Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtliche Vaterschaft bezüglich einer Person mit Varianten der Geschlechtsentwicklung
Leitsatz (amtlich)
1. Das vorliegende Verfahren, in dem es zu klären gilt, ob eine Person, deren Geschlechtsangabe nach § 45b in Verbindung mit § 22 Abs. 3 PstG offen gelassen wurde, aufgrund des § 1592 Nr. 1 oder Nr. 2 BGB als Vater eines Kindes in das Geburtenregister eingetragen werden kann, wird bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Richtervorlage des OLG Celle, welches § 1592 BGB für verfassungswidrig hält, wegen Vorgreiflichkeit ausgesetzt.
2. Der Senat stimmt mit der Auffassung des Bundesgerichtshofs überein, dass die Ehefrau der Mutter nicht mit der Geburt des Kindes dessen Mit-Elternteil wird (BGH, Beschluss vom 10. Oktober 2018 - XIl ZB 231/18).
3. Der Senat folgt der Auffassung des OLG Celle, dass eine verfassungsrechtliche Handlungspflicht des Gesetzgebers besteht, die Elternstellung für solche Mit-Eltern gesetzlich zu begründen und näher auszugestalten. Aufgrund dieser verfassungsrechtlichen Beurteilung sah sich das OLG Celle nach Art. 100 Abs. 1 GG verpflichtet, das Verfahren auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung über die Verfassungswidrigkeit vorzulegen (OLG Celle, Beschluss vom 24. März 2021 - 21 UF 146/20).
4. Sollte die Vorschrift des Paragrafen 1592 BGB tatsächlich verfassungswidrig sein, müssten nicht nur gleichgeschlechtliche Partner einer Mutter bzw. eines Vaters die Rechte und Pflichten des 2. Elternteils mit der Geburt des Kindes von Gesetzes wegen erlangen. Auch Personen ohne Geschlecht müssten eine solche Stellung des Elternteils mit der Geburt des Kindes erlangen können.
Normenkette
BGB § 1592 Nrn. 1-2; FamFG § 21; GG Art. 6; PStG § 22 Abs. 3, § 45b
Tenor
Das Verfahren wird gemäß § 21 Abs. 1 FamFG ausgesetzt.
Gründe
Das Verfahren ist bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Richtervorlage des OLG Celle, welches § 1592 BGB für verfassungswidrig hält, auszusetzen. Denn diese Entscheidung ist gemäß § 21 Abs. 1 FamFG vorgreiflich.
Der 21. Zivilsenat des Oberlandesgericht Celle hält die gesetzliche Regelung des Abstammungsrechts in § 1592 BGB für verfassungswidrig, wonach die gleichgeschlechtliche Partnerin einer Mutter die Rechte und Pflichten des zweiten Elternteils nicht von Gesetzes wegen mit der Geburt des Kindes, sondern allenfalls über eine Adoption erlangen kann. Er legt das Verfahren dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe zur Entscheidung dieser verfassungsrechtlichen Frage vor.
Die Antragstellerinnen des vor dem OLG Celle geführten Verfahrens leben in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft und sind zwischenzeitlich verheiratet. Eine der beiden Partnerinnen wurde mittels einer grundsätzlich anonymen Keimzellenspende schwanger. Die andere Partnerin erkannte vor der Geburt des Kindes in einer notariell beurkundeten Erklärung an, "Mit-Mutter" zu sein. Sie bekräftigte dort, "dass sie unbedingt, uneingeschränkt und von Geburt an die Eltern-Verantwortung für das Kind (...) übernehmen" wolle. Die Erklärung diene der Absicherung des Kindes.
Nach der Geburt lehnten das zuständige Standesamt und das Amtsgericht Hildesheim es unter Verweis auf die geltende Rechtslage ab, diese "Mit-Mutterschaft" festzustellen. Hiergegen haben sich die Antragstellerinnen mit der Beschwerde an das Oberlandesgericht gewandt. Sie wollen damit erreichen, dass die Ehefrau der Mutter als "Mit-Mutter" rechtlich anerkannt wird.
Der zuständige 21. Zivilsenat des Oberlandesgerichts hat mit Beschluss vom 24. März 2021 (21 UF 146/20) zunächst aufgezeigt, dass diese begehrte Feststellung nach der geltenden Gesetzeslage nicht getroffen werden kann. Nach § 1591 BGB ist Mutter eines Kindes die Frau, die das Kind geboren hat. Nach § 1592 BGB ist Vater eines Kindes der Mann, der mit der Mutter verheiratet ist, der die Vaterschaft anerkannt hat oder dessen Vaterschaft gerichtlich festgestellt ist. Auf die Ehefrau der Mutter können diese Grundsätze trotz der zwischenzeitlich erfolgten Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften und Ehen nicht übertragen werden. Diese Regelung basiere gemeinsam mit der Möglichkeit der Vaterschaftsanfechtung vielmehr auf der grundlegenden gesetzlichen Wertung, dass der rechtliche Vater mit dem Kind genetisch verwandt ist. Diese genetische Verwandtschaft fehlt der "Mit-Mutter". Darüber hinaus habe der Gesetzgeber bewusst davon abgesehen, mit der Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe auch die abstammungsrechtlichen Fragen neu zu regeln. An diese gesetzgeberische Entscheidung seien die Gerichte gebunden und dürften sie nicht durch ihre eigenen Gerechtigkeitsvorstellungen ersetzen. Insoweit stimmt der Senat mit der Auffassung des Bundesgerichtshofs überein, der kürzlich in einem vergleichbaren Fall entschieden hat, dass die Ehefrau der Mutter nicht mit der Geburt des Kindes dessen Mit-Elternteil wird (BGH, Beschluss vom 10. Oktober 2018 - XII ZB 231/18).
Im Gegensatz zu der Auffassung des Bundesgerichtshofs geht...