Leitsatz (amtlich)
Keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Feststellung der Vaterschaft gegen den Willen der mit einer Frau verheirateten Mutter bei Zeugung eines Kindes mittels Samenspende (sog. Becherspende).
Normenkette
BGB § 1592 Nr. 1, § 1600d Abs. 4
Verfahrensgang
AG Hechingen (Beschluss vom 18.01.2022; Aktenzeichen 2 F 123/20) |
Tenor
1. Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Hechingen vom 18.1.2022 (2 F 123/20) wird
zurückgewiesen.
2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Beschwerdewert: 2.000 EUR
Gründe
I. Die Antragsgegnerin wendet sich gegen einen Beschluss des Amtsgerichts Hechingen vom 18.1.2022 durch den der Antragsteller als Vater ihres Sohnes ... (geb. ...) festgestellt wurde.
Die Antragsgegnerin und ihre jetzige Ehefrau ... lebten seit 2009 in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft und schlossen im Jahr 2018 durch Umwandlung dieser Lebenspartnerschaft die Ehe. Am ... gebar die Antragsgegnerin ihren Sohn ....
Mitte 2018 fassten der Antragsteller, die Antragsgegnerin und deren Ehefrau den Entschluss, mittels einer Samenspende des Antragstellers ein Kind zu zeugen. Bei einem Treffen im Januar 2019 übergab der Antragsteller der Antragsgegnerin in einem Becher eine Samenspende.
Die Beteiligten waren sich einig, dass das Kind bei der Antragsgegnerin und deren Ehefrau aufwachsen sollte. Welche weiteren Absprachen getroffen wurden, ist streitig. Der Antragsteller behauptet, dass vereinbart worden sei, dass er die Vaterschaft anerkennen und die Vaterrolle übernehmen solle. Nach der Geburt habe sich die Meinung der Antragsgegnerin geändert und sie habe die Adoption des Kindes durch ihre Ehefrau angestrebt. Die Antragsgegnerin hingegen trägt vor, dass klar abgesprochen gewesen sei, dass ihre Ehefrau das Kind adoptieren werde.
Der Antragsteller hat .... nur bis Januar 2020 einige Male gesehen. Seither stellen sich die Antragsgegnerin und deren Ehefrau gegen einen Kontakt des Antragstellers zu dem Jungen. Der Antragsteller hat einen Umgangsantrag gestellt, der vom Familiengericht in einem separaten Verfahren geführt wird. Außerdem ist beim Familiengericht ein Verfahren auf Ersetzung der Einwilligung des Antragstellers zur Adoption anhängig.
Das Familiengericht hat ein DNA-Abstammungsgutachten bei Dr. ... eingeholt und gestützt auf das Ergebnis dieses Gutachtens durch Beschluss vom 25.02.2021 die Vaterschaft des Antragstellers festgestellt. Da das Kind im Verfahren nicht vertreten war, hob der Senat auf die Beschwerde der Antragsgegnerin die erstinstanzliche Entscheidung durch Beschluss vom 07.06.2021 (11 UF 78/21) auf und verwies das Verfahren zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurück.
Nach Bestellung einer Verfahrensbeiständin und Anhörung der Beteiligten stellte das Familiengericht durch Beschluss vom 18.01.2022 die Vaterschaft des Antragstellers fest, wobei es der Antragsgegnerin die Gerichtskosten erster Instanz auferlegte und von der Erhebung der Kosten des Beschwerdeverfahrens und Erstattung außergerichtlicher Kosten absah. Das Familiengericht sah in Übereinstimmung mit einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 10.10.2018 (BGH XII ZB 231/18, BeckRS 2018, 26815, beck-online) keine verfassungs- oder konventionsrechtlichen Bedenken in Bezug auf die Rechtsgrundlage. Eine Aussetzung des Verfahrens sei auch im Hinblick auf eine laut Koalitionsvertrag der Bundesregierung beabsichtigte Gesetzesänderung nicht angezeigt.
Gegen den ihr am 25.01.2022 zugestellten Beschluss legte die Antragsgegnerin am 18.02.2022 beim Amtsgericht Beschwerde ein.
Die Antragsgegnerin beanstandet in formeller Hinsicht, dass das Familiengericht zwar eine Verfahrensbeiständin bestellt, das Kind aber nicht am Verfahren beteiligt habe. Tatsächlich werden im Rubrum der Entscheidung weder das Kind noch die Verfahrensbeiständin genannt. Es erfolgte eine Zustellung des Beschlusses an die Verfahrensbeiständin, nicht jedoch an die Antragsgegnerin als gesetzliche Vertreterin des Kindes. Auf die Nachfrage des Senats teilte der Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin mit, dass diese durch E-Mail vom 25.01.2022 Kenntnis vom Inhalt des erstinstanzlichen Beschlusses erhielt.
Im Übrigen wiederholt und vertieft die Antragsgegnerin ihr erstinstanzliches Vorbringen. Der Antrag sei bereits unzulässig, weil die gesetzliche Regelung gegen das Grundgesetz verstoße. Die Regelungen in §§ 1600d Abs. 1, 1592 Nr. 1 BGB, die eine Feststellung der Vaterschaft ermöglichten, wenn die Mutter in einer gleichgeschlechtlichen Ehe verheiratet sei, seien verfassungswidrig. Anders als ein mit der Mutter verheirateter Mann habe eine Ehefrau der Mutter keine Elternstellung und könne nur im Wege der Adoption Mit-Mutter werden. Dadurch seien die Grundrechte des Kindes und der Ehefrau aus Art. 3 Abs. 1 GG verletzt. Die Ungleichbehandlung von durch eine Becherspende gezeugten Kindern danach, ob sie in einer verschiedengeschlechtlichen oder gleichgeschlechtlichen Ehe d...