Entscheidungsstichwort (Thema)
Widerruf eines Ehegattentestaments
Leitsatz (amtlich)
1. Der Widerruf wechselbezüglicher Verfügungen in einem Ehegattentestament durch Vernichtung der Urkunde setzt voraus, dass beide Ehegatten mit Testier- und Widerrufswillen an der Vernichtung der Urkunde mitgewirkt haben.
2. An den diesbezüglichen Nachweis sind hohe Anforderungen zu stellen. Er setzt insbesondere voraus, dass die Möglichkeit, dass ein Ehegatte die Urkunde ohne Kenntnis und Mitwirkung des anderen vernichtet hat, ausgeschlossen werden kann.
Normenkette
BGB §§ 2247, 2255, 2265
Verfahrensgang
AG Rosenheim (Beschluss vom 01.09.2017; Aktenzeichen VI 1442/16) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Amtsgerichts Rosenheim - Nachlassgericht - vom 01.09.2017 aufgehoben.
2. Das Nachlassgericht wird angewiesen, dem Beschwerdeführer einen Erbschein zu erteilen, der den am 3.5.2016 verstorbenen Beteiligten zu 1 als Alleinerben der am 29.4.2016 verstorbenen Erblasserin ..., ... ... ausweist.
Gründe
I. Die Ehegatten sind im Abstand von 4 Tagen verstorben. Das Verfahren der vorverstorbenen Ehefrau wird unter dem Az. 31 Wx 398/17 beim Senat geführt, das Verfahren des nachverstorbenen Ehemanns unter dem Az. 31 Wx 397/17.
Die Ehe war kinderlos. Aus der ersten Ehe des Ehemanns sind zwei Töchter hervorgegangen, die Beteiligten zu 9 und 10.
Es liegt ein Testament der Ehegatten vom 20.3.2015 in Fotokopie vor, in dem es auszugsweise heißt:
"Wir [setzen] uns gegenseitig zu unseren alleinigen und beschränkten Erben ein.
Schlusserben des Letztversterbenden sind die zwei Töchter (aus 1. Ehe) des Ehemanns zu je 1/4 ... und
... ... (Beteiligter zu 5), ..., der Neffe der Ehefrau, zur Hälfte.
...
Soweit es gesetzlich vorgeschrieben ist, sollen alle unsere gemeinsamen Verfügungen wechselseitig sein, damit sind sie nach dem Tode des zuerst versterbenden für den anderen verbindlich."
eigenhändige Unterschriften beider Ehegatten Bei dem Beteiligten zu 5 handelt es sich um den Beschwerdeführer.
Im Verfahren nach dem Tod der Ehefrau beantragte der Beschwerdeführer mit notarieller Urkunde vom 17.1.2017 einen Erbschein, der den nachverstorbenen Ehemann als Alleinerben aufgrund Testaments ausweist.
Das Nachlassgericht hat den Antrag mit Beschluss vom 1.9.2017 zurückgewiesen. Es ist der Ansicht, es sei gesetzliche Erbfolge eingetreten. Das Testament vom 20.3.2015 sei in Widerrufsabsicht vernichtet worden und deswegen für die Erbfolge nicht maßgeblich.
Dagegen richtet sich die Beschwerde.
Wegen des Ergebnisses der vom Nachlassgericht angestellten Ermittlungen nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug auf den angefochtenen Beschluss.
II. Die zulässige Beschwerde ist im Ergebnis erfolgreich.
Im Gegensatz zum Nachlassgericht ist der Senat nicht davon überzeugt, dass die Ehegatten das Testament aus dem Jahre 2015 in Widerrufsabsicht vernichtet haben. Folglich richtet sich die Erbrechtslage nach diesem Testament.
1. Zutreffend ist das Nachlassgericht zunächst davon ausgegangen, dass das verfahrensgegenständliche Testament wirksam errichtet wurde.
Dass dieses Testament lediglich in Fotokopie vorliegt, hindert - wovon das Nachlassgericht zutreffend ausgegangen ist - den Nachweis der formgerechten Errichtung grundsätzlich nicht. Zwar ist zum Nachweis eines testamentarischen Erbrechts grundsätzlich die Urschrift der Urkunde vorzulegen, auf die das Erbrecht gestützt wird (§ 352 Abs. 3 FamFG). Ist diese Urkunde jedoch nicht auffindbar, können die formgerechte Errichtung und Inhalt mit allen zulässigen Beweismitteln bewiesen werden, wobei an den Nachweis strenge Anforderungen zu stellen sind (BayObLG FamRZ 1990, 1162; OLG München NJW-RR 2009, 305; OLG Köln FamRZ 2017, 1164; OLG Hamburg BeckRS 2019, 1406; Krätzschel in: Firsching/Graf, Nachlassrecht, 11. Auflage ≪2019 ≫ § 8 Rn. 29).
Vorliegend hat der Senat keinen Zweifel, dass das Testament vom 20.3.2015 tatsächlich von den Ehegatten formgerecht errichtet wurde, auch die Beteiligten wenden sich nicht dagegen. Soweit das OLG Köln (a.a.O.) die Einholung eines graphologischen Sachverständigengutachtens verlangt, betraf dies nur den Fall, dass die Echtheit der Unterschriften zweifelhaft war. So lag der Fall hier aber gerade nicht, so dass das Testament ursprünglich wirksam in der Form der §§ 2247 Abs. 1, 2265 BGB errichtet worden war.
2. Der Senat ist jedoch nicht davon überzeugt, dass das Testament von den Ehegatten in Widerrufsabsicht vernichtet wurde.
a) Zutreffend ist das Nachlassgericht davon ausgegangen, dass derjenige, der aus dem Widerruf eines Testaments Rechte herleiten will, diesen Widerruf zu beweisen hat (Palandt/Weidlich BGB 78. Auflage ≪2019 ≫ § 2255 Rn. 11; Krätzschel in: Firsching/Graf, Nachlassrecht, 11. Auflage ≪2019 ≫ § 14 Rn. 8). Dieselben Grundsätze gelten dann, wenn - wie vorliegend - die Vernichtung der Urkunde selbst nicht feststeht, diese vielmehr lediglich unauffindbar ist.
Es besteht im Falle der Unauffindbarkeit eines Testamentes insbesondere keine Vermutung dafür, dass es vom Erblasser ...