Entscheidungsstichwort (Thema)

faires Verfahrens. Öffentlichkeit. Corona-Pandemie. COVID-19. Untersuchungshaft. Gesundheitsgefahr. Sicherungsmaßnahmen. Beschwerde. Statthaftigkeit

 

Normenkette

Bayerische Verordnung über eine vorläufige Ausgangsbeschränkung anlässlich der Corona-Pandemie § 1 Abs. 4 Fassung: 2020-03-24; StPO § 305 S. 1

 

Verfahrensgang

AG München (Entscheidung vom 04.01.2017)

LG München II (Entscheidung vom 26.03.2020; Aktenzeichen 1 J KLs 28 Js 12509/19 jug)

LG München II (Entscheidung vom 25.03.2020; Aktenzeichen 1 J KLs 28 Js 12509/19 jug)

LG München II (Entscheidung vom 27.03.2020; Aktenzeichen 1 J KLs 28 Js 12509/19 jug)

 

Tenor

  • I.

    Die Beschwerde des Angeklagten R... V... N... gegen die Sicherungsverfügung der Vorsitzenden der 1. Jugendkammer des Landgerichts München II vom 25.03.2020 wird als unzulässig verworfen.

  • II.

    Die Beschwerde des Angeklagten R... V... No... gegen die Verfügung der Vorsitzenden der 1. Jugendkammer des Landgerichts München II vom 26.03.2020 wird als unzulässig verworfen.

  • III.

    Der Angeklagte hat die Kosten seiner Rechtsmittel zu tragen.

 

Gründe

I.

Der Angeklagte R... V... N... befindet sich in dieser Sache aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts München vom 04.01.2017, eröffnet am 19.07.2017, seit 27.03.2019 in Untersuchungshaft. Zuvor befand er sich nach Überstellung aus Slowenien vom 08.11.2016 bis 26.03.2019 zur Vollstreckung mehrerer Freiheitsstrafen in Strafhaft.

Der Senat hat mit Beschluss vom 19.07.2019 die Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss des Amtsgerichts München vom 19.07.2017, mit dem der Haftbefehl vom 04.01.2017 in Vollzug gesetzt wurde, als unbegründet verworfen mit der Maßgabe, dass der Angeklagte des versuchten besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in zwei tateinheitlichen Fällen dringend verdächtig ist (Az.: 2 Ws 744/19).

Mit weiterem Beschluss vom 11.03.2020 hat der Senat die Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss des Landgerichts München II vom 11.02.2020, mit dem den Antrag des Angeklagten vom 10.02.2020 auf Aufhebung des Haftbefehls vom 04.01.2017, hilfsweise dessen Außervollzugsetzung, zurückgewiesen wurde, als unbegründet verworfen.

Die Hauptverhandlung gegen den Angeklagten begann am 13.08.2019 und dauert weiter an; am 11.03.2020 fand der 24. Verhandlungstag statt. Weitere Termine sind auf 30.03., 02.04. und 03.04.2020 bestimmt.

Mit Verteidigerschriftsatz vom 24.03.2020 beantragte der Angeklagte u.a., das Verfahren wegen der mit der Corona-Pandemie verbundenen Gesundheitsgefahren auszusetzen und die anberaumten Termine abzusetzen.

Am 25.03.2020 erließ die stellvertretende Vorsitzende der 1. Jugendkammer eine Sicherungsverfügung, um die Durchführung der ab dem 30.03.2020 anberaumten weiteren Hauptverhandlungstermine mit den durch die Corona-Pandemie erforderlichen Sicherungsmaßnahmen zum Gesundheitsschutz aller Beteiligten zu sichern. Insbesondere wurde angeordnet, dass Zuhörer und Medienvertreter/Journalisten jeweils erst 10 Minuten vor Beginn der Sitzung Einlass in den Sitzungssaal erhalten (Ziff. I. d), während der Sitzungspausen, die für länger als 10 Minuten angeordnet werden, den Sitzungssaal zu verlassen haben (Ziff. I. e) und im Zuhörerraum voneinander einen Abstand von 2,0 m zu halten haben, so dass insgesamt für die Öffentlichkeit vier Plätze zur Verfügung stehen (Ziff. I. f).

Hiergegen legt der Angeklagte mit Verteidigerschriftsatz vom 26.03.2020 Beschwerde ein und macht insbesondere eine Verletzung des Grundsatzes des fairen Verfahrens und der Öffentlichkeit der Hauptverhandlung geltend. Zudem drohe im Rahmen der Hauptverhandlung eine gegen Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verstoßende Gesundheitsgefahr durch die Infektion mit dem Corona-Virus. Die angeordneten Sicherungsmaßnahmen seien nicht ausreichend, erforderlich sei zum Schutz der Gesundheit ein absolutes Kontaktverbot.

1. Mit Verfügung vom 26.03.2020 teilte die stellvertretende Vorsitzende der 1. Jugendkammer dem Verteidiger Rechtsanwalt Dr. A... auf seinen Schriftsatz vom 24.03.2020 u.a. mit, dass der Termin vom 30.03.2020 nach derzeitigem Stand stattfinden werde. Auch unter Berücksichtigung der Bayerischen Verordnung über eine vorläufige Ausgangsbeschränkung anlässlich der Corona-Pandemie vom 24.03.2020 (BayMBl. 2020 Nr. 130) und der vorausgegangenen Allgemeinverfügung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 20. März 2020 sollten trotz der erforderlichen Einschränkungen zur Wahrung des Beschleunigungsgrundsatzes vor allem die bereits lang andauernden Haftstrafsachen weiterverhandelt werden. Die Justiz sei nach Kräften darum bemüht, im Rahmen der Vorgaben das Mögliche zum Gesundheitsschutz aller an den Verfahren beteiligten Personen zu tun. Neben dem in der Sicherungsverfügung vom 25.03.2020 angeordneten Sicherheitsabstand von 2 m werde der Sitzungssaal vor Beginn der Sitzung auch mit Mitteln desinfizierender Wirkung gereinigt. Darüber hinaus seien zwischenzeitlich alle Personen, die das Gebäude betreten, verpflichtet...

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