Entscheidungsstichwort (Thema)

Richterablehnung: Verstoß gegen das Sachlichkeits- und Neutralitätsgebot und richterliche Verfahrensführung als Ablehnungsgründe

 

Leitsatz (amtlich)

Da ein Richter zu einer objektiven und neutralen Verhandlungsführung verpflichtet ist, kommen als Ablehnungsgründe Unsachlichkeit und unangemessenes Verhalten zu Lasten einer Partei in Betracht sowie ein prozessuales Vorgehen des Richters, das sich so weit von dem normalerweise geübten Verfahren entfernt, dass sich für die hiervon betroffene Partei der Eindruck einer sachwidrigen, auf Voreingenommenheit beruhenden Benachteiligung aufdrängt. Dabei ist nicht entscheidend, wie die betroffene Partei persönlich das Vorgehen und die Wortwahl des Richters wertet oder empfindet, sondern ob bei objektiver, vernünftiger und besonnener Betrachtung vom Standpunkt der Partei aus die Grenzen der Sachlichkeit und Neutralität in einer Weise überschritten worden sind, die die Befürchtung einer Voreingenommenheit als sachlich begründet erscheinen lässt (hier: richterliche Verfahrensweise bei Setzung einer Stellungnahmefrist zu einem Gutachten sowie im Rahmen eines Vergleichsvorschlags und dessen Modifizierung in einem Arzthaftungsprozess).

 

Normenkette

ZPO § 42

 

Verfahrensgang

LG Landshut (Beschluss vom 26.01.2011; Aktenzeichen 41 O 684/07)

 

Tenor

I. Die sofortige Beschwerde der Klägerin vom 2.2.2011 gegen den Beschluss des LG Landshut vom 26.1.2011 - 41 O 684/07, wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 6.500 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Klägerin verlangt von der Beklagten Schmerzensgeld und Schadensersatz wegen behaupteter Folgen eines Sturzes im Rahmen eines Klinikaufenthalts im Dezember 2000.

Mit Schriftsatz vom 14.1.2001 hat die Klägerin erklärt, sie lehne den Vorsitzenden der Kammer, Vizepräsident Dr. A, wegen seiner Prozessführung, insbesondere wegen mündlicher und schriftlicher Äußerungen des Vorsitzenden wegen Besorgnis der Befangenheit ab (Bl. 368/373 d.A.). Das LG hat den Befangenheitsantrag mit Beschluss vom 26.1.2001 als unbegründet zurückgewiesen (Bl. 382/386 d.A.). Der sofortigen Beschwerde der Klägerin vom 2.2.2011 (Bl. 391/392 d.A.) hat das LG mit Beschluss vom 3.2.2011 (Bl. 394/396 d.A.) nicht abgeholfen. Die Akten wurden dem OLG zur Entscheidung vorgelegt. Mit Schriftsatz vom 10.2.2001 hat die Klägerin ergänzend zu ihrem bisherigen Vorbringen eine eidesstattliche Versicherung ihres Rechtsanwalts vorgelegt.

II. Die zulässige sofortige Beschwerde ist nicht begründet.

Die Besorgnis der Befangenheit eines Richters ist anzunehmen, wenn Umstände vorliegen, die berechtige Zweifel an seiner Unparteilichkeit oder Unabhängigkeit aufkommen lassen. Geeignet, Misstrauen gegen eine unparteiliche Amtsausübung des Richters zu rechtfertigen, sind nur objektive Grunde, die vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken können, der Richter stehe der Sache nicht (mehr) unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber (Zöller/Vollkommer, ZPO, 27. Aufl., § 42 Rz. 9 m.w.N.). Rein subjektive unvernünftige Vorstellungen und Gedankengänge reichen nicht aus (Hüsstege in Thomas/Putzo, ZPO, 29. Aufl., § 42 Rz. 9); auf eine tatsächliche Befangenheit oder die Selbsteinschätzung eines Richters kommt es nicht an.

Da ein Richter zu einer objektiven und neutralen Amtsführung verpflichtet ist, kommen als Ablehnungsgründe Unsachlichkeit und unangemessenes Verhalten zu Lasten einer Partei in Betracht. Hierzu zählen unsachliche Äußerungen in der mündlichen Verhandlung (Zöller/Vollkommer § 42 Rz. 22), allgemein abfällige, höhnische, ironische, kränkende oder beleidigende Äußerungen des Richters (Zöller/Vollkommer § 42 Rz. 22), bissige Ironie oder offen gezeigte Häme oder sonst eine unangemessene Ausdrucksweise (BGH v. 21.12.2006 - X ZB 60/06), aber nicht schon ein salopper Tonfall oder drastische Formulierungen (OLG Naumburg vom 30.11.2006 - 10 W 86/06), ebenso wenig eine sachlich begründete Unmutsäußerung. Weitere Gründe können die abwertende Kritik gegenüber der Prozessführung eines Rechtsanwaltes (OLG Hamburg vom 23.3.1992 - 7 W 10/92) sein, eine übertriebene Reaktion auf ein Ablehnungsgesuch des Prozessbevollmächtigten (LG Berlin vom 1.12.1996 - 1 Abl 213/95) oder allgemein die Verletzung richterlichen Verhandlungsstiles durch Kundgabe negativer Stimmungen, wie Ungeduld oder Gereiztheit. Zudem ist die Behinderung der Parteirechte ein möglicher Grund, wie z.B. die Fortführung der Verhandlung ohne auf einen gestellten Ablehnungsantrag zu reagieren (OLG Köln vom 7.10.1997 - 15 W 131/97), oder sonstige grobe Verfahrenverstöße, wenn sich das prozessuale Vorgehen des Richters so weit von dem normalerweise geübten Verfahren entfernt, dass sich für die hiervon betroffene Partei der Eindruck einer sachwidrigen, auf Voreingenommenheit beruhenden Benachteiligung aufdrängt. Auch können starke persönliche Spannungen zwischen dem Richter und einem ...

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