Entscheidungsstichwort (Thema)
Erfolgreiche Berufung wegen Schmerzensgeldanspruch aus einer Straftat
Leitsatz (amtlich)
Der Umstand, dass die Akten eines anderen Rechtsstreits als Beweisurkunde herangezogen werden können, rechtfertigt es nicht, die gegenbeweislich angebotenen Zeugen nicht zu vernehmen; denn dadurch würde der Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme verletzt.
Wird die Vernehmung eines Zeugen beantragt, der bereits im Strafverfahren vernommen worden ist, so handelt es sich nicht um eine wiederholte Vernehmung im Sinne von § 398 ZPO, sondern um den erstmaligen Beweisantritt im Zivilprozess.
Die vom Kläger durch die vorsätzliche Körperverletzung erlittenen Schäden und Beeinträchtigungen (u.a. Abbruch des Gesichtsschädels vom Hirnschädel, Schädel-Hirn-Trauma 2. Grades; Notwendigkeit von drei Operationen; Tragen einer Kühlmaske von 5 Tagen; dauerhafte linksseite Schwerhörigkeit mit einem Höprverlust von 15%; kognitive Einschränkungen) rechtfertigen - auch angesichts der brutalen Art und Weise des Angriffs - ein Schmerzensgeld in Höhe von 120.000 EUR.
Normenkette
ZPO §§ 356, 415, 417; BGB § 253 Abs. 2, § 823 Abs. 1-2, § 830 Abs. 1 S. 1; StBG §§ 22, 211, 224 Abs. 1 Nrn. 4-5; SGB X § 116
Verfahrensgang
LG München I (Urteil vom 21.08.2015; Aktenzeichen 26 O 13203/12) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Endurteil des Landgerichts München I vom 21.08.2015, Az.: 26 O 13203/12, abgeändert und zur Klarstellung neu gefasst wie folgt:
1. Der Beklagte zu 1) wird verurteilt, an den Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 120.000,00 EUR nebst Zinsen hieraus seit 26.02.2010 zu zahlen, in Höhe eines Teilbetrages der Hauptsache von 40.000,00 EUR in gesamtschuldnerischer Haftung mit dem Beklagten zu 2).
2. Es wird festgestellt, dass der Beklagte zu 1) in gesamtschuldnerischer Haftung mit dem Beklagten zu 2) verpflichtet ist, dem Kläger jeden zukünftigen materiellen Schaden zu ersetzen, soweit dieser auf die Tat vom 30.06.2009 zurückgeht und die Ansprüche des Klägers nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen.
3. Es wird festgestellt, dass der Beklagte zu 1) verpflichtet ist, dem Kläger darüber hinaus jeden weiteren immateriellen Schaden zu ersetzen, der dem Kläger aus dem Angriff vom 30.06.2009 noch entstehen wird.
4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die weitergehende Berufung des Klägers und die Berufung des Beklagten zu 1) gegen das vorgenannte Endurteil werden zurückgewiesen.
III. Von den Gerichtkosten erster Instanz tragen der Kläger 45%, die Beklagten zu 1) und 2) samtverbindlich 37%, der Beklagte zu 1) darüber hinaus weitere 18%.
Von den außergerichtlichen Kosten des Klägers in erster Instanz trägt der Beklagte zu 1) 37%.
Von den außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1) in erster Instanz trägt der Kläger 27%.
Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Beklagte zu 1) 73% und der Kläger 27%.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger nimmt den Beklagten zu 1) wegen eines tätlichen Angriffs am 30.06.2009 auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes in Anspruch. Daneben begehrt er die Feststellung, dass der Beklagte zu 1) ihm samtverbindlich mit dem Beklagten zu 2) - mit dem sich der Kläger in erster Instanz über die streitgegenständlichen Ansprüche verglichen hat - für alle materiellen und alle weiteren immateriellen Folgen des Vorfalls vom 30.06.2009 haftet. Der Beklagte zu 1) bestreitet, dass er an dem tätlichen Angriff auf den Kläger beteiligt gewesen sei.
Hinsichtlich der Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Endurteils des Landgerichts München I vom 21.08.2015, Az.: 26 O 13203/12, Bezug genommen.
Das Landgericht hat unter Abweisung der Klage im Übrigen den Beklagten zu 1) zur Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 80.000,00 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 26.02.2010 verurteilt. Es hat festgestellt, dass der Beklagte zu 1) verpflichtet ist, dem Kläger künftig entstehende materielle Schäden aus dem tätlichen Angriff vom 30.06.2009 zu erstatten, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind. Von den Gerichtskosten hat es dem Kläger 50%, den Beklagten samtverbindlich 37% und dem Beklagten zu 1) weitere 13% auferlegt; die außergerichtlichen Kosten der Parteien hat es gegeneinander aufgehoben.
Zur Begründung seiner Entscheidung führt das Landgericht aus, dem Kläger stehe gegen den Beklagten zu 1) aus § 823 Abs. 1, §§ 830, 253 Abs. 2 BGB aufgrund des Schadensereignisses vom 30.06.2009 ein Schmerzensgeld in Höhe von insgesamt 80.000,00 EUR zu. Zudem bestehe ein Fests...