Entscheidungsstichwort (Thema)
Unfall, Fahrbahn, Gehweg, Kollision, Verkehrsteilnehmer, Seitenabstand, Feststellungsklage, Feststellungsinteresse, Haftungsverteilung, Verpflichtung, Fahrrad, Fahrgeschwindigkeit, Unfallereignis, Schulter
Verfahrensgang
LG Landshut (Urteil vom 07.08.2020; Aktenzeichen 44 O 3499/19) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers vom 19.08.2020 wird das Endurteil des LG Landshut vom 07.08.2020 (Az. 44 O 3499/19) in Nr. 1 und Nr. 2 abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. a) Es wird festgestellt, dass der Beklagte im Umfang von 50% zum Ausgleich aller künftigen materiellen und immateriellen Schadensersatzansprüche des Klägers aus dem Verkehrsunfall vom 17.04.2018 um ca. 20:09 Uhr in A., Q.straße/B.straße, verpflichtet ist, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen werden.
b) Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 443,52 EUR zu zahlen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz werden gegeneinander aufgehoben.
Im Übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
III. Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
V. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 10.000,- EUR festgesetzt
Gründe
A. Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird abgesehen (§§ 540 II, 313 a I 1 ZPO i. Verb. m. § 544 II Nr. 1 ZPO).
B. Die statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete, somit zulässige Berufung hat in der Sache teilweise Erfolg.
I. Das Erstgericht verneinte rechtsfehlerhaft einen Verstoß des Beklagten gegen die Verpflichtungen aus § 10 StVO und kam somit zu Unrecht zu dem Ergebnis, dass das streitgegenständliche Unfallereignis vom Kläger alleine verschuldet worden ist. Entgegen der Ansicht des Erstgerichts liegt ein Verstoß des Beklagten gegen die Verpflichtung aus § 10 StVO vor, so dass angesichts dessen, dass dieser Verstoß gleich schwer wiegend wie der Verstoß des Klägers gegen die Verpflichtung aus §§ 8, 3 Abs. 2a StVO ist, eine Haftungsverteilung von 50 zu 50 sachgerecht ist. Dementsprechend ist der Beklagte im Umfang von 50% zum Ausgleich aller künftigen materiellen und immateriellen Schadensersatzansprüche des Klägers aus dem streitgegenständlichen Verkehrsunfall verpflichtet.
1. Angesichts dessen, dass der Kläger sich bei dem streitgegenständlichem Unfallereignis unstreitig eine ACG-Sprengung vom Typ Tossy III in der rechten Schulter zugezogen hatte, aufgrund derer der Kläger operiert werden musste, bejahte das Erstgericht mit zutreffender Begründung das für eine Feststellungsklage erforderliche Feststellungsinteresse des Klägers. Denn bei derartigen Gelenkverletzungen sind Folgeschäden indiziert, was für die Annahme des Feststellungsinteresses ausreichend ist.
2. Zulässigerweise geht der Kläger nunmehr gemäß seiner Berufungsbegründung vom 10.11.2020 von dem von dem Beklagten und dem Zeugen D. geschilderten Unfallhergang aus, so dass dieser Unfallhergang der Entscheidung zugrunde zu legen ist. Somit ist davon auszugehen, dass der zum Unfallzeitpunkt 11 Jahre alte Beklagte mit seinem Fahrrad den linken Gehsteig der Q.straße in Richtung B.straße befahren hat und am Ende des Gehsteiges in etwa auf der Höhe des dort befindlichen Gullys von dem Gehsteig, der an dieser Stelle nicht abgesenkt ist, mindestens mit seinem Vorderrad auf die Fahrbahn der Straße gefahren ist, um die B.straße geradeaus zu überqueren.
3. Unter Zugrundelegung von vorstehendem Sachverhalt ist ein Verstoß des Beklagten gegen die Verpflichtungen aus § 10 StVO gegeben.
a) Das Erstgericht übersah rechtsfehlerhaft, dass der Beklagte bei dem Herunterfahren mit dem Fahrrad von dem Gehsteig auf die Straße nicht die ihm gebotene Sorgfalt beachtet und gegen die Verpflichtungen aus § 10 StVO verstoßen hat. Denn der Beklagte wäre beim Verlassen des Gehsteiges zum Überqueren der B.straße verpflichtet gewesen, am Ende des Gehsteigs anzuhalten und zu überprüfen, ob von links aus der B. straße Verkehr kommt und ob er die B.straße ohne Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer überqueren kann. Rechtsfehlerhaft hat das Erstgericht in diesem Zusammenhang ausgeführt, dass dem Beklagten kein Vorwurf gemacht werden könne, da der Sachverständige bestätigt habe, dass der Beklagte zum Unfallzeitpunkt bis ans Ende des Gehweges hätte fahren und gezielt schräg links vorne hätte klicken müssen, unter Umständen sogar mit Nachvornebeugen der Person, um den Kläger überhaupt erblicken zu können. Aus den vorstehenden Ausführungen des Sachverständigen folgt jedoch vielmehr und im Gegensatz zu der Annahme des Erstgerichts, dass der Beklagte aufgrund seiner nach links stark eingeschränkten Blickmöglichkeit gerade zu dem Verhalten verpflichtet gewesen wäre, mit dem er den herannahenden Kläger entsprechend den überzeugenden Ausführungen des Sac...