Entscheidungsstichwort (Thema)
Zuckerarme Konfitüren
Leitsatz (amtlich)
Vorlagebeschluss zur Auslegung des Begriffs zuckerarme Konfitüren in Anhang III Teil A der Richtlinie Nr. 95/2/EG.
Normenkette
EG Art. 234 Abs. 1 Buchst. b, Abs. 2; RL Nr. 95/2/EG Anh. III Teil A; RL 2001/113/EG Anh. I Abschn. II; LFGB § 6 Abs. 1 S. 1 Buchst. a; UWG § 4 Nr. 11
Verfahrensgang
LG München I (Aktenzeichen 9 HK O 7105/03) |
Tenor
I. Das Verfahren wird ausgesetzt.
II. Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften werden zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts gem. Art. 234 EG folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Ist der Begriff zuckerarme Konfitüren in Anhang III Teil A der Richtlinie Nr. 95/2/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.2.1995 über andere Lebensmittelzusatzstoffe als Farbstoffe und Süßungsmittel (ABl. EG Nr. L 61 vom 18.3.1995, S. 1) dahin auszulegen, dass er auch Konfitüren mit der Bezeichnung Konfitüre extra erfasst?
2. Falls die Frage zu 1. bejaht wird:
a) Wie ist der Begriff zuckerarme Konfitüren in Anhang III Teil A der Richtlinie Nr. 95/2/EG im Übrigen auszulegen?
b) Ist er insbesondere dahin auszulegen, dass er auch Konfitüren mit der Bezeichnung Konfitüre extra mit einem Gehalt an löslicher Trockenmasse von 58 % erfasst?
3. Falls die Fragen zu 1. und zu 2. b) bejaht werden:
Ist Abschnitt II Satz 2 des Anhangs I der Richtlinie 2001/113/EG des Rates vom 20.12.2001 über Konfitüren, Gelees, Marmeladen und Maronenkrem für die menschliche Ernährung (ABl. EG Nr. L 10 vom 12.1.2002, S. 67) dahin auszulegen, dass die Bezeichnung Konfitüre extra auch dann für Konfitüren, die weniger als 60 % lösliche Trockenmasse enthalten, zugelassen werden kann, wenn an die Bezeichnung Konfitüre bei derartigen Konfitüren keine geringeren Anforderungen gestellt werden?
Gründe
I.1. Die Klägerin, die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs, verlangt von der österreichischen Beklagten, die Konfitüren herstellt, vertreibt und auch nach Deutschland ausführt, das Inverkehrbringen bestimmter Konfitüren zu unterlassen und Abmahnkosten zu erstatten.
2. Die Beklagte bietet unter der Bezeichnung Konfitüre extra Konfitüren sowohl in 25-g-Portionspackungenen als auch - zur Herstellung feiner Backwaren - in Großgebinden an, die Kaliumsorbat (E 202) enthalten und einen Zucker- und damit auch einen Trockenmassegehalt von 58 % aufweisen.
3. Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, Kaliumsorbat sei als Zusatzstoff durch Anhang III Teil A der Richtlinie Nr. 95/2/EG des europäischen Parlaments und des Rates vom 20.2.1995 über andere Lebensmittelzusatzstoffe als Farbstoffe und Süßungsmittel (ABl. EG Nr. L 61 vom 18.3.1995, S. 1; im Folgenden: Richtlinie 95/2/EG) nur für zuckerarme Konfitüren zugelassen; die Konfitüren der Beklagten seien indes nicht zuckerarm. Eine Konfitüre mit weniger als 60 % löslicher Trockenmasse dürfe nur dann mit Konfitüre extra bezeichnet werden, wenn sie brennwertvermindert sei; das sei jedoch bei keinem der beanstandeten Produkte der Beklagten der Fall. Die Beklagte sei wettbewerbsrechtlich nicht nur zur Unterlassung, sondern auch zur Erstattung der für ihre erfolglose Abmahnung angefallenen Kosten verpflichtet.
4. Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen,
a) es bei Meidung [näher bestimmter Ordnungsmittel] zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs in der Bundesrepublik Deutschland
b) eine Konfitüre extra in den Verkehr zu bringen, welcher der Konservierungsstoff Kaliumsorbat (E 202) zugesetzt ist,
und/oder
c) eine Konfitüre extra in den Verkehr zu bringen, deren Trockenmassegehalt 60 % unterschreitet;
d) an die Klägerin 175,06 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 17.5.2003 zu zahlen.
5. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
6. Sie hat die Auffassung vertreten, ihre Konfitüren seien zuckerarm, weshalb die Konservierung mit Kaliumsorbat zulässig sei. Da die Konfitüren in Österreich rechtmäßig in den Verkehr gebracht würden, sei auch deren Inverkehrbringen in Deutschland zulässig; das ergebe sich nicht zuletzt aus einer Allgemeinverfügung des Bundesministeriums für Gesundheit vom 7.2.1997 (vergleiche Anlage zum Protokoll vom 24.6.2003), nach der Fruchtaufstriche mit einer löslichen Trockenmasse von weniger als 60 % und einem Gehalt an Kaliumsorbat (E 202) von bis zu 400 mg je kg Erzeugnis, die als - u.a. - Konfitüre extra bezeichnet in Österreich rechtmäßig hergestellt und rechtmäßig in den Verkehr gebracht werden, nach Deutschland verbracht und hier in den Verkehr gebracht werden dürfen.
7. Mit Urteil vom 25.9.2007 hat das LG die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen Folgendes ausgeführt: Der Klageantrag Ziff. I.a) sei gem. § 6 Abs. 1 Satz 1 Buchstabe a) des Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuchs vom 1.9.2005 (in der Fassung der Bekanntmachung vom 26.4.2006, Bundesgesetzblatt 2006 I S. 945; im Folgenden: Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch - LFGB) i.V.m. ...