Verfahrensgang
LG Traunstein (Urteil vom 21.09.2016; Aktenzeichen 8 O 2014/16) |
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des LG Traunstein vom 21.09.2016, Az.: 8 O 2014/16, wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des erstinstanziellen Verfahrens sowie des Berufungsverfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, es sei denn, dass die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
IV. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.
Gründe
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist der Streit um die von der Klägerin verlangte Herausgabe kryokonservierter Spermaproben ihres am 07.01.1978 geborenen und am 31.07.2015 verstorbenen Ehemanns Hugo Josef L., die unter dessen Namen bei der Beklagten eingelagert sind. Die Klägerin will mit dem Sperma beim Kinderwunsch Centrum C. im Wege der künstlichen Befruchtung in Fortsetzung einer im Juni 2014 begonnenen Behandlung ihre Schwangerschaft herbeiführen.
Das LG Traunstein hat mit am 21.09.2016 verkündetem Endurteil die Klage abgewiesen. Auf die in dem landgerichtlichen Urteil getroffenen Feststellungen wird Bezug genommen.
Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihr erstinstanzielles Klagebegehren in präzisierter Fassung weiter.
Sie trägt hierzu vor, die Beklagte mache sich entgegen der vom LG vertretenen Auffassung durch die Herausgabe der kryokonservierten Spermaproben nicht wegen Beihilfe zu einer Straftat nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 Embryonenschutzgesetz strafbar. Diese Norm sei verfassungswidrig und verletze das klägerische Recht auf Fortpflanzung. Der auf die Klägerin übergegangene vertragliche Herausgabeanspruch auf das Kryosperma - das dem alleinigen Verfügungsrecht der Klägerin unterliege - sei mithin nicht auf eine im Sinne von § 275 BGB (rechtlich) unmögliche Leistung gerichtet.
Entgegen der Auffassung des erstinstanzlichen Gerichts fehle es an einem legitimen Gemeinschaftsbelang als Strafgrund für § 4 Abs. 1 Nr. 3 Embryonenschutzgesetz. Es gebe keinen legitimen Zweck staatlicher Intervention, der die Einschränkung des Grundrechts auf Fortpflanzung der Klägerin rechtfertige; dies ergebe sich aus der Verhältnismäßigkeitsprüfung.
Das erstinstanzliche Gericht habe nicht hinreichend geprüft, ob § 4 Abs. 1 Nr. 3 Embryonenschutzgesetz den besonderen Verhältnismäßigkeitsanforderungen entspreche.
Die Klägerin habe nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG ein aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht abgeleitetes schützenswertes Grundrecht auf Fortpflanzung, das auch das Recht der Klägerin auf Fortpflanzung mit dem Samen des verstorbenen Mannes umfasse. Es sei nicht legitim, bei der postmortalen Insemination die natürlichen Schranken auch als rechtliche festzulegen. Wenn ein Paar durch den Tod eines der Partner kein Kind mehr auf natürlichem Weg zeugen könne, könne dies nicht die Konsequenz haben, dass die Partner danach auch kein Recht mehr auf Fortpflanzung hätten. Der Verweis auf die natürlichen oder normalen Grenzen könne bei jeder Form der künstlichen Fortpflanzung herangezogen werden und sei somit kein Argument. Das "ob" der natürlichen/künstlichen Fortpflanzung falle in einen unantastbaren Kernbereich des Persönlichkeitsrechts, in dem die Privatsphäre nur unter erschwerten Bedingungen eingeschränkt werden dürfe. An entsprechende Gesetze würden insoweit besondere Verhältnismäßigkeitsanforderungen gestellt, wobei ein wichtiges staatliches Interesse geschützt und ein milderer Eingriff ausgeschlossen sein müsse. Das Interesse der Klägerin auf Fortpflanzung, insbesondere daran, die Gene ihres verstorbenen Mannes und ihre eigenen im und am Kind zu sehen und zu erleben, überwiege die Aspekte, dass das Kind ohne Vater aufwachse und es möglicherweise für das Kind ein Problem darstelle, wenn es erfahre, wie es gezeugt wurde.
Der Schutz des Kindeswohls sei nachrangig, das ungezeugte Kind noch nicht grundrechtsfähig. Auch sei die Berücksichtigung des Kindeswohls bedenklich, weil das Kind gar nicht existieren würde, wenn man die postmortale Insemination nicht zuließe. Soweit es im Gesetzgebungsverfahren als Gefahr für die Entwicklung des Kindes angesehen wurde, das Kind könne erfahren, wenn seine Zeugung in einer dem Willen der Beteiligten nicht entsprechenden Weise erfolgt sei, treffe dies dann nicht zu, wenn, wie hier, ausdrücklicher Wille des verstorbenen Ehemanns der Klägerin gewesen sei, dass sie mit seinem Samen schwanger werden solle.
Auch in dem vom OLG Rostock (Urteil vom 07.05.2010, Az.: 7 U 67/09) entschiedenen Fall spiele der Schutz des Kindeswohls keine Rolle mehr. Das Kind werde, wie auch von Anfang an viele Kinder allein erziehender Elternteile, in eine nicht bestehende Partnerschaft geboren, wobei hier die befruchtete Eizelle nach der Erkenntnis des OLG Rostock nicht unter § 4 Abs. 1 Nr. 3 Embryonenschutzgesetz falle. Für das Kindeswohl spiele es k...