Leitsatz (amtlich)
1. Zu den Voraussetzungen der Löschung einer vor dem 1.1.1900 entstandenen und im Grundbuch eingetragenen altrechtlichen Verfügungsbeschränkung.
2. Der Umstand, dass die im Grundbuch vermerkte notarielle Urkunde gegenwärtig nicht auffindbar ist, die die gegenüber einem Berechtigten eingegangenen Verpflichtungen beschreibt, in die ein Erwerber des Grundstücks einzutreten hat, erlaubt jedenfalls im Antragsverfahren nicht die Löschung der Belastung.
Normenkette
BGB § 137; EGBGB Art. 168; EGBGB § 184 S. 1; GBO §§ 22, 53 Abs. 1 S. 2, § § 84 f.
Verfahrensgang
AG München - Grundbuchamt (Beschluss vom 19.12.2014) |
Tenor
I. Die Beschwerde der Beteiligten gegen den Beschluss des AG München - Grundbuchamt - vom 19.12.2014 wird zurückgewiesen.
II. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 5.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Beteiligte hat Grundbesitz mit Auflassung vom 21.2.2014 und Eintragung vom 19.12.2014 erworben, darunter das mit FlSt 2240 bezeichnete Grundstück, an dem in der Zweiten Abteilung folgende Belastung eingetragen ist:
Das Grundstück darf nur an jemand veräußert werden, der in die seitens der früheren Besitzerin gegenüber der Landeshauptstadt M. nach Maßgabe der Urk. d. k. Notars H. Nr. 2107 vom 24.08.1898 eingegangenen Verpflichtungen in der betreffenden Erwerbsurkunde ausdrücklich eintritt; eingetragen am 16.01.1899 und hierher von Bl ... übertragen am 19.12.2014.
In der Erwerbsurkunde vom 21.2.2014 findet sich folgende Feststellung:
Der Notar hat - erfolglos - versucht, beim Grundbuchamt oder beim Staatsarchiv eine Kopie der Eintragungsbewilligung zu erhalten. Der Grundbuchbote hat festgestellt, dass die Grundakten nur für die Zeit bis Kriegsende 1945 zurückgehen. Das Bay. Staatsarchiv hat mit Schreiben vom 17.12.2013 insbesondere mitgeteilt, dass die Urkunde im Bestand fehlt und es keinen Hinweis auf den möglichen Verbleib geben könne(n).
Er (hat) darauf hingewiesen, dass diese Belastung wegen ihrer Bedeutung als Verkaufsverbot möglicherweise seit Einführung des BGB nichtig ist, § 137 BGB.
Er hat angeregt, dass sich die Beteiligten die Eintragungsbewilligung beschaffen, hilfsweise sich mit der Stadt M. in Verbindung setzen.
Die Beteiligte hat mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 9.10.2014 beantragt, die Eintragung ersatzlos zu löschen, und zwar wegen Nichtigkeit (§ 137 BGB) sowie deswegen, weil die eingegangene Verpflichtung nicht mehr bestimmbar sei. Das Grundbuchamt hat mit Beschluss vom 19.12.2014 den Antrag zurückgewiesen. Die in den Grundakten fehlende Eintragungsbewilligung könne nicht zur Löschung des Rechts führen. In der Regel lasse sich die Urkunde über Staatsarchiv, Notararchiv oder den Berechtigten, wenn auch aufwändig, wiederfinden. Ob das Recht ohne die weiteren Angaben in der Urkunde so unbestimmt sei, dass es gelöscht werden könne, erscheine fraglich.
Derartige Veräußerungsverbote seien nach heutigem Stand eher als eine Art Dienstbarkeit zu verstehen. Auch für das Grundbuchamt gelte das Grundbuch als richtig, d.h. es sei zu unterstellen, dass das Recht seinerzeit zulässigerweise eingetragen bzw. umgeschrieben wurde. Altrechtliche Rechte verlören ihre Gültigkeit nicht bereits dadurch, dass sie gegebenenfalls heute nicht mehr so eingetragen werden könnten.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Beteiligten vom 13.1.2015, der das Grundbuchamt nicht abgeholfen hat. Zur Begründung des Rechtsmittels wird weiter die Auffassung vertreten, dass die Bewilligung "endgültig" fehle, die eingetragene Belastung schlichtweg gegenstandslos und zudem als Veräußerungsverbot nichtig sei. Anfragen an die aus der eingetragenen Belastung Berechtigte seien bislang ohne abschließende Reaktion geblieben.
II. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
1. Gegen die Antragszurückweisung ist die Grundbuchbeschwerde nach § 11 Abs. 1 RPflG, § 71 Abs. 1 GBO zulässig (vgl. § 73 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 GBO; § 10 Abs. 2 Satz 1, § 11 FamFG); insbesondere ist die Beteiligte auch beschwerdeberechtigt, weil sie jedenfalls im Zeitpunkt der Rechtsmitteleinlegung im Grundbuch als Eigentümerin eingetragen war. Geltend macht die Beteiligte ersichtlich die nachträgliche Unrichtigkeit des Grundbuchs, nämlich entweder dadurch, dass mit In-Kraft-Treten des BGB die eingetragene Belastung ohnehin unwirksam geworden sei, oder dadurch, dass sie wegen Unauffindbarkeit der in dem Eintrag bezeichneten Urkunde mit den daraus ersichtlichen Verpflichtungen nicht mehr bestimmbar sei. Mit diesem Ziel unterliegt auch die gegen die abgelehnte Löschung eingelegte Beschwerde keinen Beschränkungen (vgl. BayObLG FGPrax 1998, 164/165; Demharter GBO 29. Aufl. § 71 Rn. 30; Meikel/Schmidt-Räntsch GBO 11. Aufl. § 71 Rn. 75; zweifelnd Hügel/Kramer GBO 2. Aufl. § 71 Rn. 166).
2. Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Die Beteiligte hat nach § 22 GBO keinen Berichtigungsanspruch.
a) Berichtigt werden kann das Grundbuch durch die Vornahme der in diesem Fall beantragten ersatzlosen Löschung der mitübertragenen Veräußerungsbeschränkung (Demharter ...