Entscheidungsstichwort (Thema)
Betäubungsmittelstrafrecht: Informations- und Abgrenzungsfunktion des Anklagesatzes, Beweiswürdigung bei Veräußerung von Betäubungsmitteln. Informations- und Abgrenzungsfunktion des Anklagesatzes. Beweiswürdigung bei unerlaubter Veräußerung von Betäubungsmitteln
Leitsatz (redaktionell)
1. Auch bei zum Teil ungenauen Angaben der Tatzeit ist die erforderliche Identität der Tat gegeben, wenn sie durch andere Umstände als die genaue Zeitangabe so genau konkretisiert wird, dass ihre Individualität und Unterscheidbarkeit von anderen Taten gewahrt ist. Dies ist hier gegeben, da die Art, die Menge und der Wirkstoff des verkauften Rauschgifts, dessen Preis, der Tatort und die beteiligten Personen genau bezeichnet sind.
2. Bestehende Lücken hinsichtlich des situationsbedingten Ablaufs des Rauschgiftgeschäfts und dessen genauen Tatorts fallen demgegenüber insbesondere bei Straftaten der Betäubungskriminalität wegen deren gleichförmigen Geschehensablaufs letztlich nicht ins Gewicht, da andernfalls die Strafverfolgung im Bereich der Verkäufe an den Endabnehmer nahezu ausgeschlossen wäre.
Verfahrensgang
LG Landshut (Urteil vom 19.01.2007) |
Tenor
I. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Landshut vom 19. Januar 2007 wird als unbegründet verworfen.
II. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revision hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO). Zur Begründung wird auf die zutreffende Stellungnahme der Staatsanwaltschaft bei dem Revisionsgericht in ihrer Antragsschrift vom 7.5.2007 Bezug genommen.
Ergänzend weist der Senat auf Folgendes hin:
1. Ein Verfahrenshindernis liegt nicht vor.
Aus dem Strafbefehl vom 7.10.2005 ergibt sich hinreichend deutlich, welche Taten dem Angeklagten zur Last gelegt werden. Übertriebene Anforderungen an die Konkretisierung der Tat dürfen hierbei nicht gestellt werden. Deshalb ist auch bei zum Teil ungenauen Angaben der Tatzeit, wie im vorliegenden Fall, die erforderliche Identität der Tat gegeben, wenn sie durch andere Umstände als die genaue Zeitangabe so genau konkretisiert wird, dass ihre Individualität und Unterscheidbarkeit von anderen Taten gewahrt ist. Dies ist hier gegeben, da die Art, die Menge und der Wirkstoff des verkauften Rauschgifts, dessen Preis, der Tatort und die beteiligten Personen genau bezeichnet sind.
2. Die Beweiswürdigung des Landgerichts hält rechtlicher Überprüfung stand.
a) Die Beweiswürdigung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters; das Revisionsgericht kann nicht eine eigene Bewertung der in der tatrichterlichen Hauptverhandlung erhobenen Beweisergebnisse vornehmen. Eingriffe durch das Revisionsgericht sind vielmehr nur dann zulässig und geboten, wenn die Beweiswürdigung des Tatrichters fehlerhaft ist, und das Urteil darauf beruht (BGH NStZ-RR 2006, 82 f.). Die Darstellung der Beweiswürdigung in den Urteilsgründen muss nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die wesentlichen Gesichtspunkte enthalten, auf welche der Tatrichter seine Überzeugung gestützt hat. Sie darf insbesondere nicht in sich widersprüchlich sein, keine Verstöße gegen Denkgesetze enthalten und nahe liegende abweichende Möglichkeiten der Beweiswürdigung erkennbar außer Betracht lassen (BGH aaO).
Ohne Erfolg rügt die Revision, die von dem Polizeibeamten KHK H wiedergegebenen Angaben des Zeugen Sch vom 27.12.2004 und vom 21.9.2005 seien bereits wegen deren Detailarmut sowie wegen fehlender Individualität und Verflechtung in einen äußeren, nachprüfbaren Sachverhalt wenig glaubhaft. Die Aussage umfasst die beteiligten Personen, den Wohnort eines der Beteiligten, Art und Menge des verkauften Rauschgifts, den Kaufpreis sowie den Tatzeitraum; lediglich Angaben zum Tatort fehlen. Bestehende Lücken hinsichtlich des situationsbedingten Ablaufs des Rauschgiftgeschäfts und dessen genauen Tatorts fallen demgegenüber insbesondere bei Straftaten der Betäubungskriminalität wegen deren gleichförmigen Geschehensablaufs letztlich nicht ins Gewicht, da andernfalls die Strafverfolgung im Bereich der Verkäufe an den Endabnehmer nahezu ausgeschlossen wäre (vgl. BGHSt 40, 44/48; OLG Hamm
StraFo 2001, 92f; OLG München Beschluss vom 19.4.2007 - 4 St RR 59/07).
Keinen Erfolg hat die Revision auch mit der Rüge, die Strafkammer habe sich nicht mit der Aussagekonstanz des Zeugen Sch, insbesondere mit dessen Aussage vor dem Amtgericht Landshut, mit der er den Angeklagten entlastete, auseinandergesetzt. Hierfür bestand im vorliegenden Fall für das Landgericht keine Veranlassung, da der Zeuge nach dieser entlastenden Aussage u.a. für das in Frage stehende Rauschgiftgeschäft selbst rechtskräftig verurteilt wurde (BU S. 15) und er nach dieser Verurteilung seiner Rechtsanwältin, die er aufgesucht hatte, um sich nach einer Möglichkeit zu erkundigen, seine Aussage hinsichtlich des Angeklagten zu “relativieren„, erklärt hatte, seine bisherigen Angaben seien vollumfänglich ...