiesen.
2. Von einer Erhebung der Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren wird abgesehen. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
3. Der Wert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5 000 EUR festgesetzt.
Gründe
Die Eltern des Beschwerdeführers, des betroffenen Kindes K. H., geb. ..2013, beantragten die familiengerichtliche Genehmigung des Einsatzes einer Fixierung beim Schulwegtransfer, eines Gurtes am Rollstuhl, eines Tisches/Bügels am Rollstuhl, einer Fixierung der Extremitäten, einer Fixierung im Stehständer und des Einsatzes eines Rumpfmieders. Das Amtsgericht sah kein Genehmigungserfordernis.
Der Beschwerdeführer ist minderjährig und leidet an einer neurodegenerativen Erkrankung mit Denovo-Mutation im CLPB-Gen mit Immundefekt, mikrozytärer Anämie, 3-Methylglutoconaziduri und 3-Methylglutarazidurie, Heptomegalie, schwerer psychomotorischer Retardierung, Tetraspastik sowie Epilepsie. Die Diagnose wird bestätigt durch ärztliche Atteste vom 24.07.2018 und 02.10.2018 von Dr. C. B. Konstantin besucht die Einrichtung Fortschritt Konduktiv Heilpädagogische Tagesstätte R. Nach dem ärztlichen Attest vom 02.10.2018 dienen die Fixierungsmaßnahmen ausschließlich therapeutischen bzw. medizinischen Zwecken, hingegen nicht dazu, die Fortbewegung des Kindes Konstantin zu unterbinden. Aufgrund seiner Erkrankung ist Konstantin massiv in seiner Bewegungsfreiheit eingeschränkt. Er kann kaum frei sitzen und eine Fortbewegung ist nur mit technischen Hilfsmitteln, wie einem Rollstuhl, möglich. Im Stehständer müssen Arme und Beine fixiert werden, damit Konstantin aufrecht stehen kann. Die Maßnahme dient dazu, orthopädische Fehlstellungen der Wirbelsäule zu vermeiden.
Das Amtsgericht hat das Genehmigungsverfahren eingestellt, da es eine Genehmigung für nicht erforderlich hält. Konstantins Möglichkeit zur Fortbewegung werde nicht eingeschränkt, sondern erweitert und die eingesetzten Geräte dienten therapeutischen und medizinischen Zwecken sowie dem Selbstschutz des Kindes.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Verfahrensbeistands im Namen des Betroffenen.
Der Verfahrensbeistand ist der Auffassung, dass der Betroffene sich durch Benutzung seiner Stimme nicht äußern könne und einer Elternentscheidung wehrlos ausgesetzt sei. Die Eltern könnten möglicherweise die Einrichtung dazu motivieren, wesentlich mehr therapeutische Maßnahmen zu unternehmen als das Kind überhaupt aus seiner subjektiven Vorstellung haben möchte. Es komme nicht darauf an, welche Absicht die Beteiligten hätten, ob gut oder schlecht. Es dürfe aus der Bundestagsdrucksache zu § 1631 b Abs. 2 BGB nicht der Schluss gezogen werden, dass alle Maßnahmen umgesetzt werden dürfen, wenn sie dem Kind nutzen.
Nicht geklärt sei, welche Maßnahmen genehmigungsbedürftig seien, wenn dem Kind keine Möglichkeit zur Verfügung stehe, sich aus eigener Kraft zu bewegen und damit ein Prozess für die Entschließungsfreiheit zur Fortbewegung nicht entstehen könne. Daraus könne nicht abgeleitet werden, dass alle therapeutischen Maßnahmen genehmigungsfrei seien, die abstrakt dazu geeignet seien, die Entschließungsfreiheit zur Fortbewegung zu fördern.
Das Beschwerdegericht habe, sofern sich das Kind nicht äußern könne, durch ein Sachverständigengutachten zu klären, welche Einwirkungen auf den Körper des Kindes zu erwarten seien und wie sich diese körperlich und psychisch auswirken können. Die zur Entscheidung stehenden Maßnahmen dürften nur als letztes Mittel angewendet werden. Zu prüfen sei, ob im Rahmen eines therapeutischen Prozesses andere Maßnahmen angewandt werden könnten, die weniger einschneidend seien.
Die Beteiligten erhielten Gelegenheit zur Stellungnahme. Von einer weiteren mündliche Verhandlung in der Beschwerdeinstanz wurde abgesehen.
II. Die Beschwerde des Verfahrensbeistandes im Namen des betroffenen Kindes ist zulässig, in der Sache jedoch unbegründet, § 59 FamFG.
Der Verfahrensbeistand handelt im Interesse des Kindes und ist berechtigt, im Namen des Kindes Beschwerde einzulegen, § 158 Abs. 4 S.5 FamFG. Da er mit der Beschwerde die Einhaltung gesetzlicher Genehmigungserfordernisse zum Schutze des Kindes einfordert, ist er auch beschwerdebefugt nach § 59 Abs. 1 FamFG.
Das Amtsgericht Rosenheim ist zu Recht davon ausgegangen, dass vorliegend die Fixierungsmaßnahmen keiner Genehmigung durch das Familiengericht bedürfen. Die Eltern können den Einsatz einer Fixierung beim Schulwegtransfer, eines Gurtes am Rollstuhl, eines Tisches/Bügels am Rollstuhl, einer Fixierung der Extremitäten, einer Fixierung im Stehständer und des Einsatzes eines Rumpfmieders bei Konstantin im Rahmen seines Kindergartenbesuchs in der heilpädagogischen Tagesstätte in Rosenheim in Ausübung ihrer elterlichen Sorge selbst genehmigen...