Entscheidungsstichwort (Thema)
Eheaufhebungsverfahren: Ursächlichkeit der Täuschung
Leitsatz (amtlich)
1. Im Rahmen eines Eheaufhebungsverfahrens nach § 1314 Abs. 2 Nr. 3 BGB hat die Prüfung der Ursächlichkeit der Täuschung für die Eheschließung nicht nur anhand eines objektiven Maßstabes ("richtiger Würdigung des Wesens der Ehe"), sondern auch anhand eines subjektiven Maßstabes zu erfolgen, nämlich dass der Antragsteller bei "Kenntnis der Sachlage" tatsächlich die Ehe nicht eingegangen wäre.
2. Täuschung durch unterlassenes Offenbaren einer bekannten Erbkrankheit der Mutter.
Normenkette
BGB § 1314 Abs. 2 Nr. 3
Verfahrensgang
AG Nördlingen (Urteil vom 31.10.2007; Aktenzeichen 2 F 648/06) |
Gründe
Die zulässige Berufung (§§ 511, 517, 519, 520 ZPO) des Antragstellers ist unbegründet. Das AG hat den Antrag des Antragstellers, die Ehe der Parteien aufzuheben, zu Recht abgewiesen und die Ehe der Parteien geschieden. Selbst wenn mit dem Berufungsvorbringen des Antragstellers davon auszugehen wäre, dass
- der Antragsteller bei Eheschließung keine Kenntnis vom Auftreten der Erbkrankheit Chorea Huntington in der Familie der Antragsgegnerin hatte,
- die Antragsgegnerin den Antragsteller bewusst über die Erbkrankheit ihrer Mutter nicht aufklärte und
- der Antragsteller erst im Gespräch am 26.2.2007 erfuhr, dass die Antragsgegnerin bereits bei Eheschließung von der Erbkrankheit ihrer Mutter wusste, kann die Ehe nicht nach § 1314 Abs. 2 Nr. 3 BGB aufgehoben werden. Denn nach dieser Vorschrift ist die Aufhebung der Ehe nur gerechtfertigt, wenn der Antragsteller zur Eingehung der Ehe durch arglistige Täuschung über solche Umstände bestimmt worden ist, die ihn bei Kenntnis der Sachlage und bei richtiger Würdigung des Wesens der Ehe von der Eingehung der Ehe abgehalten hätten. Dies setzt voraus, dass der Antragsteller bei Kenntnis der Täuschung die Ehe nicht geschlossen hätte. Die Täuschung muss mithin ursächlich dafür gewesen sein, dass der Antragsteller die Ehe einging. Dies verlangt nicht nur eine Prüfung der Ursächlichkeit der Täuschung für die Eheschließung anhand eines objektiven Maßstabes ("richtiger Würdigung des Wesens der Ehe"), sondern auch anhand eines subjektiven Maßstabes, nämlich dass der Antragsteller bei "Kenntnis der Sachlage" tatsächlich die Ehe nicht eingegangen wäre (Johannsen/Henrich, Eherecht, 4. Aufl., § 314 Rz. 57 f.; Palandt/Brudermüller, BGB, 67. Aufl., § 1314 Rz. 12; Erman/Roth, BGB, 11. Aufl., § 1314 Rz. 8). Diese Feststellung lässt sich nicht treffen. Vielmehr erklärte der Antragsteller in seiner Anhörung vor dem AG am 8.5.2007, er wisse nicht, ob er die Antragsgegnerin geheiratet hätte, falls ihm die Erbkrankheit der Mutter der Antragsgegnerin bei Eheschließung bekannt gewesen wäre. Weiter erklärte der Antragsteller, er gehe davon aus, dass die Antragsgegnerin bei Eheschließung definitiv wusste, dass ihre Mutter an der Erbkrankheit Chorea Huntington litt. Dennoch könne er nicht sagen, ob er bei einem entsprechenden positiven Wissen von der Heirat abgesehen hätte.
Diese vom AG festgestellten Tatsachen wurden vom Berufungsvorbringen nicht in Zweifel gezogen (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Der Antragsteller schwächt seine erstinstanzliche Erklärung nur unwesentlich mit dem Hinweis ab, er hätte bei Kenntnis des Vorliegens einer Erbkrankheit in der Familie der Antragsgegnerin "wohl" von der Eheschließung abgesehen, ohne seine erstinstanzlichen Erklärungen im Übrigen in Frage zu stellen. Er beschränkt sich im weiteren Berufungsvorbringen im Ergebnis darauf, dass er aus heutiger Sicht die Ehe bei Kenntnis der wahren Sachlage nicht eingegangen wäre. Entscheidend ist jedoch allein, wie der Antragsteller im Zeitpunkt der Eheschließung ohne die Täuschung gehandelt hätte. Selbst wenn die Täuschung objektiv geeignet ist, die Aufhebung der Ehe zu rechtfertigen, kommt es auf die subjektiven Vorstellungen des Antragstellers an (Johannsen/Henrich, a.a.O.). Hierzu erklärte der Antragsteller jedoch, er wisse nicht, ob er bei Kenntnis des Vorliegens der Erbkrankheit in der Familie der Antragsgegnerin die Antragsgegnerin geheiratet hätte, also ob die Täuschung über diesen Umstand ursächlich für die Eheschließung war.
Hinzu kommt, dass im Zeitpunkt der Eheschließung die tatsächliche Erkrankung an der Erbkrankheit auch der Antragsgegnerin nicht bekannt war. Im Zeitpunkt der Eheschließung der Parteien kommt allein eine Täuschung der Antragstellerin durch unterlassenes Offenbaren der der Antragsgegnerin bekannten Erbkrankheit ihrer Mutter in Betracht. Eine Eheschließung in der Hoffnung, die Erbkrankheit werde bei der Antragsgegnerin nicht auftreten, ist angesichts der dargelegten erstinstanzlichen Erklärung des Antragstellers keineswegs abwegig.
Fundstellen
Haufe-Index 2037846 |
FamRZ 2008, 1536 |
OLGR-Süd 2008, 829 |