Entscheidungsstichwort (Thema)

Verkauf eines Kommanditanteils an einer Fondsgesellschaft: Fälligkeit und Verjährung von Freistellungsansprüchen gegen den Verkäufer hinsichtlich der Kommanditistenhaftung; Wirksamkeit einer Freistellungsklausel; Darlegungs- und Beweislast zu Höhe und Erforderlichkeit der Inanspruchnahme des Kommanditisten

 

Leitsatz (amtlich)

1. Haben die Parteien beim Verkauf einer Kommanditbeteiligung an einer Fondsgesellschaft vereinbart, dass der Verkäufer den Käufer von einer möglichen Inanspruchnahme nach §§ 171, 172 Abs. 4 HGB freizustellen hat, ist mangels anderweitiger Vereinbarung oder Anhaltspunkte davon auszugehen, dass die Verjährung des Freistellungsanspruchs ab dem Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung und der damit verbundenen Kenntnis des Käufers von der absehbaren Inanspruchnahme durch den Insolvenzverwalters beginnt. (Rn. 45)

2. § 159 Abs. 1 HGB ist weder auf den gesetzlichen Befreiungsanspruch des Treuhandkommanditisten gegen den Treugeber aus § 257 Satz 1 BGB noch auf den vorliegenden vertraglichen Befreiungsanspruch anwendbar (vergleiche BGH, 26. Juni 2012, II ZR 223/11). (Rn. 52)

3. Die Freistellungsvereinbarung

"Käufer und Verkäufer vereinbaren hiermit, dass der Verkäufer auch zukünftig für die Beträge einsteht, welche durch die Beteiligungsgesellschaft an ihn in seiner Eigenschaft als Kommanditist geleistet wurden, und dem so genannten 'Wiederaufleben der Haftung' nach § 172 Abs. 4 HGB unterliegen. Der Regelung des § 172 Abs. 4 HGB unterliegen Leistungen, insbesondere also Auszahlungen der Gesellschaft, die als Rückzahlungen der Kommanditeinlage oder als eine Gewinnentnahme bei vermindertem Kapitalkonto anzusehen sind."

stellt keine überraschende Klausel nach § 305c Abs. 1 BGB dar und hält der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB insgesamt stand. (Rn. 60)

4. Der Käufer als Freistellungsgläubiger ist darlegungs- und beweispflichtig dafür, dass er einer berechtigten Inanspruchnahme durch den Insolvenzverwalter nach §§ 171, 172 Abs. 4 HGB ausgesetzt ist (Anschluss BGH, 26. März 2019, II ZR 413/18, ZIP 2019, 965).(Rn. 68)

5. Der Käufer hat bezüglich der Erforderlichkeit seiner Inanspruchnahme diejenigen Tatsachen vorzutragen, die der ausgeschiedene Verkäufer nicht kennt und von denen er sich im Gegensatz zum Käufer mangels eines Auskunftsanspruchs gegen die Fondsgesellschaft bzw. den Insolvenzverwalter auch nicht ohne Weiteres Kenntnis verschaffen kann.(Rn. 72)

 

Normenkette

BGB § 199 Abs. 1 Nr. 2, § 257 S. 1, § 305c Abs. 1, § 307; HGB § 171

 

Verfahrensgang

LG Traunstein (Urteil vom 26.09.2018; Aktenzeichen 5 O 483/18)

LG Traunstein (Urteil vom 28.03.2018; Aktenzeichen 5 O 483/18)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Endurteil des Landgerichts Traunstein vom 26.09.2018, Az.: 5 O 483/18, aufgehoben.

Das Versäumnisurteil des Landgerichts Traunstein vom 28.03.2018, Az.: 5 O 483/18, wird aufrechterhalten.

II. Die Widerklage wird abgewiesen.

III. Die weiteren Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte kann die Vollstreckung abwenden,

1. hinsichtlich des unter Ziffer 1 des vorgenannten Versäumnisurteils des Landgerichts Traunstein vom 28.03.2018 titulierten Freistellungsanspruchs durch Sicherheitsleistung in Höhe von 20.000 EUR, falls nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet,

2. im Übrigen durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages, falls nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin nimmt den Beklagten als Verkäufer einer Kommanditbeteiligung an der R. S. Schifffahrtsgesellschaft mbH & Co. KG "MS K. S." (im Folgenden: Fondsgesellschaft) auf Freistellung von der Inanspruchnahme durch den Insolvenzverwalter über das Vermögen der Fondsgesellschaft in Höhe der vom Beklagten vereinnahmten, nicht durch Gewinne der Fondsgesellschaft gedeckten Ausschüttungen in Höhe von 18.400,00 EUR in Anspruch. Mit seiner in zweiter Instanz erhobenen Widerklage begehrt der Beklagte von der Klägerin Auskunft über Inhalt, Umfang und Umsetzung eines im Oktober 2012 angekündigten Finanzierungskonzepts zur Behebung einer angespannten Liquiditätslage der Fondsgesellschaft.

Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Endurteils des Landgerichts Traunstein vom 26.09.2018 Bezug genommen.

Das Landgericht hatte der Klage zunächst mit Versäumnisurteil vom 28.03.2018, dem Beklagten zugestellt am 11.04.2018, in vollem Umfang stattgegeben. Auf den Einspruch des Beklagten vom 25.04.2018, eingegangen am selben Tage, hat es mit Endurteil vom 26.09.2018 das von ihm erlassene Versäumnisurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Zur Begründung dieser Entscheidung hat es im Wesentlichen ausgeführt, ein etwaiger Befreiungsanspruch der Klägerin sei jedenfalls verjährt, weshalb dahinstehen könne, ob ein solcher Anspruch bestehe. Die dreijährige ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?