Entscheidungsstichwort (Thema)
Aussetzung von Verfahren gegen Anlageberater und -Vermittler bei Abhängigkeit der Entscheidung vom Ausgang eines Musterverfahrens
Leitsatz (amtlich)
Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 KapMuG sind auch Verfahren gegen Anlageberater und Anlagevermittler von Amts wegen auszusetzen, wenn deren Entscheidung von einer im Musterverfahren zu treffenden Feststellung oder einer im Musterverfahren zu klärenden Rechtsfrage abhängt.
Normenkette
KapMuG § 7 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
Gründe
Das Verfahren war hinsichtlich der Beteiligung des Klägers an der Film & Entertainment VIP Medienfonds 3 GmbH & Co. KG (künftig: VIP 3) von Amts wegen auszusetzen. Das Berufungsgericht ist ebenfalls Prozessgericht i.S.d. § 7 Abs. 1 Satz 1 KapMuG (vgl. BT-Drucks. 15/5091, S. 24, 25). Beim OLG München ist unter dem Az. KAP 2/07 (dazu EWiR 2008, 413 (Frisch)) ein Musterverfahren betreffend den Medienfonds VIP 3 anhängig. Dieses ist im Klageregister seit 27.6.2008 bekannt gemacht. Die Parteien wurden gem. § 7 Abs. 1 Satz 3 KapMuG angehört.
Die Entscheidung im vorliegenden Berufungsverfahren hängt hinsichtlich der Beteiligung des Klägers an dem Medienfonds VIP 3 von Feststellungen und Rechtsfragen ab, die in diesem Musterverfahren zu treffen bzw. zu klären sind. Das LG hat in dem angefochtenen Urteil u.a. die Auffassung vertreten, dass der Prospekt nicht hinreichend über die der Beklagten eingeräumte "Innenprovision" aufgeklärt habe. Diese Frage ist als Streitpunkt 6 Gegenstand des Musterverfahrens.
§ 7 Abs. 1 Satz 1 KapMuG ist nach der Überzeugung des Senats auch hinsichtlich der Beklagten als bloße Anlageberaterin bzw. -Vermittlerin anzuwenden (ebenso Zöller/Vollkommer, ZPO, 26. Aufl., § 32b Rz. 6; OLG Köln NZG 2008, 433 Rz. 14). Nach dem klaren Wortlaut von § 7 Abs. 1 Satz 1 KapMuG setzt das Prozessgericht von Amts wegen alle Verfahren aus, deren Entscheidung von der im Musterverfahren zu treffenden Feststellung oder der im Musterverfahren zu klärenden Rechtsfrage abhängt (Hervorhebung des Gerichts). Insoweit ist auch nicht von Bedeutung, ob eine Streitigkeit, die nur Ansprüche aus einem Anlageberatungsvertrag betrifft, selbst Gegenstand eines Musterverfahrens sein könnte (zu dieser Frage ablehnend BGH ZIP 2008, 1326 = NZG 2008, 592, Rz. 15). Die Tatbestandsvoraussetzungen von § 7 Abs. 1 Satz 1 KapMuG bleiben insoweit hinter denjenigen des § 1 Abs. 1 KapMuG zurück. Dass eine Aussetzung gem. § 7 Abs. 1 Satz 1 KapMuG nur in Richtung auf Beteiligte erfolgen könnte, die auch selbst Partei eines Musterverfahrens sein könnten, kann weder dem Gesetz noch seiner Begründung (vgl. BT-Drucks. 15/5091, S. 24, 25 und BT-Drucks. 15/5695, S. 38) entnommen werden. Eine entsprechende einschränkende Auslegung von § 7 Abs. 1 KapMuG hält der Senat auch nicht für veranlasst. Sinn und Zweck des KapMuG ist es, widersprechende Feststellungen in Einzelverfahren und prozessunökonomische Mehrfachfeststellungen zu vermeiden. Das zeigt sich am vorliegenden Verfahren besonders deutlich. Ohne eine Aussetzung gem. § 7 Abs. 1 KapMuG müsste der Senat selbst entscheiden, ob in dem Prospekt hinreichend über die Vertriebskosten aufgeklärt wurde, obwohl diese Frage bereits Gegenstand des Musterverfahrens ist und in Richtung auf die unmittelbar Prospektverantwortlichen nicht anders beantwortet werden kann als in Richtung auf die Beklagte, die zumindest eine Plausibilitätsprüfung des Prospekts schuldete. Insoweit mag zwar nicht jeder etwaige im Musterverfahren festgestellte Prospektfehler automatisch auch zu einer Haftung der Beklagten führen können; bei einem - unterstellt - fehlerfreien Prospekt ist aber auch das Ergebnis der Plausibilitätsprüfung klar. Berechtigte Interessen der Beklagten stehen der Aussetzung ebenfalls nicht entgegen. Diese kann - ebenso wie der Kläger - ihre umfangreichen Rechte als Beigeladene (vgl. §§ 9 ff. KapMuG) wahrnehmen und im Musterverfahren insbesondere für ihre Auffassung streiten, dass in dem Prospekt bereits hinreichend über die Vertriebskosten aufgeklärt worden sei.
Fundstellen
Haufe-Index 2141489 |
NJW 2009, 527 |
NZG 2009, 24 |
WM 2009, 113 |
WuB 2009, 421 |
ZIP 2009, 583 |
OLGR-Süd 2009, 602 |