Leitsatz (amtlich)
1. Der Angeklagte ist nach § 257c Abs. 5 StPO vor der Verständigung über die Voraussetzungen und Folgen einer Abweichung des Gerichts von dem in Aussicht gestellten Ergebnis nach allen Alternativen des § 257c Abs. 4 StPO zu belehren. Diese Belehrung dient dem Schutz des Angeklagten. Er soll dadurch in die Lage versetzt werden, eine autonome Einschätzung des mit seiner Mitwirkung an der Verständigung verbundenen Risikos vorzunehmen.
2. Die Verständigung ohne entsprechende Belehrung verletzt einen Angeklagten in seinem Recht auf ein faires Verfahren und seine Selbstbelastungsfreiheit.
3. Bei einem Verstoß gegen die Belehrungspflichten ist regelmäßig davon auszugehen, dass das Geständnis und damit das Urteil auf dem Unterlassen der Belehrung beruhen.
4. Der Verstoß gegen die Belehrungspflichten führt zur Unwirksamkeit des Geständnisses und einer danach erfolgten Berufungsbeschränkung.
Normenkette
StPO § 257c Abs. 4-5
Verfahrensgang
LG München II (Entscheidung vom 18.01.2013) |
Tenor
I.
Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts München II vom 18. Januar 2013 samt dem diesen zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
II.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Strafkammer des Landgerichts München II zurückverwiesen.
Gründe
I.
Die Staatsanwaltschaft München II erhob gegen die Angeklagte am 20.3.2013 Anklage zum Amtsgericht Weilheim wegen Betrugs in 11 tatmehrheitlichen Fällen in einem besonders schweren Fall. Das Amtsgericht Weilheim sprach die Angeklagte mit Urteil vom 11.8.2012 schuldig der Untreue in 6 tatmehrheitlichen Fällen und verurteilte diese unter Einbeziehung der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Garmisch-Partenkirchen vom 26.10.2010 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren und 3 Monaten.
Gegen dieses Urteil haben die Angeklagte und die Staatsanwaltschaft Berufung eingelegt. Die Staatsanwaltschaft hat ihre Berufung sogleich auf den Rechtsfolgenauspruch beschränkt. Die Angeklagte hat ihre Berufung im Hauptverhandlungstermin vom 18.1.2013 auf den Rechtsfolgenauspruch beschränkt, nachdem eine Verfahrensabsprache getroffen worden war. Die Staatsanwaltschaft hat ihre Berufung daraufhin zurückgenommen. Mit Urteil vom 18.1.2013 hat das Landgericht München II auf die Berufung der Angeklagten das Urteil des Amtsgerichts Weilheim im Rechtsfolgenauspruch aufgehoben und die Angeklagte unter Einbeziehung der mit Urteil des Amtsgericht Garmisch-Partenkirchen verhängten Strafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden ist.
Gegen dieses Urteil hat die Angeklagte mit Schrifsatz ihrer Verteidigerin vom 25.1.2013, der auch an diesem Tag beim Landgericht eingegangen ist, Revision eingelegt.
In der auf die Verletzung formellen und sachlichen Rechts gestützen Revisionsbegründung hat die Verteidigerin beantragt,
das Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts München II zurückzuverweisen.
Mit Vorlageschreiben vom 30.7.2013 hat die Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht München beantragt,
die Revision der Angeklagten nach § 349 Abs. 2 StPO kostenpflichtig als unbegründet zu verwerfen.
II.
Die zulässige Revision hat mit der Verfahrensrüge Erfolg, soweit sie die Verletzung der Belehrungspflicht gemäß § 257c Abs. 5 i.V.m. Abs. 4 StPO geltend macht. Im Übrigen sind die erhobenen Verfahrensrügen unbegründet.
1. Die zulässige Rüge der Verletzung des § 338 Nr. 5 StPO ist unbegründet.
a) Die Revision beanstandet, dass ein Teil der Hauptverhandlung vom 18.12.2012 in Abwesenheit eines Verteidigers bei einer gegebenen notwendigen Verteidigung nach § 140 StPO stattgefunden habe. Der zu diesem Zeitpunkt allein anwesende Wahlverteidiger habe die Sitzung vor deren Beendigung verlassen. Das Protokoll enthalte nach diesem Zeitpunkt vor der Verfügung der Vorsitzenden, die Hauptverhandlung zu unterbrechen, die Festellung, dass keine Anträge mehr für den laufenden Verhandlungstag gestellt und keine weiteren Erklärungen abgegeben wurden. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass im Zeitraum zwischen dem Verlassen des Sitzungssaales durch den Wahlverteidiger und der Beendigung der Sitzung noch weitere Ausführungen über den weiteren Verlauf getroffen worden seien, insbesondere, dass über den Fortsetzungstermin gesprochen worden sei.
b) Die Rüge ist unbegründet. Denn nur die Abwesenheit bei einem wesentlichen Teil der Hauptverhandlung begründet die Revision (Meyer-Goßner 56. Aufl. StPO § 338 Rdn. 36), die hier nicht gegeben ist. Ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls vom 18.12.2012 wurden zwei Zeugen vernommen, zwei Schreiben verlesen, eine Verteidigererklärung verlesen und eine Erklärung der Vorsitzenden über das Verhalten der Angeklagten zu Protokoll gegeben. Nach jedem Teil der Beweisaufnahme bestand hierbei die Möglichkeit der Verteidigung Anträge und Erklärungen abzugeben, von der kein Gebrauch gem...