Leitsatz (amtlich)
Die deutschen Vorschriften zur Arzneimittelpreisbindung sind auch auf ausländische Versandapotheken anzuwenden, soweit diese sich an Endverbraucher im Inland wenden.
Normenkette
EG Art. 30; Humanarzneimittelkodex Art. 4 Abs. 3; TDG § 3 Abs. 2, § 4 Abs. 5 Nr. 3; EGBGB Art. 34; AMG § 78 Abs. 2 S. 2; AMPreisV § 3 Abs. 1; UWG § 4 Nrn. 1, 11
Verfahrensgang
LG München I (Urteil vom 16.06.2008; Aktenzeichen 11 HK O 15460/06) |
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG München I vom 16.6.2008 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagten haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können die Vollstreckung aus Ziff. I des landgerichtlichen Urteils gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 25.000 EUR abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Im Übrigen können die Beklagten die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 115 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 115 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
IV. Der Revision wird zugelassen.
Gründe
A. Die Klägerin ist Inhaberin einer Apotheke. Die Beklagte zu 1. ist eine niederländische Kapitalgesellschaft, zu deren Vorstand der Beklagte zu 2. gehört. Sie betreibt eine Versandapotheke.
Die Beklagte zu 1. warb im Jahr 2006 im Internet unter der Adresse www.d.de/de mit Sonderzahlungen für die Einlösung von Rezepten über Arzneimittel. Wer ein Kassenrezept einreiche, erhalte einen Bonus in Höhe der halben gesetzlichen Zuzahlung; wer ein Privatrezept einreiche, erhalte 3 EUR Treuebonus pro Medikament; wer von der gesetzlichen Zuzahlung befreit sei, erhalte einen Treuebonus in Höhe der halben sonst üblichen Zuzahlung. Wegen der Werbeaussagen im Einzelnen wird auf die Darstellung in dem unten wiedergegebenen Klageantrag 1. Bezug genommen.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, diese Boni seien wettbewerbswidrig, weil sie sowohl eine gem. § 4 Nr. 1 UWG unlautere Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit als auch einen gem. § 4 Nr. 11 UWG unlauteren Verstoß gegen die Arzneimittelpreisbindung und das Verbot des § 7 HWG darstellten. Sie hat folgende Anträge mit der Maßgabe gestellt, dass die Anträge Ziff. 3. und 4. auf einen Zeitraum von sechs Monaten vor Rechtshängigkeit bezogen seien:
1. Den Beklagten wird es verboten, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs gesetzlich versicherten Patienten in Deutschland für jedes Produkt auf einem Rezept einen Sofortbonus in Höhe der halben gesetzlichen Zuzahlung anzubieten und/oder zu gewähren und/oder Privatversicherten einen 3 EUR-Treuebonus pro rezeptpflichtiges Medikament anzubieten und/oder zu gewähren und/oder gesetzlich Versicherten, die von der gesetzlichen Zuzahlung befreit sind, einen Treuebonus in Höhe der halben sonst üblichen Zuzahlung anzubieten und/oder zu gewähren, insbesondere wenn dies wie nachfolgend wiedergegeben geschieht:
2. Den Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen Ziff. 1. ein Ordnungsgeld bis 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten angedroht, wobei die Ordnungshaft bei der Beklagten zu 1. an ihrem jeweiligen gesetzlichen Vertreter zu vollstrecken ist und insgesamt zwei Jahre nicht übersteigen darf.
3. Es wird festgestellt, dass die Beklagten gesamtschuldnerisch verpflichtet sind, der Klägerin jeden Schaden, der ihr aus Zuwiderhandlungen gem. Ziff. 1. entstanden [ist] oder noch entstehen wird, zu ersetzen.
4. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, der Klägerin Auskunft über Zuwiderhandlungen gem. Ziff. 1 zu erteilen. Die Auskunft ist zu erteilen durch Vorlage eines Verzeichnisses, das chronologisch geordnet ist und aus dem sich der Abgabepreis des Arzneimittels oder Heilmittels, die Höhe des gewährten Bonus und die Postleitzahl des Rezepteinlösers ergibt. Die Auskunftspflicht beschränkt sich auf Rezepte, die von Patienten mit Wohnsitz, dessen Postleitzahl mit 80 beginnt, stammen.
Die Beklagten haben die Auffassung vertreten, für den Rechtsstreit seien die Sozialgerichte zuständig und zunächst beantragt, hierüber vorab zu entscheiden. Nachdem das LG, der Senat (MD 2007, 389 ff. - Treuebonus) und der BGH (GRUR 2008, 447 ff. - Treuebonus) den Rechtsweg zu den Zivilgerichten für zulässig erklärt hatten, haben die Beklagten beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie haben die Auffassung vertreten, das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb sei nicht anwendbar, da es sich gem. § 69 SGB V um eine sozialrechtliche Streitigkeit handele. Unabhängig davon sei die Beeinflussung durch die Boni nicht unangemessen. Die Regelungen der Arzneimittelpreisbindung seien im Streitfall schon wegen des Sitzes der Beklagten zu 1. in den Niederlanden, jedenfalls aber aus Gründen des Gemeinschaftsrechts nicht anwendbar. Die angegriffenen Boni stellten Imagewerbung dar, die nicht unter § 7 HWG falle. Außerdem haben die Beklagten den Einwand der Verjährung erhoben, weil die Boni ...