Leitsatz (amtlich)

Art. 31 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Flüchtlingskonvention) erfasst als persönlicher Strafaufhebungsgrund lediglich das Delikt der unrechtmäßigen Einreise. Die Strafbarkeit von Begleitdelikten bleibt unberührt.

 

Verfahrensgang

LG Landshut (Entscheidung vom 08.12.2009)

 

Tenor

  • I.

    Die Revision der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Landshut vom 8. Dezember 2009 wird als unbegründet verworfen.

  • II.

    Die Beschwerdeführerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen.

 

Gründe

Das Amtsgericht hat die Angeklagte von dem Vorwurf der Urkundenfälschung aus rechtlichen Gründen freigesprochen. Auf die Berufung der Staatsanwaltschaft hat das Landgericht die Angeklagte der Urkundenfälschung schuldig gesprochen und hierfür eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen verhängt. Hiergegen wendet sich die Angeklagte mit ihrer Revision, mit der sie einen Freispruch erstrebt.

Die Revision der Angeklagten hat keinen Erfolg.

I.

Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:

Die Angeklagte ist irakische Staatsangehörige. Sie entschloss sich Ende 2007 mit ihrem Sohn und ihrer Tochter den Irak wegen der dort andauernden Kämpfe zu verlassen und veräußerte deshalb das Haus ihrer Familie. Ferner sollte ihre Tochter gezwungen werden, einen Schiiten zu heiraten. Außerdem wurde die Familie von Schiiten bedroht und hatte Angst getötet zu werden. Die Angeklagte organisierte über Schleuser die Ausreise. Sie erhielt einen in Gänze gefälschten irakischen Reisepass mit darin befindlichem gefälschten griechischen Aufenthaltstitel und gefälschtem Einreisestempel und bezahlte hierfür und für die Pässe ihrer Kinder 3000 Dollar. Ihr war bewusst, dass Reisepass und Aufenthaltstitel nicht für sie amtlich ausgestellt, sondern gefälscht waren. Sie wollte durch Vorlage des gefälschten Passes bei der deutschen Einreisekontrolle den Anschein erwecken, dass sie über den erforderlichen Aufenthaltstitel verfügt, damit ihr die Einreise in das Bundesgebiet gestattet werde.

Ende 2007 reiste sie mit ihren Kindern mit dem LKW über Kirkuk nach Sulaymania und flog von dort nach Istanbul. Am 7. Januar 2008 legte sie am Flughafen München bei der grenzpolizeilichen Einreisekontrolle des Fluges LH-3361 aus Ankara den gefälschten Reisepass vor. Sie war der Auffassung, ohne Vorlage des Reisepasses würde sie sofort wieder in den Irak zurückgeschickt werden.

II.

Das Amtsgericht hat die Angeklagte freigesprochen. Es hat den Rechtfertigungsgrund des § 34 StGB als erfüllt angesehen und ausgeführt, der Schutzzweck des Artikel 31 Abs. 1 der Genfer Flüchtlingskonvention erfordere es, dass der Flüchtling, der unverzüglich nach der Einreise Asyl beantragt, für begangene Urkundsdelikte in gleichem Umfang straflos bleibe, wie für die mit der illegalen Einreise verwirklichten Straftatbestände.

Das Landgericht hat sich dagegen der Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts München, vertreten in dem Beschluss vom 13. Juli 2009 (5 StR 179/09) in dem Strafverfahren gegen die Tochter der Angeklagten, angeschlossen. Das Landgericht hat das Vorliegen eines Tatbestands- und Erlaubnistatbestandsirrtums ausgeschlossen und der Angeklagten lediglich einen vermeidbaren Verbotsirrtum zugestanden.

III.

Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revision hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).

1.

Der Senat hat bereits in seinem - soweit ersichtlich - nicht veröffentlichten Beschluss vom 13. Juli 2009 (5 StR 179/09) folgendes ausführt:

"Die Angeklagte kann sich nicht auf Artikel 31 Abs. 1 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Flüchtlingskonvention) berufen. Artikel 31 Abs. 1 dieses Abkommens stellt in Verbindung mit § 95 Abs. 5 AufenthG nur denjenigen von einer Bestrafung wegen unrechtmäßiger Einreise oder Aufenthalts frei, der zwar unter den Voraussetzungen des § 95 AufenthG in die Bundesrepublik einreist, aber unverzüglich einer inländischen Behörde seine Einreise anzeigt und dabei Gründe nennt, die die ,unrechtmäßige Einreise ... rechtfertigen'. Artikel 31 Genfer Flüchtlingskonvention und § 95 Abs. 5 AufenthG sind für den Regelfall des Asylsuchenden geschaffen, der zwar ohne die erforderlichen Einreisepapiere, aber ansonsten unter Achtung der Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland einreist. Angesichts der Bedeutung des Asylrechts entfällt hier das Strafbedürfnis wegen der unerlaubten Einreise und Art 31 Genfer Flüchtlingskonvention greift als persönlicher Strafaufhebungsgrund (BGH NStZ 1999, 409, 410) ein. Die Strafbarkeit von Begleitdelikten nach § 267 StGB bleibt allerdings unberührt (Senge in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, AufenthG - Stand: März 2008 - § 95 Rdn. 25 m.w.N.).

Es liegt nicht im Schutzbereich des Artikels 31 Genfer Flüchtlingskonvention kriminellem Tun Vorschub zu leisten, wie es bei dem Gebrauch von falschen Papieren, die entgeltlich von Schleusern erworben wurden, der Fall ist. Artikel 31 Abs. 1 soll lediglich die Pönalisierung des Grenzübertr...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge