Verfahrensgang

LG München II (Urteil vom 14.03.2008; Aktenzeichen 10 O 2880/07)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 20.01.2009; Aktenzeichen Xa ZB 34/08)

 

Tenor

I. Auf die Gehörsrüge der Beklagten wird der Beschluss des Senats vom 29.5.2008 aufgehoben.

II. Der Antrag des Klägers auf Wiedereinsetzung in den Stand vor Versäumung der Berufungsbegründungsfrist gegen das Endurteil des LG München II vom 14.3.2008 wird zurückgewiesen.

III. Die Berufung des Klägers gegen das in Ziff. II. genannte Urteil wird als unzulässig verworfen.

IV. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

 

Gründe

I. Mit am 14.3.2008 verkündeten und dem Kläger am 26.3.2008 zugestellten Endurteil wies das LG München II die Klage ab.

Dagegen legte der Kläger mit Schriftsatz vom 23.4.2008, bei Gericht eingegangen am gleichen Tag, Berufung ein.

Mit Schriftsatz des Klägers vom 28.5.2008, bei Gericht eingegangen am 28.5.2008, beantragte er Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist und begründete das Rechtsmittel der Berufung.

Mit Beschluss des Senats vom 29.5.2008 wurde dem Kläger die begehrte Wiedereinsetzung gewährt.

Die Beklagte beantragte mit einem bei Gericht am 5.6.2008 eingegangenen Schriftsatz vom 3.6.2008, dem Kläger die begehrte Wiedereinsetzung zu versagen und seine Berufung als unzulässig zu verwerfen. Mit weiterem Schriftsatz vom 6.6.2008, bei Gericht eingegangen am 9.6.2008, erhob die Beklagte Gegenvorstellungen gegen den Senatsbeschluss vom 29.5.2008 mit dem Antrag, den Beschluss aufzuheben und die Wiedereinsetzung zurückzuweisen.

Der Kläger erhielt Gelegenheit zur Stellungnahme und äußerte sich mit bei Gericht am 10.6.2008 und 20.6.2008 eingegangenen Schriftsätzen.

II.1. Die Gegenvorstellung der Beklagten war als Gehörsrüge entsprechend § 321a ZPO zu behandeln, die zulässig ist.

Zwar ist nach § 238 Abs. 3 ZPO die Entscheidung, Wiedereinsetzung zu gewähren, unanfechtbar, jedoch galt dies schon nach der früheren Rechtsprechung (vgl. BGH NJW 1995, 2497/2498) nicht für den Fall, dass - wie hier vorgetragen - der anderen Partei vor der Gewährung von Wiedereinsetzung das rechtliche Gehör versagt worden war, um die Verfassungsgerichtsbarkeit von letztlich begründeten Verfassungsbeschwerden aus diesem Rechtsgrund zu entlasten.

Dies muss nach Ansicht des Senats ungeachtet § 321a Abs. 1 Satz 2 ZPO auch im Wiedereinsetzungsverfahren jedenfalls entsprechend gelten, zumal die Tendenz in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung dazu neigt, den Anwendungsbereich der Gehörsrüge auszuweiten (vgl. zum Befangenheitsverfahren BVerfG MDR 2008, 223).

Die statthafte Gehörsrüge ist im Übrigen zulässig (§ 321a Abs. 2, 3 ZPO).

2. Die Gehörsrüge ist auch in der Sache begründet mit der Wirkung nach § 321a Abs. 5 ZPO, dass das Verfahren in die prozessuale Lage vor Erlass der Wiedereinsetzungsentscheidung zurückversetzt wird.

Der Senat hat dem Wiedereinsetzungsantrag des Klägers mit dem Beschluss vom 29.5.2008 entsprochen, bevor sich die Beklagte hierzu äußern konnte, denn der Eingang ihrer Stellungnahme erfolgte erst nach Erlass der Entscheidung. Damit ist der Beklagten zuzugestehen, dass der Senat ihr zum Vorbringen mit Schriftsatz vom 3.6.2008 nicht das gebotene rechtliche Gehör gewährte, so dass die Beklagte gezwungen war, ihren notwendig unberücksichtigt gebliebenen Vortrag aus dem genannten Schriftsatz mit dem Gegenvorstellungsschriftsatz vom 6.6.2008 zu wiederholen.

Aus den Akten (Bl. 70/71) ergibt sich, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers, Rechtsanwalt Dr. L, die Berufungsschrift am 23.4.2008 unterzeichnete. Nach den Angaben im Wiedereinsetzungsantrag war bei den Handakten zu dem am 26.3.2008 zugestellten Ersturteil die Berufungsfrist für 28.4.2008 und die Berufungsbegründungsfrist für 28.5.2008 notiert.

Nach den Anforderungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung, die die Beklagte zutreffend wiedergibt (BGH FamRZ 2004, 1183) ist der Prozessbevollmächtigte, wenn ihm Handakten im Zusammenhang mit einem fristgebundenen Prozesshandlungsvorgang vorgelegt werden, verpflichtet, auch die Erledigung der Notierung der Berufungsbegründungsfrist zu kontrollieren.

Dies kann sich im Rahmen der vom BGH vorgegebenen Prämisse, dass der Prozessbevollmächtigte alles ihm zumutbare tun und veranlassen müsse, um die Einhaltung einer Frist zur Einlegung oder Begründung eines Rechtsmittels zu wahren, nicht auf den bloßen Eintrag irgendeines Tages zum Ablauf der Berufungsbegründungsfrist in der Handakte beschränken. Vielmehr muss der Rechtsanwalt eigenverantwortlich prüfen, ob eine eingetragene Frist auch so zutrifft. Dies ist nach § 520 Abs. 2 ZPO n.F. angesichts des nunmehr gemeinsamen Beginns von Berufungsfrist und Berufungsbegründungsfrist (anders früher nach § 519 Abs. 2 ZPO a.F.) auch kein unzumutbarer Sorgfaltsmaßstab, denn der Ablauf der Berufungsbegründungspflicht steht im Zeitpunkt der Fertigung der Berufungsschrift bereits fest.

Hätte der Prozessbevollmächtigte des Klägers nach diesem Sorgfaltsmaßstab den Eintrag der Berufungsfrist und...

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