Entscheidungsstichwort (Thema)

AGB-Klausel über Freistellung von Insolvenzverwalter-Inanspruchnahme

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine Klausel in einem Kauf- und Übertragungsvertrag über eine Freistellung von der künftigen Inanspruchnahme durch einen Insolvenzverwalter über das Vermögen einer Beteiligungs-Kommanditgesellschaft in AGB ist eine überraschende Klausel und wird daher nicht Vertragsbestandteil. Ein solcher Freistellungsanspruch ist eine teilweise Abweichung von der getroffenen Vereinbarung, nach der die Anteilsübertragung im Wege der Sonderrechtsnachfolge erfolgen soll. Denn bei einer Sonderrechtsnachfolge soll der Erwerber bezüglich des übertragenen Vermögensgegenstands vollumfänglich in die Rechtsposition des Veräußerers einrücken. (Rn. 14)

2. Es ist davon auszugehen, dass bei einer Verlagerung der Freistellungsvereinbarung in die AGB der Verwender der AGB bezweckt, gegenüber dem Verkäufer das Risiko einer möglichen Inanspruchnahme auf Freistellung (hier: wegen von ihm vereinnahmten Ausschüttungen) zu verschleiern.(Rn. 23)

 

Normenkette

BGB § 257 S. 1, § 305c Abs. 1; HGB § 171 Abs. 1, § 172 Abs. 4 S. 1

 

Verfahrensgang

LG Traunstein (Urteil vom 23.01.2019; Aktenzeichen 5 O 581/18)

 

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Endurteil des Landgerichts Traunstein vom 23.01.2019, Az.: 5 O 581/18, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis einschließlich 16.05.2019.

 

Gründe

Der Senat ist einstimmig der Auffassung, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert. Auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung ist nicht geboten.

Gemäß § 513 Abs. 1 ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung im Sinne von § 546 ZPO beruht oder nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Dies zeigt die Berufungsbegründung nicht auf.

Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass der Beklagte aus dem Kauf- und Übertragungsvertrag vom 16./19.05.2008 (Anlage K 1) verpflichtet ist, sie von der künftigen Inanspruchnahme seitens des Insolvenzverwalters über das Vermögen der Beteiligungs-Kommanditgesellschaft MS "N.T. E." Schifffahrtsgesellschaft mbH & Co. (im Folgenden: Schuldnerin auf Rückzahlung der vom Beklagten bis zum 19.05.2008 vereinnahmten und eine Haftung der Klägerin nach § 172 Abs. 4 HGB begründenden Auszahlungen von bis zu 7.050,00 EUR freizustellen. Das Landgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht - allerdings mit einer nicht tragfähigen Begründung - abgewiesen.

1. Das Landgericht hätte die Zulässigkeit der Klage nicht dahinstehen lassen dürfen. Während eine Abweisung der Klage als unzulässig keine Entscheidung über den mit der Klage erhobenen Anspruch beinhaltet, ist die Abweisung der Klage als unbegründet der materiellen Rechtskraft fähig (§ 322 Abs. 1 ZPO).

Die erhobene Feststellungsklage ist unzulässig, weil der Klägerin im Hinblick auf den Vorrang der Leistungsklage das von § 256 Abs. 1 ZPO vorausgesetzte Feststellungsinteresse fehlt. Sie kann ihren Freistellungsanspruch beziffern und deshalb gegen den Beklagten eine auf Befreiung von der Inanspruchnahme seitens des Insolvenzverwalters über das Vermögen der Schuldnerin in Höhe eines Betrages von bis zu 7.050,00 EUR gerichtete Leistungsklage erheben. Ein Freistellungsanspruch entsteht nicht erst dann, wenn der Gläubiger seinerseits auf Erfüllung der Verbindlichkeit, von der zu befreien ist, in Anspruch genommen wird (arg. e § 257 Satz 2 BGB).

2. Ein etwaiger vertraglicher Freistellungsanspruch der Klägerin wäre entgegen der Ansicht des Landgerichts auch nicht verjährt.

a) Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung können die zu Fälligkeit und Verjährung eines gesetzlichen Freistellungsanspruchs aus § 257 Satz 1 BGB entwickelten Grundsätze nicht ohne Weiteres auf einen vertraglichen Befreiungsanspruch - wie er im vorliegenden Fall von der Klägerin geltend gemacht wird - übertragen werden (BGH, Urteil vom 11.04.1984 - VIII ZR 302/82, Rn. 44, zit. nach juris, BGHZ 91, 73).

Werden diejenigen Verbindlichkeiten, von denen freizustellen ist, erst künftig fällig oder sind sie sogar nach Entstehung und Höhe noch ungewiss, sind die Interessen von Befreiungsgläubiger und -schuldner hinsichtlich der Fälligkeit des Befreiungsanspruchs regelmäßig unterschiedlich: Der Befreiungsgläubiger wird daran interessiert sein, sofort auch von später entstehenden Forderungen entlastet zu werden, um künftige Auseinandersetzungen über Bestand und Höhe der Drittforderungen zu vermeiden und vor allem dem Risiko einer späteren Insolvenz des Befreiungsschuldners zu entgehen. Der Befreiungsschuldner hat dagegen ein Interesse daran, seine liquiden Mittel zu erhalten und nicht vor Fälligkeit der Drittforderungen durch dere...

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