Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur PKH-Bewilligung für Geltendmachung von Schmerzensgeld aufgrund der Totgeburt eines Kindes nach behauptetem Diagnosefehler

 

Normenkette

ZPO § 114

 

Verfahrensgang

LG Passau (Beschluss vom 21.01.2011; Aktenzeichen 4 O 953/10)

 

Tenor

I. Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des LG Passau vom 21.1.2011 und der Nichtabhilfebeschluss vom 15.2.2011 dahingehend abgeändert, dass der Klägerin Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt wird zur Verfolgung eines Schmerzensgeldanspruchs gegenüber der Beklagten zu 1), und den Antragsgegnern zu 2 und 3) bis zu einer Höhe von 12.000 EUR.

Ihr wird Rechtsanwältin Rosemarie W., beigeordnet.

II. Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde der Klägerin zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Die Klägerin macht geltend, die Beklagte zu 1) und die Antragsgegner zu 2) und 3) seien verantwortlich für den Tod ihrer intrauterin verstorbenen Tochter. Die Beklagten bzw. Antragsgegner hätten bei der Behandlung der Klägerin den ärztlichen Standard nicht eingehalten. Es sei zu groben Diagnosefehlern gekommen. Die Klägerin begehrt ein Schmerzensgeld von 100.000 EUR.

Das LG hat dem klägerischen Prozesskostenhilfeantrag in Bezug auf die Beklagte zu 1) stattgegeben, allerdings beschränkt auf einen Betrag von 7.000 EUR. Hinsichtlich der Antragsgegner zu 2) und 3) hat das LG die hinreichenden Erfolgsaussichten der Klage mangels Darlegung eines Kunstfehlers verneint.

Mittlerweile hat die Klägerin bezüglich der Beklagten zu 1) eine Klage eingereicht, in der sie ein Schmerzengeld fordert, dessen Angemessenheit sie in den Klagegründen mit 100.000 EUR bewertet.

Das LG hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 15.2.2011 nicht abgeholfen und die Akten dem OLG vorgelegt.

II. Die zulässige Beschwerde ist teilweise begründet.

1. Das LG hat hinsichtlich der Beklagten zu 1) Prozesskostenhilfe dem Grunde nach bewilligt, den Vortrag der Antragstellerin also als hinreichend schlüssig und nicht von vorneherein aussichtslos beurteilt, allerdings nur insoweit, als ein Schmerzensgeld bis 7.000 EUR begehrt wird.

a) Der Senat versteht die sofortige Beschwerde der Antragstellerin dahingehend, dass sie die Beschränkung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe auf einen Betrag von bis zu 7.000 EUR beseitigt wissen will, auch wenn sie im Klageantrag selbst keinen Mindestbetrag eines Schmerzensgeldes nennt. Eine solche Beschwerde ist zulässig.

Zur Frage der Bewilligung von Prozesskostenhilfe für unbezifferte Schmerzensgeldforderungen, bei denen die Partei Mindesterwartungen zur Höhe des Schmerzensgeldes erkennen lässt, hat der Senat wiederholt Entscheidungen erlassen. Demnach ist sowohl für die Beschwer in der Rechtsmittelinstanz, als auch für die Streitwertfestsetzung als auch für die Kostenentscheidung von erheblicher Bedeutung, ob sich der Schmerzensgeldkläger bei einem unbezifferten Klageantrag darauf beschränkt, die Höhe des Schmerzensgeldes vollständig dem Ermessen des Gerichts zu überlassen oder ob er in der Klagebegründung einen konkreten (Mindest-) Betrag zum Ausdruck bringt, den er begehrt und für angemessen hält. Enthält die Klagebegründung einen solchen (Mindest-) Betrag, muss das Gericht im Rahmen des Prozesskostenhilfeverfahrens prüfen, ob die Ausurteilung der vom Kläger in den Raum gestellten Summe in Betracht kommt. Übersteigt der Betrag, den der Kläger nennt, erheblich den Betrag, den das Gericht unter Zugrundelegung der streitigen Tatsachen für noch angemessen hält, muss das Gericht im Prozesskostenhilfebeschluss deutlich machen, dass die Klage lediglich für ein niedrigeres Schmerzensgeld hinreichende Erfolgsaussichten hat. Nur dann beläuft sich der Streitwert für die Klage auf den niedrigeren Wert und nicht auf den höheren Betrag, den sich der Antragsteller vorstellt. Zur Vermeidung eines höheren Streitwertes und der damit verbundenen höheren Kosten genügt es nicht, in einem nachfolgenden (vorläufigen) Streitwertbeschluss den Betrag festzulegen, den das Gericht für angemessen erachtet. Denn bei uneingeschränkter Bewilligung der Prozesskostenhilfe bringt das Gericht regelmäßig zum Ausdruck, dass es die Schmerzensgeldforderung bis zur Höhe der Vorstellungen des Klägers bzw. Antragstellers für aussichtsreich hält. Dieser Betrag ist dann im Verfahren im Streit und Berechnungsgrundlage für die Gerichts- und die Anwaltsgebühren, ebenso wie ansonsten die Angabe eines Mindestbetrages bei einem unbezifferten Schmerzensgeldantrag regelmäßig die Begrenzung des Streitwertes nach unten bewirkt (vgl. OLG München vom 26.4.1994 - 1 W 2878/93, VersR 1995, 1117; Senatsbeschluss vom 15.6.2007 - 1 W 1734/07 und vom 8.1.2008 - 1 W 604/08 sowie vom 10.8.2009, AZ 1 W 1862/09). Dementsprechend kann ein Antragsteller die Begrenzung der Prozesskostenhilfebewilligung im Beschwerdeverfahren angreifen mit dem Ziel, Prozesskostenhilfe für eine Klage zur Erlangung des seiner Ansicht nach angemessenen Schmerzensgeldes zu erlangen. Auch das Begehren der Klägerin versteht der Senat in diesem Sinne.

b) ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?