Entscheidungsstichwort (Thema)
Anfechtungsbefugnis des zu Unrecht aus der Hauptversammlung ausgeschlossenen Aktionärs; Inhalt der Mitteilung nach § 20 Abs. 1 AktG; zur besonderen Schwere des Rechtsverstoßes nach § 246a Abs. 2 Nr. 3 AktG
Leitsatz (amtlich)
1. Ein in der Hauptversammlung erschienener Aktionär, der vom Versammlungsleiter des Saales verwiesen und vom weiteren Verlauf der Hauptversammlung ausgeschlossen wird, steht, wenn der Ausschluss zu Unrecht erfolgt, nach § 245 Nr. 2 Fall 1 AktG einem Aktionär gleich, der zur Hauptversammlung zu Unrecht nicht zugelassen wurde und deshalb nicht erschienen ist.
2. Für eine Mitteilung nach § 20 Abs. 1 AktG reicht aus, dass der Aktionär unter Angabe des Grundkapitals und der Gesamtzahl der Aktien die Anzahl der von ihm gehaltenen Aktien und den sich daraus ergebenden prozentualen Anteil an der Gesamtzahl zahlenmäßig beziffert, auch wenn das Schreiben nicht mit § 20 Abs. 1 AktG überschrieben ist.
3. Wird in einer Zwei-Personen-Aktiengesellschaft der Mehrheitsaktionär mit einem Anteil von über 80 % am Grundkapital zu Unrecht von der Hauptversammlung ausgeschlossen und fasst die Hauptversammlung mit den Stimmen der Minderheitsaktionärin einen Kapitalerhöhungsbeschluss mit der Folge, dass der Mehrheitsaktionär zum Minderheitsaktionär wird, liegt eine besondere Schwere des Rechtsverstoßes i.S.d. § 246a Abs. 2 Nr. 3 AktG vor, so dass auch ein vorrangiges Vollzugsinteresse einen Freigabebeschluss nicht rechtfertigen würde.
Tenor
I. Der Antrag auf Freigabe wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe
I. Die Antragstellerin begehrt im Freigabeverfahren nach § 246a AktG die Durchführung einer Kapitalerhöhung.
Die Antragstellerin betreibt in B. T. in den angemieteten Räumlichkeiten des Anwesens R. straße das Hotel T. Hof. Aktionäre der Antragstellerin, die am 27.10.2006 mit einem Grundkapital von 52.000 EUR gegründet worden ist, sind seit Gründung der Antragsgegner mit einem Anteil von 46.173 Stückaktien und Karin G., Lebensgefährtin des Bruders des Antragsgegners und Vorstands der Antragstellerin, mit 5.827 Stückaktien.
Mit Datum vom 16.4.2010 veröffentlichte die Antragstellerin im elektronischen Bundesanzeiger eine Einladung zu einer außerordentlichen Hauptversammlung am 19.5.2010. Einziger Tagesordnungspunkt war die Beschlussfassung über die Erhöhung des Grundkapitals um 208.000 EUR gegen Bareinlage. Im Beschlussvorschlag des Vorstands war u.a. Folgendes ausgeführt:
"Das Bezugsrecht der Altaktionäre wird gem. § 186 Abs. 4 AktG zum Teil ausgeschlossen.
Altaktionäre können neue Aktien in dem Maße beziehen, dass ihre gesamte Beteiligung am Grundkapital der Gesellschaft von 260.000 EUR der Höhe ihrer Miteigentumsanteile an dem Hotel T. Hof auf dem Grundstück der Gemarkung B. T., R. straße (Flst. Nr ... zu 5.629 qm der Gemarkung B. T.) entspricht."
Der Aufsichtsrat unterbreitete keinen Beschlussvorschlag.
Der Antragsgegner fand sich am 19.5.2010 in Begleitung seines anwaltlichen Vertreters in der Hauptversammlung ein und trug sich in die Teilnehmerliste ein. Nach Eröffnung der Hauptversammlung teilte der Versammlungsleiter, der Vorsitzende des Aufsichtsrats der Antragstellerin, dem Antragsgegner mit, dass er nicht teilnahmeberechtigt sei, und forderte diesen auf, die Hauptversammlung zu verlassen. Der Antragsgegner kam dieser Aufforderung, wenn auch nach Diskussion, nach.
Die Hauptversammlung der Antragstellerin beschloss daraufhin auf Antrag der Aktionärin G. mit deren Stimmen, das Grundkapital von bisher 52.000 EUR gegen Bareinlagen um 208.000 EUR auf insgesamt 260.000 EUR zu erhöhen. Ein auch teilweiser Ausschluss des Bezugsrechts wurde nicht beschlossen.
Am 27.5.2010 wurde der Kapitalerhöhungsbeschluss vom AG München ins Handelsregister eingetragen. Sämtliche neuen Aktien wurden inzwischen gezeichnet.
Mit Schriftsatz vom 3.6.2010, beim LG München I eingegangen am selben Tag, erhob der Antragsgegner gegen den Kapitalerhöhungsbeschluss der Hauptversammlung vom 19.5.2010 Anfechtungsklage. Das Verfahren wird unter dem Az. 5 HKO 10517/10 geführt. Am 4.6.2010 erließ das LG München I unter dem Az. 5 HKO 10468/10 eine einstweilige Verfügung, die es der Antragstellerin untersagte, die Eintragung der Kapitalerhöhung weiter zu betreiben. Mit Endurteil vom 22.7.2010 wurde die einstweilige Verfügung vom LG München I bestätigt.
Mit dem Freigabeantrag begehrt die Antragstellerin die Durchführung der Kapitalerhöhung. Sie hält die Anfechtungsklage des Antragsgegners für verfristet und offensichtlich unbegründet. Der Antragsgegner sei wegen Verstoßes gegen seine Mitteilungspflichten aus § 20 AktG an der Hauptversammlung nicht teilnahme- und stimmberechtigt gewesen. Er sei auch nicht anfechtungsbefugt. Außerdem bestehe ein vorrangiges Vollzugsinteresse, weil die Antragstellerin unterkapitalisiert sei. Eine Insolvenz könne nicht ausgeschlossen werden.
Die Antragstellerin beantragt:
Die Erhebung der Anfechtungsklage, Az. 5 HKO 10517/10, vor dem LG München I steht der Du...