Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH zur Auslegung der Verordnung über die Unionsmarke: Befugnis des Unionsmarkengerichts zur Entscheidung über die mit einer Widerklage geltend gemachte Nichtigkeit einer Unionsmarke nach Rücknahme der auf diese Unionsmarke gestützten Verletzungsklage
Leitsatz (amtlich)
Dem Gerichtshof der Europäischen Union wird gemäß Art. 267 AEUV zur Auslegung von Art. 124 lit. d), Art. 128 der Verordnung (EU) 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14.06.2017 über die Unionsmarke (im Folgenden: UMV) folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Sind Art. 124 lit. d), Art. 128 UMV so auszulegen, dass das Unionsmarkengericht selbst dann noch zu einer Entscheidung über die mit einer Widerklage im Sinne von Art. 128 UMV geltend gemachte Nichtigkeit einer Unionsmarke befugt ist, nachdem die auf diese Unionsmarke gestützte Verletzungsklage im Sinne von Art. 124 lit. a) wirksam zurückgenommen wurde?(Rn. 72)
Normenkette
AEUV Art. 267; EUV 1001/2017 Art. 124 Buchst. a; EUV 1001/2017 Art. 124 Buchst. d; EUV 1001/2017 Art. 128
Verfahrensgang
LG München I (Urteil vom 10.03.2020; Aktenzeichen 33 O 17478/18) |
Tenor
I. Das Verfahren wird in Bezug auf die Berufung der Beklagten zu 2) gemäß § 148 Abs. 1 ZPO ausgesetzt.
II. Dem Gerichtshof der Europäischen Union wird gemäß Art. 267 AEUV zur Auslegung von - Art. 124 lit. d), Art. 128 der Verordnung (EU) 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14.06.2017 über die Unionsmarke (im Folgenden: UMV) folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Sind Art. 124 lit. d), Art. 128 UMV so auszulegen, dass das Unionsmarkengericht selbst dann noch zu einer Entscheidung über die mit einer Widerklage im Sinne von Art. 128 UMV geltend gemachte Nichtigkeit einer Unionsmarke befugt ist, nachdem die auf diese Unionsmarke gestützte Verletzungsklage im Sinne von Art. 124 lit. a) wirksam zurückgenommen wurde?
Gründe
Nachdem die Klagepartei zunächst wegen vermeintlicher Verletzung einer Unionsmarke Unterlassungs- und Folgeansprüche gegen die Beklagten vor dem Landgericht München I geltend gemacht hat, streiten die Parteien nunmehr - nach in erster Instanz erfolgter Rücknahme der Verletzungsklage - vor dem vorlegenden Unionsmarkengericht zweiter Instanz unter anderem noch um die seitens der Beklagten zu 2) mittels Widerklage geltend gemachte Nichtigkeit der Unionsmarke, soweit das Landgericht diese nicht bereits im angegriffenen Urteil auf Widerklage beider Beklagten erklärt hat.
1. Rechtlicher Rahmen
a. Unionsrecht
Der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) bestimmt unter anderem:
Artikel 267
Vorabentscheidungsverfahren
(1) Der Gerichtshof der Europäischen Union entscheidet im Wege der Vorabentscheidung
...
(b) über die Gültigkeit und die Auslegung der Handlungen der Organe, Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Union.
Die UMV regelt unter anderem:
Artikel 59
Absolute Nichtigkeitsgründe
(1) Die Unionsmarke wird auf Antrag beim Amt oder auf Widerklage im Verletzungsverfahren für nichtig erklärt,
a) wenn sie entgegen den Vorschriften des Artikels 7 eingetragen worden ist;
b) wenn der Anmelder bei der Anmeldung der Marke bösgläubig war.
(2) Ist die Unionsmarke entgegen Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b, c oder d eingetragen worden, kann sie nicht für nichtig erklärt werden, wenn sie durch Benutzung im Verkehr Unterscheidungskraft für die Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist, erlangt hat.
(3) Liegt ein Nichtigkeitsgrund nur für einen Teil der Waren oder Dienstleistungen vor, für die die Unionsmarke eingetragen ist, so kann sie nur für diese Waren oder Dienstleistungen für nichtig erklärt werden.
Artikel 60
Relative Nichtigkeitsgründe
(1) Die Unionsmarke wird auf Antrag beim Amt oder auf Widerklage im Verletzungsverfahren für nichtig erklärt,
...
(2) Die Unionsmarke wird auf Antrag beim Amt oder auf Widerklage im Verletzungsverfahren ebenfalls für nichtig erklärt, wenn ihre Benutzung aufgrund eines sonstigen älteren Rechts gemäß dem für dessen Schutz maßgebenden Unionsrecht oder nationalen Recht untersagt werden kann insbesondere eines
...
(3) ...
(4) Hat der Inhaber eines der in Absatz 1 oder 2 genannten Rechte bereits einen Antrag auf Nichtigerklärung der Unionsmarke gestellt oder im Verletzungsverfahren Widerklage erhoben, so darf er nicht aufgrund eines anderen dieser Rechte, das er zur Unterstützung seines ersten Begehrens hätte geltend machen können, einen neuen Antrag auf Nichtigerklärung stellen oder Widerklage erheben.
(5) ...
Artikel 124
Zuständigkeit für Klagen betreffend Verletzung und Rechtsgültigkeit
Die Unionsmarkengerichte sind ausschließlich zuständig
a) für alle Klagen wegen Verletzung und - falls das nationale Recht dies zulässt - wegen drohender Verletzung einer Unionsmarke;
b) ...
c) ...
d) für die in Artikel 128 genannten Widerklagen auf Erklärung des Verfalls oder der Nichtigkeit der Unionsmarke.
Artikel 127
Vermutung der Rechtsgültigkeit; Einreden
(1) Die Unionsmarkengerichte haben von der Rech...