Leitsatz (amtlich)
1. Bei einer durch formwechselnde Umwandlung gegründeten, dualistisch aufgebauten Europäischen Gesellschaft (SE) richtet sich die im Rahmen eines gerichtlichen Statusverfahrens nach §§ 98, 99 AktG festzulegende Zusammensetzung des Aufsichtsorgans danach, wie der Aufsichtsrat vor der Umwandlung richtigerweise zusammenzusetzen war.
2. Diese Anknüpfung an den rechtlich gebotenen Soll-Zustand gilt grundsätzlich nicht nur bei Anwendung der Auffangregelung über die Mitbestimmung kraft Gesetzes (§§ 34 ff. SEBG), sondern auch in Konstellationen, in denen eine Vereinbarung über die Beteiligung der Arbeitnehmer i.S.d. § 21 SEBG geschlossen wurde.
. Sofern vor der Eintragung der durch Umwandlung gegründeten SE in das Handelsregister ein gerichtliches Statusverfahren noch nicht eingeleitet wurde, gilt dies jedoch nur, wenn und soweit im Zeitpunkt der Umwandlung ein solches jedenfalls hätte eingeleitet werden können. Dazu muss schon zum damaligen Zeitpunkt Streit oder Ungewissheit i.S.d. § 98 Abs. 1 AktG bestanden haben.
Normenkette
AktG § 97 ff.; SEBG §§ 21, 35
Verfahrensgang
LG München I (Aktenzeichen 38 O 15760/17) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Landgerichts München I vom 26.06.2018 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen.
2. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf EUR 50.000,00 festgesetzt.
3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
A. Die Beteiligten streiten über die rechtmäßige Zusammensetzung des Aufsichtsrats der Antragsgegnerin nach deren Umwandlung in eine SE.
Die börsennotierte Antragsgegnerin wurde bis ins Jahr 2015 in der Rechtsform einer deutschen Aktiengesellschaft betrieben. Ihr Aufsichtsrat setzte sich bis dato ausschließlich aus Vertretern der Anteilseigner zusammen.
Die Antragsgegnerin war und ist als geschäftsleitende, selbst nicht operativ tätige Holding eines international agierenden Medienkonzerns tätig, der bereits im Jahr 2015 im Gesamtkonzern allein in Deutschland mehr als 2.000 Arbeitnehmer beschäftigte.
Aufgrund eines Umwandlungsplans vom 09.03.2015 wurde die Antragsgegnerin in eine dualistisch organisierte europäische SE umgewandelt, die Eintragung erfolgte am 07.07.2015. Im Vorfeld der Umwandlung schlossen die AG und das besondere Verhandlungsgremium am 27.02.2015 eine Beteiligungsvereinbarung (Anl. AG 2), die in § 24 - Mitbestimmung - wie folgt lautet: "Eine Mitbestimmung in Aufsichts- oder Verwaltungsorganen der Gesellschaft findet nicht statt."
Der Antragsteller ist Aktionär der Antragsgegnerin. In den vergangenen Jahren hat er deutschlandweit mehrere Statusverfahren betrieben. Allein beim erkennenden Senat waren parallel drei vom Antragsteller initiierte Statusverfahren, die die Umwandlung in eine SE betrafen, anhängig (31 Wx 278/18, 31 Wx 279/18 und 31 Wx 280/18).
Mit Antrag vom 01.11.2017 (Bl. 1/3 d.A.) begehrte der Antragsteller im vorliegenden Fall eine gerichtliche Entscheidung über die Zusammensetzung des Aufsichtsrats der Antragsgegnerin nach § 98 AktG. Das Landgericht hat mit Verfügung vom 03.11.2017 (Bl. 4 d.A.) die Veröffentlichung des Antrags im Bundesanzeiger veranlasst und den Betriebsrat der Antragsgegnerin angehört, sowie den Beteiligten mehrere Fristen zur Erwiderung, Replik und Duplik gewährt. Eine mündliche Verhandlung hat nicht stattgefunden.
Mit Beschluss vom 26.06.2018 (Bl. 59/68 d.A.), dem Antragsteller zugestellt am 02.07.2018 und im Bundesanzeiger veröffentlicht am 18.07.2018, hat das Landgericht den Antrag abgewiesen und der Antragsgegnerin die Gerichtskosten des Verfahrens auferlegt. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten wurde nicht angeordnet.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des (zu diesem Zeitpunkt anwaltlich vertretenen) Antragstellers vom 30.07.2018 (Bl. 69/70 d.A.), eingegangen bei Gericht am selben Tag.
Das Landgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 01.08.2018 nicht abgeholfen (Bl. 71/73 d.A.) und die Akten dem Senat vorgelegt.
Mit Einverständnis der Beteiligten hat der Senat im Hinblick auf das zu dem Zeitpunkt beim Bundesgerichtshof anhängige Verfahren II ZB 20/18, das ebenfalls vom hiesigen Antragsteller eingeleitet worden war und ebenfalls die rechtmäßige Zusammensetzung eines Aufsichtsrats nach Umwandlung in eine SE betraf, mit Beschluss vom 04.02.2019 (Bl. 118/120 d.A.) das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Nachdem der BGH über das genannte Verfahren mit Beschluss vom 23.07.2019 entschieden hatte, wurde das Verfahren fortgeführt (Bl. 126 d.A.). Den Beteiligten wurde nochmals eine Stellungnahmefrist gewährt. Eine mündliche Verhandlung hat nicht stattgefunden.
B. Die zulässige Beschwerde hat in der Sache einen vorläufigen Erfolg. Sie führt zur Aufhebung und Zurückverweisung der angefochtenen Entscheidung an das Landgericht zur erneuten Behandlung und Entscheidung.
I. Die Beschwerde ist zulässig.
1. Sie wurde insbesondere fristgerecht innerhalb der Monatsfrist des § 63 Abs...