Leitsatz (amtlich)
Die deutschen Vorschriften zur Arzneimittelpreisbindung sind auch auf ausländische Versandapotheken anzuwenden, soweit diese sich an Endverbraucher im Inland wenden.
Normenkette
EG Art. 30; Humanarzneimittelkodex Art. 4 Abs. 3; TDG § 3 Abs. 2, § 4 Abs. 5 Nr. 3; EGBGB Art. 34; AMG § 78 Abs. 2 S. 2; AMPreisV § 3 Abs. 1; UWG § 4 Nr. 11
Verfahrensgang
LG München I (Urteil vom 10.06.2008; Aktenzeichen 9HK O 63/08) |
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG München I vom 10.6.2008 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung aus Ziff. I.a) des landgerichtlichen Urteils gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 50.000 EUR abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Im Übrigen kann die Beklagte die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 115 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 115 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
IV. Die Revision wird zugelassen.
Gründe
A. Die Parteien streiten um die wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit der Gewährung von Vergünstigungen im Zusammenhang mit dem Erwerb von verschreibungs-pflichtigen Arzneimitteln durch Privatversicherte im Wege des Versandhandels.
Der Kläger ist ein eingetragener Verein, der die wirtschaftlichen, beruflichen und kulturellen Belange der bayerischen Apotheker vertritt. Die Beklagte ist eine niederländische Versandapotheke, die von ihrem Sitz in den Niederlanden aus auch deutsche Versicherte mit in Deutschland zugelassenen Arzneimitteln versorgt.
Die Beklagte warb im Jahr 2007 mit Sonderzahlungen für die Einlösung von Rezepten über Medikamente. Bei der Einlösung eines Privatrezeptes über verschrei-bungspflichtige Arzneimittel bot sie den Patienten einen sog. Garantie-Bonus von mindestens 2,50 EUR und einen sog. Höchst-Bonus von maximal 15 EUR (3 % des Arzneimittelpreises) je rezeptpflichtigem Medikament. Bei der Erstbestellung wurde den Privatversicherten ein Bonus-Konto eingerichtet, auf dem die entsprechenden Beträge gutgeschrieben und ab der ersten Folgebestellung mit den Kosten freiverkäuflicher Produkte verrechnet wurden. Die Beklagte bewarb ihre Leistungen u.a. mit den Worten: "Geld-Spar-Garantie", "Sparen Sie mit jeder Bestellung"; "Sie sparen bares Geld beim Medikamentenkauf - bei Rezepten und frei verkäuflichen Arzneimitteln" und "Ihr Bonus wird bei der Bestellung unkompliziert und direkt mit dem Rechnungsbetrag verrechnet. Dadurch sparen Sie sofort bares Geld." Zu den Werbeaussagen und ihrer Darstellung im Einzelnen, sowie dem genauen Inhalt der Werbebroschüren und der Internetwerbung wird auf Anl. K 2 und Anl. K 3 Bezug genommen.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die beworbenen Bonuszahlungen seien wettbewerbswidrig, weil sie sowohl eine gem. § 4 Nr. 1 UWG unlautere Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit als auch einen gem. § 4 Nr. 11 UWG unlauteren Verstoß gegen die Arzneimittelpreisbindung und das Verbot des § 7 HWG darstellten. Er habe die Beklagte vorprozessual wegen der vorgenannten Wettbe-
werbsverstöße abgemahnt, weshalb ihm auch die eingeklagten Abmahnkosten i.H.v. 2.759,60 EUR zustünden.
Der Kläger hat deshalb folgende Anträge gestellt:
I. Der Beklagten wird es verboten, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs
a) Kunden aus Deutschland bei der Vorlage eines Privatrezeptes über ein in Deutschland verschreibungspflichtiges Arzneimittel einen Bonus i.H.v. 2,50 EUR bis 15 EUR anzubieten und/oder zu gewähren und/oder hierfür zu werben und/oder werben zu lassen;
und/oder
b) mit folgenden Formulierungen zu werben und/oder werben zu lassen:
aa) "Sparen Sie mit jeder Bestellung";
und/oder
bb) Sie sparen bares Geld beim Medikamentenkauf - bei Rezepten und frei verkäuflichen Arzneimitteln";
und/oder
cc) "Ihr Bonus wird bei der Bestellung unkompliziert und direkt mit dem Rechnungsbetrag verrechnet. Dadurch sparen Sie sofort bares Geld";
und/oder
"Geld-Spar-Garantie".
II. Der Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen Ziff. 1 ein Ordnungsgeld bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten angedroht, wobei die Ordnungshaft an ihrem jeweiligen gesetzlichen Vertreter zu vollziehen ist und insgesamt zwei Jahre nicht übersteigen darf.
III. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger den Betrag von 2.759,60 EUR zzgl. Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hat die Ansicht vertreten, die Beeinflussung der Patienten durch die Boni sei nicht unangemessen. Die Regelungen der Arzneimittelpreisbindung seien im Streitfall schon wegen des Sitzes der Beklagten in den Niederlanden, jedenfalls aber aus Gründen des Gemeinschaftsrechts nicht anwendbar. Die angegriffenen Boni hätten keinen Produktbezug, sondern stellten Imagewerbung dar, die nicht unter § 7 HWG