Leitsatz (amtlich)
Im Falle eines sofortigen Anerkenntnisses i.S.v. § 93 ZPO, dem die Beschränkung des Widerspruchs gegen eine im Beschlusswege erlassene einstweilige Verfügung auf die Kosten gleichsteht, liegt keine der Kostentragung entgegenstehende ausreichende Abmahnung vor, wenn diese an einen Minderjährigen adressiert war und die Abmahnung auch dessen gesetzlichen Vertreter nicht zugegangen ist (§ 131 Abs. 2 BGB entspr.). Für die Kostentragung ist es ohne Bedeutung, ob dem Abmahnenden die beschränkte Geschäftsfähigkeit des Abgemahnten bekannt war bzw. ob ihm dieser Umstand in vorwerfbarer Weise verborgen geblieben ist.
Normenkette
ZPO § 93; BGB § 131 Abs. 2
Verfahrensgang
LG München I (Aktenzeichen 9 HKO 10125/01) |
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen das Urteil des LG München I vom 24.7.2001 – 9 HKO 10125/01 – wird zurückgewiesen.
2. Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
3. Der Streitwert für das Verfahren 1. Instanz wird unter Abänderung der Streitwertfestsetzung des LG gem. Beschluss vom 24.7.2001 für die Zeit bis zur Einlegung des Kostenwiderspruchs auf 100.000 DM und für die Zeit danach auf bis zu 4.000 DM festgesetzt.
4. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf bis zu 4.000 DM festgesetzt.
5. Der Antrag des Antragsgegners auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird zurückgewiesen.
Gründe
A. Mit Anwaltsschreiben vom 31.5.2001 mahnte die Antragstellerin den 16-jährigen Antragsgegner unter Übersendung einer vorformulierten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung und Fristsetzung zum 7.6.2001, 12.00 Uhr ab (Anl. EVK 4 und 5). In einer E-Mail vom 1.6.2001 sowie in einem Schreiben vom selben Tage nahm der Antragsgegner zu dem Vorwurf – Angebot von Computerprogrammen zum „Entsperren” von Prepaid-Mobilfunktelefonen – Stellung. Auf Antrag der Antragstellerin vom 6.6.2001 (Eingang bei Gericht) erging am selben Tag antragsgemäß eine einstweilige Verfügung. Ausweislich der in Fotokopie zu den Akten gereichten Zustellungsurkunde des zuständigen Gerichtsvollziehers wurde die einstweilige Verfügung am 7.6.2001 durch Übergabe an den Antragsgegner persönlich zugestellt.
Am 2.7.2001 (Eingang bei Gericht) legte der Antragsgegner, vertreten durch seine gesetzliche Vertreterin, Kostenwiderspruch ein. Er machte geltend, er habe die verlangte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung per Brief am 5.6.2001 an die anwaltlichen Vertreter der Antragstellerin abgesandt. Darüber hinaus machte er geltend, dass weder das Aufforderungsschreiben vom 31.5.2001 noch die einstweilige Verfügung wegen seiner Minderjährigkeit wirksam zugestellt worden seien.
Die Antragstellerin hat die Absendung der Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung bestritten. Ein entsprechendes Schreiben sei bei ihren anwaltlichen Vertretern nicht eingegangen. Da der Antragsgegner in der E-Mail vom 1.6.2001 den Bestand des geltend gemachten Anspruches in Abrede gestellt habe, hätte es sich ohnehin nicht mehr um ein sofortiges Anerkenntnis handeln können. Ihr sei auch die Minderjährigkeit des Antragsgegners nicht bekannt gewesen. Da er die einstweilige Verfügung, vertreten durch seine Mutter, aufgrund der Einlegung des Kostenwiderspruchs anerkannt habe, sei ihm der Einwand der fehlerhaften Zustellung abgeschnitten.
Mit Endurteil vom 24.7.2001, der Antragstellerin zugestellt am 17.8.2001, hat das LG unter Abänderung der Kostenentscheidung in der einstweiligen Verfügung der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens auferlegt mit der Begründung, der Antragsgegner habe glaubhaft gemacht, dass er die geforderte Unterlassungserklärung am 5.6.2001 mit der Post abgeschickt habe. Er habe davon ausgehen können, dass diese den anwaltlichen Vertretern der Klägerin auch innerhalb der gesetzten Frist bis zum 7.6.2001 zugehen werde. Da die Antragstellerin vor Ablauf dieser Frist bereits den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung gestellt habe, müsse sie so behandelt werden, als habe sie überhaupt nicht abgemahnt. In der E-Mail vom 1.6.2001 habe der Antragsgegner nicht zum Ausdruck gebracht, dass er die Abgabe der verlangten Unterlassungserklärung ablehne. Der Kostenwiderspruch beinhalte auch ein sofortiges Anerkenntnis i.S.v. § 93 ZPO.
Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer am 7.8.2001 beim OLG eingelegten und am 24.8.2001 begründeten sofortigen Beschwerde. Sie vertritt die Auffassung, die vom Antragsgegner vorgelegte eidesstattliche Versicherung genüge nicht, um den Zugang dieser Erklärung glaubhaft zu machen. Unzutreffend sei auch, wenn das LG darauf abstelle, dass die gesetzte Frist nicht beachtet worden sei. Da es nur auf die Veranlassung zum gerichtlichen Vorgehen ankomme, könne nichts anderes gelten als bei der sog. „Schubladenverfügung”. Es komme daher nicht mehr darauf an, dass auch dann, wenn die Unterlassungserklärung rechtzeitig abgegeben worden wäre, ein sofortiges Anerkenntnis im Hinblick auf die E-Mail vom 1.6.2001 zu verneinen wäre.
Die Antragstellerin...